ZitatInhaltstext von x-zine.de
Nicht wissend, was er tut, öffnet der 13jährige Mark mittels des Lots seines Vaters das Tor zum Schwarzen Turm, welcher einst ein Paradies war, jetzt jedoch unter der Herrschaft des Greifs steht und zur Hölle geworden ist.
Als letzter Nachkomme der Familie, die jenen Greif ein halbes Jahrhundert zuvor erschuf, kann nur Mark ihn besiegen. Doch mittlerweile hat auch der Greif mitbekommen, dass Mark die einzige Person ist, die ihm gefährlich werden könnte und schickt deshalb seine Häscher aus, um ihn in seine Gewalt zu bringen. Nachdem Mark dem liebenswerten Dämonen Yezariael das Leben gerettet hat, wechselt dieser jedoch die Fronten und die beiden werden enge Freunde. Mit der Unterstützung des Cherubs, seines Bruders und Dr. Mertens nimmt Mark tapfer den aussichtslos scheinenden Kampf gegen den Greif auf...
Doch haben seine Freunde wirklich so viel Gutes im Sinn, wie sie behaupten, oder treiben sie nur ihr Spiel mit Mark?
Rezension
Über drei CDs erstreckt sich die Geschichte "Der Greif" von Holhbein & Hohlbein. Drei CDs sind eine Menge Spielzeit, die für sich gesehen auch ordentlich genutzt wird, wäre da nicht ein Punkt, der mir _ganz_ übel aufstößt: Marc ist ein 13jähriger Junge und hat einen älteren Bruder, eine Mutter, sowie einen seit Jahren verschollenen Vater. Fertig. Mehr erfährt man eigentlich nicht; Marc kommt zwar wie ein sympathisches Kerlchen rüber, aber richtig Einblick in den Charakter bekommt man eigentlich nicht. Wo die Charaktere beim "Genreverwandten" Herrn Potter nebst seiner Freunde Ecken und Kanten haben, lebendig und dreidimensional wirken, erledigen die Figuren in Hohlbeins Fantasy-Welt zwar ihre Aufgaben, aber bleiben leider (viel zu) oberflächlich. Auch das Marc streckenweise "Blade" oder den "Terminator" im Punkte Furchtlosigkeit alt aussehen lässt, halte ich nicht wirklich für glaubwürdig.
Aber genug der Tadel, das was sich ansonsten in diesem Epos abspielt, ist schon gute Fantasy-Unterhaltung über eine Welt, die stärker noch als Harry Potters Zaubererwelt mit "unserer" Realität verschmilzt. Was recht lieb beginnt, endet in einem Szenario, das von der Art her durchaus an Freddy Kruegers Traumwelt in den Nightmare on Elm Street Teilen 3 und 4 erinnert - nicht vom Gesplatter her, sondern von der Art wie die Dinge "funktionieren". Dazu gesellen sich fantastische Kreaturen wie ein Cherub, der Haiköpfige Maniht, fliegende Teufel, ein Heer von Toten und natürlich der titelgebende "Greif"
Langweilig wird es beim besten Willen nicht, denn nach einem traumhaften Intro (genial gesprochen von Martin Kessler) wird nach kurzer Vorstellung des Hauptcharakters gleich Vollgas gegeben. Wäre der Punkt der mir persönlich stark fehlenden Charakterisierung nicht gewesen, hätte ich durchaus ein sehr gut vergeben können. So bleibt es leider "nur" bei einem gut.
Sprechertechnisch hat man sich einige große Namen und bekannte Stimmen ins Studio geholt. So wird der Cherub von Martin "Vin Diesel/Nicolas Cage" Kessler gesprochen, der Handlanger Nr.1 des Greifs, Sarn, wird von Joachim Kerzel und der "Dobby-Darkling" Yzariael von Peer Augustinski mit Leben erfüllt - und auch Norman Matt findet sich unter den Sprechern wieder.
Insgesamt hatte man hier über 50(!) Sprecher für die epische Vertonung zur Verfügung und Aussetzer sucht man weit und breit vergeblich. Leider jedoch auch einen Erzähler, der zumindest die rudimentären Dinge hätte erläutern müssen wie Dimensionswechsel oder was in den oftmals gut 40 Sekunden dauernden Geräuscheffekt-Collagen passiert, die man als Kampf oder Unfall gleichermaßen deuten könnte - und was nützt es zwei Minuten NACH einem Kampf zu erfahren, daß das Monster einen Haifischkopf trug? Solche Infos brauche ich als Hörer VOR oder WÄHREND des Kampfes (welcher auch als solcher kenntlich gemacht werden sollte). Dies entpuppt sich auch schnell als größtes Manko des Hörspiels, denn wenn eines im Hörspiel NICHT passieren darf, dann, daß der Rezipient nicht nachvollziehen kann, WO die Handlung gerade stattfindet oder WAS just in diesem Moment passiert.
Effekt- und Musikmäßig wird hier allerdings richtig gut aufgetischt: Die Erschaffung der beiden Welten gerät zu einem dynamischen, lebendigen Werk, das den Hörer nicht nur teilhaben lässt, sondern ihn wirklich in diese Welten reinzieht. Und musikalisch wird oftmals wirklich an große Scores wie Bram Stokers "Dracula" oder "Der Herr der Ringe" erinnert, was im Zusammenspiel mit Handlung, Effekten und Sprechern zu einem regelrechten Erlebnis wird.
Fazit:
'Der Greif' hätte das fast perfekte Fantasy-Epos im Bereich Hörspiel sein können. Hätte...
Verhindert wird dies durch zwei dicke Patzer: Erstens sind mir die Charaktere zu oberflächlich gehalten; klar, man fiebert mit Marc, aber wer er eigentlich ist, weiß man nicht wirklich, dafür fehlen einige Punkte. Und zweitens: Kein Erzähler. Tödlich für eine solch epische Erzählung. Den Vorsatz den Hörer "mittendrin, statt nur dabei" haben zu wollen in allen Ehren, aber SO geht es nun wirklich nicht. Was nützt es mir, wenn ich mittendrin bin, aber nicht weiß, wo - oder was gerade passiert? Und solche Momenten kommen leider immer mal wieder vor.
So bleibt ein zwiespältiges Gefühl von Euphorie und Unverständnis. Euphorie ob der genialen Sprecherleistungen, der extrem lebendigen Geräuschkulisse und der treffend gewählten Musiken, sowie der sogartigen Story. Unverständnis darüber, daß man bei einer solchen Produktion einen Erzähler völlig ausgelassen hat.
Ja, 'Der Greif' ist ein gutes Hörspiel, bei mir schwankt es sogar noch zwischen gut und sehr gut. Aber das perfekte Fantasy-Hörspiel lässt leider weiterhin auf sich warten. Dennoch: Wer beispielsweise "Die unendliche Geschichte" mochte oder generell mit Fantasy etwas anfangen kann, der sollte sich dieses Epos hier ruhig zulegen, zumal es mittlerweile ja auch zum "Budget"-Preis von ca 9,95€ zu haben ist.
[2]Story[/2][3]Inszenierung[/3][1]Sprecher[/1][1]Effekte[/1][2]Musik[/2][2]GESAMT[/2]
© 2006, Ronny Schmidt