Ist Caine zu hart, bist du zu weich.
Natürlich ist dieses Statement ganz bewusst provokant formuliert. Allerdings: was ist denn dran an der Aussage?
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Man stelle sich folgende beiden Texte mit der Musik von MNEMIC unterlegt vor. Es entscheide jeder für sich, wie diese Passage auf ihn wirken würde.
Kartaan: Hallo, mein Guter. Na, gut geschlafen?
Caine: Geht so.
Kartaan: Aber, aber, mein guter. Jetzt geht es erstmal auf zum Frühstück.
Caine (denkt): Was Kartaan mit Frühstück meinte, konnte ich mir bereits lebhaft vorstellen.
Kartaan: Zeit für ein kleines Schützenfest.
Caine: Jaja...
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Kartaan: Guten Morgen, mein Hündchen. Gut geschlafen?
Caine: Lass mich einfach in Ruhe, du gottverdammter Drecksack.
Kartaan: Aber, aber, mein bester. Jetzt gibt es erstmal lecker Happi-Happi. Feines Schlächter-Frikasee.
Caine (denkt): Warum kann mich dieser widerliche Wixxer (sic!) nicht einfach in Ruhe lassen.
Kartaan: Auf, auf. Zeit für SPAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAASSSSS!
Caine: Und damit sollte eine Stunde des absoluten Grauens folgen, in der Kartaan schlimmer wütete, als es diese kleine Gemeinde nichtmal in ihren heftigsten Albträumen hätte vorstellen können.
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Wer bereits bei der Musik schreiend die Hände über den Kopf zusammenschlägt, der mag vielleicht direkt beim letzten Absatz weiterlesen
Dass die Serie Caine sich nicht unbedingt gerade alltäglicher Umgangssprache bedient sollte mittlerweile bekannt sein. Dennoch gibt es öfters immer wieder laute Aufschreie, dass man hier zu weit gehe und die Grenzen des guten Geschmacks verletzt.
Ja. Caine verletzt die Grenzen des guten Geschmacks. Caine setzt sich über die normalen Wert- und Moralvorstellungen hinweg. Caine bricht bewusst die Regeln. Nicht nur was die Handlung selbst betrifft, sondern auch im Hörspielgenre.
Doch in vielen Fällen beschränkt sich die Gewalt in dem Hörspiel auf die Gewalt des Wortes. Vulgäre Ausdrucksweisen sind sicherlich keine Seltenheit und es wird geflucht wie bei den Kesselflickerm. Das ist man in der Tat in der Hörspiel-Welt bis dato nicht gewohnt gewesen, denn oftmals war der Held aalglatt, fein gegelt und hatte zu jeder Situationen einen lockeren Spruch in der Tasche, der das Grauen mal eben nur halb so groß gemacht hat.
Caine erscheint oftmals wie ein Experiment. Wie weit kann man gehen? Was dem Hörer zumuten?
Dem entspricht das Gesamtbild der Produktion. Rasante, hektische Schnitte, harte, wummernde Beats, zerstörerische Dark-Metal-Klänge und nicht zuletzt die Cover, die alles andere als alltäglich daherkommen. Da erscheint es nur allzu verständlich, dass die Charaktere, die ja einen gewissen Milieu-Hintergrund haben, sich nicht ala Goethe in Strophenform die Sätze an den Kopf werfen. Der Glaubwürdigkeit willen, kommt man um eine härtere Gangart gar nicht herum.
Fans von Bibi Blocksberg oder Benjamin Blümchen dürften da zurecht erst mal heftig schlucken und entsetzt den Kopf schütteln. Denn das ein oder andere Mal erscheint das wirklich etwas zuviel des Guten.
Doch im Vergleich mit mancherlei Songtexten gewisser Künstler, die ganz bewusst provozieren wollen, fällt Caine teilweise sogar noch harmlos aus. Vielleicht mag man Caine als den Eminem der Hörspiel-Welt bezeichnen.
Wer meint Caine sei nur eine Aneinanderreihung von Vulgäritäten, der liegt indes vollkommen falsch. Der Handlungspart rund um die Dunkelelfen und die verfeindete Rasse der Aganoi kommt gerade aufgrund der entsprechende hörtechnischen Umsetzung spannend und verstörend zugleich daher. Dass allein schon dieser Stoff - sagen wir mal - eher strange und damit gleichwohl nicht jedermanns Sache ist, unterstreicht nur noch mal, dass man zu Caine entweder den nötigen Draht hat, oder eben nicht.
Caine jedoch allein auf Gewalt reduzieren zu wollen, wird der Serie nicht im geringsten gerecht. Das zeigt auch schon die Wandlung der Hauptfigur in den neuesten beiden Abenteuern: Wer genau hinhört, wird feststellen, dass die ganzen Geschehnisse ihn bei weitem nicht so kalt lässt, wie es nach außen hin oftmals scheint.
Somit bleibt festzuhalten: Caine ist absolut zurecht nicht jedermanns Sache. Doch kann man wohl kaum behaupten, dass die Gewalt (des Wortes) einfach nur um der Gewalt willen dargestellt wird, sondern sich nur logisch aus dem Gesamtbild ergibt. Dass Caine nun nicht eine Hörspielserie ist, die man sich gemütlich abends zum einschlafen anhört, ist eigentlich nur logisch. Es ist auch nur absolut verständlich, wenn Leute mit der Art und Weise der Serie nichts anfangen können, jedoch kann man der Serie absolut nicht vorwerfen, dass sie schlecht sei, denn dazu ist sie handwerklich einfach zu gut. Wenn irgendwo der Punkt Geschmacksache greift, dann auf jeden Fall bei dieser Serie aus dem Hause Lausch.
Dass die Lauscher aber auch anders können, als hart und fast schon destruktiv verstörende Hörspielkost zu produzieren, haben sie mit anderen Produktionen bereits bewiesen. So richtig ins Kinderzimmer passt allerdings eigentlich keine der bisherigen Hörspiele aus der Schmiede von Günter Merlau.