Just my 2ct. - quasi ein Resümee der letzten Hörspieljahre aus meiner Sicht
2006 - das dürfte wohl als das endgültige "Jahr der Wende" in Erinnerung bleiben, hörspieltechnisch gesehen.
Wie ich jetzt wieder auf diesen kruden Gedanken komme? Nein, kein Jägermeister. Einfach nur deshalb, weil in diesem wie in kaum einem der letzten Jahre, hochqualitative Hörspiele und ein breitgefächertes Genreangebot überraschen und ein ehemaliger Platzhirsch "dank" Lizengerangel wohl noch weiter in den Schatten gestellt wird...
Sehen wir doch mal auf die letzten Jahre zurück.
Bis anno 1999/2000 war der Markt sehr "EUROPAeisch" und die kommerziellen Produktionen waren ebenfalls eher "altbacken" (was, bitte nicht falsch zu verstehen, nicht schlecht ist). Vornehmlich wohl Dank der "Drei ???" verließ das Hörspiel jedoch sein Schattendasein, das es seit Einführung von GameBoy & Co. Anfang der 90er fristete, und rutschte, nicht zuletzt auch durch immer wieder auftauchende Prominente, die sich als bekennende Hörspielfans "outeten", als auch durch den Hype um den hundertsten Drei ???-Band, respektive des 100. Hörspiels der Serie, wieder mehr und mehr ins Rampenlicht und ins mediale Interesse diverser Verlage, Sender und Radiostationen. 1live brachte eine spezielle Version der Drei ??? Folge 99, EUROPA verstand es damals wirklich gut dieses öffentliche Interesse auszubauen und zu nutzen. Hörspiele als "Kult der Nostalgie" war in etwa das, was zu jener Zeit durch die Medien geisterte und sogar zu Neuveröffentlichungen alter Hörspielklassiker der Spät70er- und 80er Jahre führte; plötzlich waren Neon Grusel, Larry Brent, Macabros und Edgar Wallace wieder in den Audioabteilungen zu Gast und man feierte die "gute alte Zeit" - die jedoch nicht allzu lang kommerziellen Erfolg bot und ein Grossteil der "alten Schätzchen" recht fix wieder die Hörspielregale im "gemeinen Handel" verlassen musste...
Nun, "Golden 80ies" hin oder her, es kam der Wendepunkt:
WortArt produziert im Auftrag von Lübbe Audio die Abenteuer von "Geisterjäger John Sinclair" neu. Und wie! War man bislang eher dezente Geräuschkulissen und synchronsprecher-freie Hörspiele gewohnt, facktelten Oliver Döring und sein Team ein bis dahin nie gekanntes Feuerwerk an Brachialeffekten, sowie einer gelungenen Kombination aus weniger bekannten Sprechern und Synchronprominenz; allein das Intro deklassierte schon alles bislang gekannte.
Dies war wohl sowas wie der "Startschuss", denn natürlich bleibt ein solches Erdbeben nicht folgenlos. Sinclair schlug ein wie eine Bombe - und startete somit eine Initialzündung, die letztlich für eine "Cineatisierung" des Hörspiels sorgte. Immer ausgefeiltere Effekte, Inszenierungsformen, Musiken und Regiekniffe führten dazu, daß sich das Gesamtbild moderner Produktionen weg vom biederen "Hörspiel in oo-Stereo"-Image hin zu "Kino für die Ohren" entwickelte, welches derzeit -2006- u.a. mit Serien wie "Caine", "Faith - The Van Helsing Chronicles", "Gabriel Burns", "The Undead Live", "Rettungskreuzer Ikarus", "Offenbarung 23" etc. ein nach der "Horror-Schwemme" langsam doch recht genreübergreifendes Angebot mit hoher Qualität offeriert und dank cleverer Marketingstrategien auch abseits der "abgegrasten Pfade" erfolgreich Neukunden und -fans "anfixt" und sich mehr und mehr zu einem wortwörtlich multimedialen Phänomen entwickelt - etwas, das zu Beginn der "Revolution" wohl noch nicht denkbar gewesen wäre (Stichwort: Opulente Scores, Musiker- und Künstlerstelldichein á la Poes "Visionen").
Zur Gegenwart:
Wie erwähnt hat man in den letzten Monaten endlich, endlich mal das Gefühl, daß Horror als allseligmachendes Genre, respektive Cash Cow, nicht mehr derart en vogue ist wie noch vor 2 oder 3 Jahren, wo jedes neue Label erstmal in Richtung Horror ging. Natürlich ist es legitim, absolut verständlich - Horror an sich ist nun mal das Genre, das wohl die größte Hörerschaft hat (oder hatte?). Allerdings fand eine merkliche Übersättigung statt und, oh Wunder, hat man (zumindest in Kürze) endlich ein schönes breitgefächertes Angebot, das von Action, Thriller, Mystery,Science Fiction, Abenteuer, Fantasy bis hin zu Krimi und Schauerromantik reicht. Kinder und Jugendliche finden ebenso Interessantes wie Erwachsene und langsam, ganz langsam setzt sich wohl auch die Erkenntnis "draussen" durch, daß Hörspiele eben doch ein "bischen" mehr sind als nur "Töröööö" und "Hex Hex".
Natürlich gibt es auch Leute, die mit dem ganzen "neuen Zeugs" nichts oder wenig anzufangen wissen, natürlich wird dieses "ganze Tamtam" einigen Leute ein Dorn im Auge, 'tschuldigung: Ohr sein, doch Auswirkung hat dies nicht, denn die "Revolution", die im kommerziellen Bereich wohl vor allem, bzw. am prominentesten Oliver Döring und Volker Sassenberg zuzuschreiben ist, hat ihre Wirkung bereits gezeigt: Die braven 70er/80er sind vorbei - willkommen in der schönen neuen Hörspielwelt - und 2006 ist das wohl ereignis- und abwechslungsreichste Jahr seit langem...