Interview mit Marco Göllner

  • 1. Hallo Marco. Nun ist auch dein Beitrag in Sachen MindNapping erschienen, „Dopamin“ ist da. Was war dein erster Gedanke, als meine Anfrage in deinen Postkasten flatterte?


    Mutig. - Mutig, dachte ich, dass jemand, der seit Jahren saftig austeilt und auch nicht die Straßenseite wechselt, wenn ihm missverstandene Hörspielproduzenten mit abgesägten Mikroständern im Dunkeln auflauern, sich nun selbst in den Ring begibt. Wird in Zukunft an seinen eigenen Worten gemessen werden. Kann auch grob nach hinten losgehen… Aber schlau, die Wahl des Genres und auch, dass er ein paar Leute fragt, die schon mal ein Hörspiel geschrieben haben. Und dann hab ich gedacht, mal sehen, ob er dich bezahlen kann…


    2. Ich fand deine Frage im Vorfeld, ob Sex im Hörspiel vorkommen darf zunächst erst äußerst amüsant, immerhin ist MindNapping ja Psychothriller-Unterhaltung für Erwachsene. Als ich dann das fertige Skript las, fand ich es nicht mehr ganz so amüsant und ich machte mir einen ziemlichen Kopf, wie ich das vernünftig umgesetzt bekomme. Ich habe nämlich kein Problem mit Sex in Hörspielen, wenn man es auch angemessen präsentiert. Meiner Meinung nach gibt es nichts Schlimmeres oder Alberneres als lächerliche Sexszenen. Ich persönlich habe auch das Gefühl, dass es im Hörspielbereich zu 99% schlechte und alberne Sexszenen gibt. Schlechter Hörsex sozusagen. Wie ist dein Verhältnis zu Sex in Hörspielen bzw. wann macht Sex Sinn in einem Hörspiel und wann nicht?


    Sex in einem Hörspiel macht genauso viel oder eben wenig Sinn wie Mord oder Drogen oder Gewalt oder ein Besuch im Streichelzoo in einem Hörspiel. Es muss zur Story passen. Und das nicht nur beim Hörspiel, sondern in jeder anderen Kunstform auch. Allerdings ist es schon so, dass genau dieses Thema im Hörspiel sehr stiefmütterlich behandelt wird im Vergleich zu Film oder Buch. Meine These ist ja, dass wenn das Hörspiel ernstgenommen werden will, raus dem Kinderzimmer, erwachsen werden möchte, dann muss es sich mit anderen Medien messen können, dann darf es Themen nicht kategorisch ausklammern, dann darf es auch Sex haben. Als Deine Anfrage kam, war mir aber nicht klar, wer die MindNapping Zielgruppe sein soll, deshalb meine Frage. Auch möglich wäre ja gewesen, dass es deinem persönlichen Geschmack widersprochen hätte und wer will etwas rausbringen, was ihm selbst nicht gefällt?


    3. Ich bin mit dem Ergebnis übrigens sehr zufrieden und es hat mir nicht nur großen Spaß gemacht, eine Vorlage aus deiner Feder umsetzen zu können, es war gleichzeitig auch eine sehr große Herausforderung. Ich weiß ja anhand von Dorian Hunter, was möglich ist und was Du selber so „raushaust“, da ist die Messlatte für mich natürlich auch dementsprechend hoch gewesen. Wie ist das Ergebnis deiner Meinung nach ausgefallen und ist es mittlerweile schwer für dich, deine Geschichten aus der Hand zu geben, Auftragsarbeit hin oder her?


    Vielen Dank für die Blumen, aber Kirche im Dorf lassen. Auch mein Süppchen beginnt mit einem Topf und Wasser kochen… Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, hätte es aber – och? - an dieser oder jener Stelle etwas anders gemacht, aber genau das war ja für mich das Spannende: der Interpretation meiner Idee durch jemand anderen lauschen. Ich habe ja sonst nie einen so großen Abstand zwischen Worten aufschreiben und dann „in fertig“ anhören. Dazwischen fällt ja bekanntlich Disponieren, Aufnehmen, Regieren, Wiederholen, Schneiden, Produzieren. Das war schön, mal „nur“ zu schreiben, so entspannt. Ich habe kein Problem damit Geschichten aus der Hand zu geben, es gibt nur sicherlich welche, wo ich Spaß daran hätte, sie selbst zu gestalten… Und Dorian Hunter ist im Übrigen ja auch eine Auftragsarbeit. Mich kann man ja mieten. Ich weiß nicht, ob´s alle wissen. Ich bin auch gut in Rasenmähen. Und nackt Fenster putzen. Aber dann nur von innen.


    4. Für mich persönlich ist „Dopamin“ so was wie das „9 ½ Wochen“ oder „Basic Instinct“ des Psychothrillers. Würdest du das so unterschreiben oder hast Du einen anderen Ansatz? Woher stammt die Idee für dieses Hörspiel?


    Jetzt kommt´s raus: ich kenne „9 ½ Wochen“ gar nicht. „Basic Instinct“ allerdings fand ich sehr gut…damals in den 80gern… aber da geht es doch um den Mann, deren Affäre ihn bedrängt, bedroht, erpresst, oder? Man möge mich korrigieren. Also eigentlich eine traurige Geschichte von nicht erwiderter Liebe, die die Protagonistin krank sein oder werden lässt.
    Die Idee von Dopamin, ist die Idee, was wäre, wenn jemand mit jemandem Sex gehabt hätte und er wüsste nicht mit wem? (Alle Besoffenen mal ausgenommen) Das fand ich unheimlich.
    Und dann stellte ich mir vor, dieser Unbekannte würde auch noch anrufen und leise sagen, „Das war schön mit dir…“ Das fand ich noch unheimlicher. Um diese Idee herum schrieb ich Dopamin.


    5. Kannst Du dir vorstellen weitere Folgen zur Reihe beizutragen?


    Ich kann mir viele Dinge vorstellen. Ist sozusagen mein Beruf.


    6. Ich muss mich übrigens noch für das Cameo einer deiner Figuren in „Dopamin“ bedanken, das hat mich persönlich schon ziemlich überrascht. Also müssen jetzt alle Fans des Dämonen-Killers auch „MindNapping“ kaufen, um diesen Auftritt mitzubekommen und für das Gesamtverständnis deiner Serie „Dorian Hunter“ ist „Dopamin“ ja auch unverzichtbar, oder?


    Absolut. Jeder, der Hunter auch nur annähernd verstehen will, braucht Dopamin. Aber das war schon immer so. (DH ist aber nicht „meine“ Serie, ist nur Großteils meine Interpretation, gibt ja sogar noch andere…)


    7. Schwarze Familie, schwarzer Humor? Dir liegt diese Art von Humor, kann das sein? Mir persönlich kann er auch nicht schwarz genug sein und ich schätze die Einflechtung von Humor in deinen Hörspielen sehr. Wie ist deine Meinung dazu, gehört nur schwarzer Humor in die härteren Genrevertreter (Grusel/Horror, Krimi/Thriller) der Hörspielkunst und Holzhammergags sollte man generell vermeiden?


    Nein. Immer den Witz machen, bevor ihn jemand anderer macht, auch wenn es Freundschaften kostet. Wenn man Hörspiele macht, egal welches Genre, dann macht man ja meist das Hörspiel, welches einen selbst gut unterhalten würde. Welches man selbst gern hören wollte. Alles andere wäre ja Quatsch. Und wenn ich dann also eine Hunter-Geschichte adaptiere, schreibe ich alles rein, was mir dazu einfällt. Jede Wendung, jedes Wort, jeden Gag. Das Leidliche ist aber, dass die Skripte ja vom Verlag abgenommen werden… Wenn also Dennis Ehrhardt nicht so ein völlig humorloser Fischkopp wäre, wäre Hunter sogar noch viel lustiger.
    Interessant übrigens, dass man mittlerweile Humor in Hunter entdeckt. Zu Beginn, beim Herauskommen der ersten Folgen, wurde uns der ja völlig abgesprochen. Obwohl wir selbst viel gelacht haben. Wie dem auch sei: ich selbst komme von der Satire, der Überzeichnung, dem Abstrusen, habe viel Kishon gelesen in der Jugend, Loriot gesehen, Monty Python auf dem Schulhof zitiert. Ich konnte aber auch über Nonstop Nonsens lachen und fand eine Fips Asmussen Platte meines Vaters großartig. Ich bin bis heute großer Heinz-Ehrhardt-Fan (nein, ist nicht verwandt mit Dennis, weiterer Minuspunkt also für ihn) und freue ich mich mit Stromberg, amüsiere mich bei Zippert Zappt und lache viel, jeden Montag wenn Der Spiegel rauskommt. Ich bin da also weit und breit gefächert.


    8. Was steht von deiner Seite aus als nächstes an? Dorian Hunters Abenteuer laufen ja scheinbar erst mal weiter, aber wie sieht es mit anderen Werken aus, was hast Du in der Mache?


    Bei Hunters Abenteuern schreibe ich gerade Nummer 23, schneide Nummer 18 und nehme noch auf für die Nummern dazwischen. Außerdem stehen noch Aufnahmen an für ein weiteres Hörspiel nach einem Roman von Kai Meyer, welches im Herbst bei Zaubermond Audio erscheinen wird.


    9. Kannst Du dir weitere Beiträge zu „MindNapping“ vorstellen? Wenn Chap Hillmann und Tore Poulsen mal nicht nach Kunstwerken suchen, könnten die beiden auch mal einen Psychothriller erleben?


    Die beiden sollen auf jeden Fall noch etwas erleben. Da werde ich in diesem Jahr auch noch etwas zu Papier bringen. Schade, schade… die Idee passt leider nicht ins MindNapping Konzept… tja…
    Aber im Moment kann ich ganz schlecht tippen, da ich beide Daumen drücken muss, denn Goldagengarden ist ja für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert. Und so überrascht wie ich war, denn ich kann mich an keine Privatproduktion erinnern, die es dorthin schaffte, so sehr freu ich mir grad ein Loch in die Hose.


    10. In welchem Genre tobst Du dich am liebsten aus?


    Das Genre ist mir wirklich völlig gleich. Mich interessiert immer eine gute Geschichte. Obwohl ich gestehen muss, dass es produktionstechnisch schon spannender, herausfordernder ist etwas wie Hunter zu erstellen, mit Monstern, Tieren, Sensationen.


    11. Du bist einer der wenigen Macher, der sich öffentlich über zu lasche Kritiken im Internet geäußert hat. Dir sind viele Rezensionen zu lasch und es werden deiner Meinung nach zu viele schwache Produktionen positiv besprochen. Diese Meinung dürfte auch weiterhin aktuell sein, oder? Wie ist es denn im Umkehrschluss, wenn zum Beispiel von mir Kritik an der einen oder anderen Folge von „Dorian Hunter“ geäußert wird? Ist dir das egal, weil Du von deinen Produktionen überzeugt bist oder wägst Du ab und ziehst dir die Punkte raus, die Du auch als brauchbare Kritik betrachtest? Wo setzt Du an, wenn es um Kritiken im Netz geht? Im Prinzip hat ja sowieso jeder Rezensent etwas anderes an einer Produktion auszusetzen, wie filterst Du?


    Diese, meine, Meinung bezieht sich nicht auf Fans, welche z.B. Bibi Blocksberg schon immer toll fanden und jetzt mal eine Seite im Netz aufmachen um allen mitzuteilen, wie toll alle 1234 Folgen sind und zu jeder auch noch was schreiben. Sie bezieht sich auf „Vielhörer“, „Durchdiebankbewerter“ und deren wenig differenzierte Punktvergabe im oberen Viertel der Skala. Vielleicht aus dem Motiv heraus, „dem Hörspiel an sich“ etwas Gutes tun zu wollen. Meiner Meinung nach das falsche Motiv.
    Was ist der Sinn von Hörspiel-Kritiken? Dem Unwissenden, dem Nichtkenner, ein Produkt inhaltlich vorzustellen und es zu bewerten, um ihm im großen Pool der Hörspiele einen Platz zuzuteilen. Ganz subjektiv selbstverständlich, aber so objektiv wie möglich, durch Vergleiche mit ähnlichen Produktionen usw. Zweck der Angelegenheit: dem potenziellen Hörer klar zu machen, ob diese Produktion es wert ist angehört zu werden. Und wenn dann eine wirklich objektiv schlechte Produktionen mit schlechter Schauspielarbeit (nehme ihm die Darbietung nicht ab), schlechter Ton (fünf verschiedene Räume auf fünf verschiedenen Stimmen, völlig unterschiedlicher Bassanteil der Stimmen wegen fünf verschiedenen Studios), handwerklich schlechtes Skript (Logikfehler usw.) eine gute Bewertung bekommt, dann passiert Folgendes: jemand greift zu, kauft es und hört es und sagt dann, wenn das schon das gute Hörspiel war, dann brauch ich die anderen gar nicht mehr zu hören. Und somit erweisen – vielleicht gut gemeinte – schönfärbende Kritiken „dem Hörspiel an sich“ einen Bärendienst. Diese können nicht im Sinne der Branche sein.
    Ich habe das Beispiel bereits einmal genannt und bediene es erneut: S. Gosejohann als Macabros. Er kann vielleicht vieles, aber nicht schauspielern. Und wenn ich dann lese: fängt ja grad erst an, ist ja erst Teil 4, geben wir ihm noch eine Chance, hier, komm, kriegste vier Gnadenpunkte von fünfen…- dann ist das ein Schlag ins Gesicht von allen Kollegen, die sich Mühe geben. Und mir schwillt der Hals.
    Einen ganzen Tag habe ich mit einem Schauspieler gearbeitet, der den Dorian Hunter darstellen sollte. Abends fragte mich mein Auftraggeber, der ein Glück bei den Aufnahmen dabei war, was ich davon halte. Und wir sind dann übereingekommen, dass das lediglich 70% von dem war, was wir wollten. Der Schauspieler wurde ausbezahlt und das Suchen begann von vorn. Und nicht nur das: der Verlag musste das Studio und mich ja trotzdem bezahlen. Danke nochmal.
    Oder: Ich höre eine Produktion, zwei Protagonisten gehen eine Treppe hinauf, einer etwas rechts im Stereobild, einer etwas links. Schritte sind auch zu hören. In der Mitte. Und dann lese ich „ganz großes Kino“ und dann komm ich der Verzweiflung recht nahe, da ich selbst Stunden und Stunden meines Lebens damit zubringe in der Produktion alles ordentlich zu machen. Und ich ärgere mich!
    Und: Nein, Kritiken meine Produktionen betreffend sind mir nicht egal. - Bis auf die von Dir… hihi… Und: Es war ja auch ein bisschen abzusehen, dass es demjenigen, der sich hinstellt und schärfere Kritiken fordert, auch recht gemacht werden will…
    Und: Ja, natürlich bin ich von meinen Produktionen überzeugt. Sonst würde ich darauf drängen, dass bloß nicht mein Name darunter steht. Oder würde damit gar nicht erst vor die Tür gehen.
    Aber im Ernst: mir geht es nicht um einzelne Kritiken oder Ansichten oder gar Worte, sondern ich schaffe mir ein Meinungsbild aus allem, was ich lese. Was kam „im Großen“ gar nicht an, was kam „im Ganzen“ an? Das ist dann gut zu wissen, so wird das eine mehr ausgebaut, das andere nicht noch einmal versucht. Das ist also so wie im wahren Leben… wenn man z.B. Frauen anspricht, oder so…


    12. Anscheinend hörst Du ja auch Produktionen von Kollegen, welche sind das? Ich denke mal, dass Du jetzt nur die nennst, die dir auch gefallen oder wollen wir das Thema Kollegenkritik nochmal aufgreifen und Du nennst auch die, die dir nicht gefallen?


    Ich höre tatsächlich sehr wenige Hörspiele. Wenn man sich den Tag über beruflich damit beschäftigt, ist der Sättigungsfaktor doch ein hoher und ich ziehe dann meist Filme zur Abschaltung vor. Gerade drei Staffeln „Fringe“ geschaut. Großartige Performance von John Noble! (Welcher in der ersten Staffel ja noch von Hans Werner Bussinger synchronisiert wurde – auch großartig!) Die letzte Produktion eines Kollegen, die ich hörte war „Willkür in Wyoming“ und ich habe mich sehr amüsiert! Empfehle ich! Davor hörte ich „Darkside Park“, ist ja jetzt kein Hörspiel, aber auch „unheimlich“ empfehlenswert. Mein Favorit dabei: die Performance von Jan-David Rönfeldt! Super Buch von Simon X. Rost. Da das die einzige beiden sind, die ich in letzter Zeit hörte, hab ich also nix schlechtes gehört. Man, da haben andere jetzt aber Glück gehabt, was? Ach, eins fällt mir doch ein: „Die Vermessung der Welt“ – hab ich irgendwann ausgemacht. Hab ich nicht verstanden, was man mir da erzählen wollte. Also eigentlich hab ich immer was anzumerken, wer meinen Senf hören will, soll mir was schicken… hihi…


    13. Und nun ist die Zeit gekommen, deine letzten Worte bitte, also an die Fans.


    Schlaft schön.
    Ich weiß, ihr seid zu alt für so einen Scheiß, aber seht lieber nochmal unters Bett…


    Ich bedanke mich für das Interview.


    MindNapping 6 „Dopamin“ von Marco Göllner ist auf CD bei pop.de und im Tonträgerhandel erhältlich, als Download kann man das Hörspiel in den gängigen Downloadportalen (u.a. iTunes, Amazon, Musicload) beziehen.