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Gabriel Burns (13): Die Kommission
Rezension von Ronny Schmidt
ZitatInhalt:
''Eigentlich war es noch Herbst. Aber im Nordosten Kanadas war diese Jahreszeit unbekannt. Es gab einen kurzen schlammigen Sommer. Dann kam der Winter. Wir waren zu dritt: Eine Medizinerin, die zudem als Expertin für übersinnliche Phänomene galt. Ein junger Mann mit militärischer Spezialausbildung, der für unsere Sicherheit verantwortlich war und ich. Ein Geheimauftrag der Trudeau-Kommission. Vor 32 Jahren. Wir waren unterwegs zu einem der unwirtlichsten Orte Kanadas. Der offizielle Name lautete Fairlane, aber die meisten, die dort lebten, nannten es At the Butcher`s. Das stählerne Eingangstor stand halb offen. Wir traten in den Innenhof. At the Butcher`s machte seinem Namen alle Ehre...''
Ich hörte, daß Sie bei Yellow Ma waren, Steven. Das war unklug..
Nach der brilliant inszenierten, geradezu cinmaesquen Anknüpfung an Folge 12, stellt Steven, getrieben durch seine Erfahrungen bei Yellow Ma, Bakerman vor die klassische Wahl: Entweder Sie erzählen mir jetzt was Sie über mich wissen, oder...
Nun, Bakerman hat vermutlich noch Joyces Rat im Kopf, Steven nicht alles direkt zu erzählen - Lablilität scheint also nicht die beste Voraussetzung zu sein für das, was Bakerman über Steven weiß. Dennoch gibt es diesmal keine Ausreden mehr - und so packt Bakerman gezwungenermaßen aus. Zur Freude für die Hörer, insbesondere aber für die, welche seit längerem durchaus ein wenig über das immer und immer wieder "verschobene" Enthüllen einiger Fakten pikiert waren und denen Steven wohl gewissermaßen die Worte aus dem Mund nahm: "Ich habe die Schnauze voll von Ihrer Geheimniskrämerei!" Gewiss aber sorgt das, was Bakerman zu berichten weiß, nicht für Freude oder Sinnverständnis bei Steven.
Wir waren zu dritt...
Wie schon bereits in der Episode "Die Fänge des Windes", spielt der Großteil der "Kommission" in verganenen Zeiten, um genau zu sein: 32 Jahre in der Vergangenheit. Einer Zeit, als Bakerman mit einem "Vogänger-Team" seiner heutigen Mitarbeiter unterwegs war, bekannt als die "Trudeu-Kommission".
Bakerman als Leiter des Teams, Diane Reeves als Medizinierin und ein junger Mann mit militärischer Spezialausbildung namens... Luther Niles.
Der Auftrag: Auf Grund einer Justizreform soll die Trudeau-Kommission den verrufenen Hochsicherheitsknast "Fairlane" in einer der unwirtlichsten Ecken Kanadas inspizieren. Der Ministerpräsident hat, für einen Politiker seiner Position sicherlich ungewöhnlich, zudem volles Vertrauen in Bakermans und Reeves etwas "phantasievollere Arbeit" - so geht es primär darum, den Knast zu "vermessen", da sich dort in der Vergangenheit immer wieder brutale "Zwischenfälle" ereigneten und der Landstrich allgemein als "unrein" gilt, als Gegend, in der sich das Böse konzentriert...
Kaum angekommen, erwartet das Trio eine erste Überraschung: Die Zugangsbrücke zum Komplex ist mit Betonbarrieren versperrt - ein brutaler Gefangenenaufstand sei im Gange.
Was folgt, gereicht von der Atmosphäre den besten Zombie-Schockern zu Ehren:
Eine unwirkliche, vereiste, scheinbar verwaiste, mit übel zugerichteten Leichen und seltsam entstellten Körpern gesäumte, an eine mittelalterliche Festung erinnernde Anstalt, in der scheinbar nicht alle Menschen tot sind. Nun darf man indes keinen Zombie-Schocker erwarten, nein, Volker Sassenberg verstand es aber, die Atmosphäre und die Szenerie derart beklemmend und bedrohlich zu machen, daß man wirklich "dabei" ist. Hier zeigt sich wieder einmal, daß Burns (nicht nur) in dieser Disziplin absolut unerreicht bleibt, und ja, die Meßlatte sich selbst wieder ein ganzes Stück höher legt.
Die Erkundung des Komplexes gerät zu einem wirklich packenden Unterfangen, auch wenn keine Heerscharen von Untonten rumlaufen, nein, Sassenberg nutzt die ureigenen Stärken der Serie und - ich möchte nicht zu viel spoilern - bietet gerade im Finale der "Vergangenheitsreise" einige wirklich bombastische, bewegende, geschickt variierte Erlebnisse, in denen ein im Gefängnis gefundener ca. 2 Jahre alte Junge scheinbar eine Rolle spielt...
Die Sprecher:
Ausnahmefolge! Endlich, endlich hört man Luther Niles mal länger. Bakerman als Erzähler. Steven entschlossen und aufgebracht - und am Ende völlig verzweifelt. Was hier an Sprecherleistungen abgeliefert wurde, verdient nun wirklich nicht weniger als das Prädikat "Perfektion". Simon Jäger spricht Niles genauso trocken, teilweise zynisch wie gewohnt und dennoch:
Da wir es hier mit dem "richtigen" Niles zu tun haben und nicht mit den "Züchtungen", war es ein geschickter Schachzug von Autor Raimon Weber, uns hier keinen sadistischen, kaltherzigen Killer zu präsentieren, der das Töten als "bizarr-kreative Kunst" zelebriert wie es die erwähnten Züchtungen gern tun. Niles ist trocken, ohne Frage. Er ist zynisch, ja. Und dennoch merkt man, daß dies nur einem einzigen Zweck dient: Seine wirklichen Gefühle zu überspielen, so wie bei Pathologen der für Aussenstehende bizarr-pietätlos erscheinende Humor. Seinen Sinn für Gerechtigkeit bringt Niles dann jedoch an einer Stelle in besonders drastischer Weise zum Ausdruck - in einem Fall von sehr harter, indes durchaus nachvollziehbarer Selbstjustiz. Nun mag man über diese Szene spekulieren und ohne Frage ist diese einer der Höhepunkte der Folge.
Dennoch bleibt ein Charakter Luther Niles, der in gewisser Weise den Züchtungen ähnelt, von den Intentionen her aber grundverschieden ist. Wie Simon Jäger diese Punkte rüberbringt: Respekt!
Ernst Meincke als Bakerman/Erzähler zu hören, entpuppt sich ebenfalls als absolut gelungen. Und Jürgen Kluckert, wenn auch nur recht kurz als Erzähler zu hören, zeigt einmal mehr wie wichtig gerade sein Part für die Serie ist: "Die Zeit stand still. Hunderte von Metern unter der Erdoberfläche." So beginnt die Folge. Wenige Worte nur, die brilliant vorgetragen mit einer einfach nur brillianten Montage aus Herzschlag und Musik überleiten in das absolute Chaos der Grubenexplosion. Es ist nicht zu beschreiben, in Worte zu fassen. Man muss es wirklich selbst hören - ich kenne bisher keine Serie, in der eine derart packende Verquickung der eigentlich meist "un(ge)wichtigen" Rolle des Erzählers, beschreibender Texte und Klangmontagen stattfindet.
Und dann setzt Bernd Vollbrecht als Steven Burns dem Ganzen die Krone auf, auch wenn er -wie Kluckert- selbst nur sehr kurz dabei ist. Seine Leistung ist auch auf Grund der Verfassung seines gesprochenen Charakters auf Extreme ausgelegt. Anfangs erleben wir einen aufgebrachten, zornigen und entschlossenen Steven; kein Overacting, keine peinliche "Aufgesetztheit". Man "sieht" Steven geradezu, wie er Bakerman zur Rede stellt. Und am Ende, als Bakerman die letzten für Steven kaum zu ertragenden Worte gesprochen hat, bricht Stevens Existenz zusammen - und gerade der Übergang vom Verzweiflungsschreis des davonstürzenden Stevens in ein tragisch-klingendes streicherlastiges Ending, dem nicht(!) die obligatorische Endmusik folgt, dürfte unbestritten eines, wenn nicht DAS Hightlight des Jahres sein. Diese Szene hat mich wirklich gepackt.
Musik:
Herrje, was soll man denn noch groß schreiben?
Burns bleibt mit Titania einfach die Referenz - und besonders hervorheben möchte ich die Untermalungen der Extremszenen. Die Grubenexplosion kommt nach der ruhigen Eröffnung, die wunderbar den bekannten "Verlangsamungseffekt" in lebensbedrohlichen Situationen umsetzt, als wirklich infernalisches Gebilde daher, dramatisch, over-the-top. Und natürlich soll das bereits ewähnte Abschlusstück nicht unerwähnt bleiben, das Stevens Zusammenbruch noch verstärkt.
Fazit:
Bei dieser Folge müsste man eigentlich mit allen Superlativen sprechen, ich beschränke mich auf ein paar beschreibende Worte:
Ausnahmefolge. Ergreifend. Packend. Perfekt. Enthüllend.
Die Story kommt diesmal mit Antworten daher, bringt starke Emotionen, einzigartige Momente und einmal mehr eine unglaubliche Spannung mit. Die Sprecher liefern eine Leistung ab, die man nur als perfekt bezeichnen kann. Die Musik toppt sich diesmal selber.
Insgesamt haben wir es hier mit der, für mich, bisher absolut besten Folge der Serie zu tun. SO müssen Hörspiele klingen. Und der dickste Pluspunkt, den ich gerade im Bereich Film immer wieder anprangere: Charaktere. Wenn man sich in einen Charakter hineinversetzen, wenn man tatsächlich "mitfühlen" kann - besonders in emotionalen Extremsituationen -, dann erst wird eine Episode, Serie _wirklich_ interessant. Und in diesem Fall wird genau dieser Punkt ausgebaut. Natürlich war man bisher auch immer schon "dabei", aber gerade diese Folge sorgt für Charakterbindung und -weiterentwicklung.
Hut ab vor dieser Leistung. Für mich definitiv ein ganz, ganz heißer Anwärter auf das Hörspiel des Jahres.