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Ich mache hier mal nen Diskussionsthread zum Hörspiel "Drachensaat" auf, bevor das irgendwo in anderen Threads völlig untergeht.
Zum Start mal meine Rezension:
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Warum rasten nicht viel mehr Menschen komplett aus? Warum steht in der Straßenbahn nicht einer auf und schreit? Warum wirft eine Hausfrau nicht im Supermarkt mit Fischstäbchen um sich? Warum kotzen Lehrer nicht vor ihrer Klasse auf den Fußboden?
Was ist ein Selbstmord-Entertainer? Was steckt hinter dem Namen Drachensaat? Und warum wird ein Bankvorstandschef sterben, wenn nicht zur besten Abendzeit eine ganz bestimmte Sendung im ersten deutschen Fernsehen zu sehen ist?
Antworten auf diese Fragen, die im ersten Moment nicht das geringste miteinander zu tun zu haben und in dieser Zusammenstellung keinerlei Sinn machen scheinen, bietet Jan Weiler mit seinem Werk "Drachensaat".
Jan Weiler, ehemals Chefredakteur des "Süddeutsche Zeitung Magazins", ist seit über einem Jahr mit einer eigenen Kolumne im "stern" vertreten. Mit seinen Romanen "Maria, ihm schmeckts nicht" und "Liebe Sabine", die beide ebenfalls als Hörspiel erschienen sind, hat er sich nun als Buch-Autor einen Namen gemacht. Seine Vorgeschichte prädestiniert ihn also geradezu ein Thema wie dieses anzupacken.
Drachensaat ist schon fast eine Abrechnung mit der modernen Gesellschaft, eine Mischung aus einer aktuellen bitterböser Satire und zeitloser Erzählung. Gespickt mit allerlei grotesk wirkenden Ideen erzählt Jan Weiler von einer Therapiegruppe unter der Leitung von Dr. Heiner Zens. Jener meint eine ganz neue Form von "Krankheit" entdeckt zu haben, die sich insbesondere aus gesellschaftlichen Unzulänglichkeiten ergibt. In umfangreichen Gesprächen mit seinen Patienten dringt er zum Kern der Sache vor, die er mit verschiedenen Experimenten abzuschließen gedenkt. Doch dann geschieht etwas, womit er nicht gerechnet hat und alles läuft aus dem Ruder.
Die Anfangszeit des Hörspiels ist von langen, ausufernden Erzählertexten geprägt, die nicht selten eher den Eindruck einer Lesung vermitteln. Wobei man dem Wort "Spiel" insofern immer wieder gerecht wird, als dass man aus den Erzählungen ausbricht, eine entsprechende (Geräusch-)Kulisse schafft und das Geschehen somit lebendig macht. Das ganze ist vor allem insofern kein Problem, als dass jenes, was hier ans Ohr dringt nicht selten einfach nur zum Schreien komisch ist.
Das Hörspiel unterliegt mehreren inhaltlichen Wandlungen, mit denen ebenfalls eine stilistische einhergeht. Wird der Beginn von den schon erwähnten ausgeschmückten Erzählungen dominiert, gewinnt im Mittelteil die aktive Handlung wieder deutlich mehr an Bedeutung. Gegen Ende schwenkt man spotlichtartig zwischen den Beschreibungen durch verschiedene Parteien hin und her: die da wären: die Drachensaat-Gruppe, Bankchef Dr. Martin Barghausen und unterschiedlichste Medien- und Pressestimmen.
Gerade der letzte Teil des Hörspiels wird dadurch enorm aufgelockert und lässt die Zeit wie im Fluge vergehen. Im Mittelteil finden sich zwar diverse Durchhänger wieder, doch erholt sich das Hörspiel zumeist sehr rasch wieder.
Lässt man die Umsetzung der Vorlage ins Medium Hörspiel einmal außen vor und betrachtet nur die Erzählung für sich, so kann man ohne Zweifel von einer ausgeklügelten Story sprechen, die weit über die Oberflächlichkeit manch anderer Werke hinausgeht.
Dass sich ausgerechnet Autor Jan Weiler in einer der und gerade zu Beginn der tragenden Hauptrolle/n wiederfindet, dürfte im ersten Moment Zweifel nach der Überlegtheit dieser Besetzung aufkommen lassen. Kann das tatsächlich gut gehen? Nun, es gibt gewiss genug Autoren, die einer solchen Aufgabe nicht gewachsen wären. Doch nicht so bei Jan Weiler, der durchweg glaubhaft agiert und sich keinerlei Patzer zu Schulden kommen lässt.
In der restlichen Besetzung trifft man auf Namen wie Annette Frier, Matthias Haase und Hartmut Stanke, die allesamt sehr überzeugende Darbietungen abliefern.
Fazit: Mit 230 Minuten erscheint das Hörspiel zu Anfang etwas lang, da man zu Anfang noch etwas mit den langen Erzählerpassagen zu kämpfen hat und man die Vorzüge dieses Mediums noch nicht so richtig ausspielt. Dies ändert sich im Verlauf und da der inhaltliche Teil ohnehin keine Langweile aufkommen lässt, kann man nur von einem vorzüglich zu unterhalten wissenden Hörspiel abseits des Standars sprechen.
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