Baudolino


  • Baudolino --- Umberto Eco


    369 Minuten auf 5 CDs
    Produktion:
    SWR/NDR/Der Höverlag
    Hörspielbearbeitung und Regie:
    Leonhardt Koppelmann
    Musik:
    Henrik Albrecht/SWR-Rundfunkorchester
    Collegium Musicum Baden Baden



    Umberto Ecos Roman Baudolino erzählt die Geschichte eines Bauernbengels aus dem Piemont, der mit einer dreisten Lüge das Vertrauen des Kaisers Friedrich Barbarossa gewinnt. Fortan ist er Teil des inneren Zirkels um den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und schreibt, dank seines kreativen Umgangs mit der Wahrheit, so manches Mal Geschichte. Dabei verliert Baudolino niemals sein großes Ziel aus den Augen: Das sagenhafte Reich des Priesterkönigs Johannes.
    Leonhard Koppelmann (u.a Die Reise zum Mittelpunkt der Erde / Hörverlag) versucht sich an einer Hörspielfassung des Stoffes und versammelt dazu über 30 Sprecher vor die Mikrofone.


    Handlung:


    Die Geschichte beginnt in Byzanz zur Zeit des 4. Kreuzzuges, wo Baudolino (Jens Wawrczeck) den griechischen Geistlichen Niketas (Peter Fricke) vor den plündernden und mordenden Kreuzfahrern rettet. Als Gegenleistung soll der Grieche Baudolinos Lebensgeschichte niederschreiben und für die Nachwelt festhalten. So beginnt Baudolino aus dem reichen Fundus seiner Erinnerungen zu erzählen, wobei er einräumen muss, dass er hier und da selbst nicht mehr in der Lage ist, die Lüge von der Wahrheit zu scheiden.
    Es sind amüsante, teilweise auch recht derbe Episoden aus einem Leben ganz im Zeichen der Lüge. Getreu nach dem Motto: „Nicht die Reliquie macht den Glauben echt, sondern der Glaube die Reliquie.“
    Bei der Fülle von witzigen und geistreichen Dialogen, interessanten Charakteren und tolldreisten Betrügereien bleibt keine Zeit, um auf die Uhr zu schauen. Einzig die Episode als Baudolino und seine Gefährten in der von Fabelwesen bevölkerten Stadt Pndapetzim auf Einlass in das Reich des Priesterkönigs warten, fällt ein wenig aus dem Rahmen. Das Gefühl des Wartens, bei dem einem bekanntlich die Zeit lang wird, stellt sich leider auch beim Hörer ein. Ein Umstand, der mir bereits bei der Lektüre des Buches sauer aufstieß. An dieser Stelle hätte ich mir ein wenig mehr „Respektlosigkeit“ gegenüber dem Original erwünscht und die ein oder andere Kürzung.
    Dafür wird der Hörer mit einem fulminanten Finale entlohnt, das einige überraschende Wendungen bereithält.
    Die Handlung wird auf drei Ebenen vorangetrieben. Innerhalb der Episoden aus Baudolinos Lebensgeschichte übernimmt Jens Wawrczeck den Erzählerpart. Durch die Handlung in und um Byzanz führt Peter Fricke. In einer dritten Erzählebene erläutert Umberto Eco (Hans Josef Eich), begleitet vom Klappern einer Schreibmaschine, die übergeordneten Zusammenhänge.
    Dieser Kunstgriff verhindert, dass der Hörer bei der Fülle von Figuren und Schauplätzen den Überblick verliert, ohne dass die Produktion den Charakter einer Lesung erhält.


    Sprecher:


    Bei den über 30 Sprechern gibt es keinen einzigen Ausreißer nach unten. Alle liefern eine Sprecherleistung ab, die deutlich über dem Durchschnitt liegt. Gesondert erwähnenswert ist freilich Jens Wawrczeck in der Hauptrolle. Aufgrund seiner Stimme, die bereits von Natur aus einen gewissen schelmischen Unterton hat, ist er für die Rolle des Baudolino geradezu prädestiniert.
    Tatsächlich enttäuscht Wawrczeck auch nicht. Allerdings entfacht er auch keine Begeisterungsstürme. Eine solide, wenn auch etwas farblose Leistung.
    Ganz deutlich über dem Schnitt ist Michael Mendl als Kaiser Barbarossa anzusiedeln. Einfach fantastisch, wie viel Majestät und Würde er in seine Stimme legen kann. Eine Stimme, die nach Königsheil klingt. Ferner sind besonders Andreas Pietschmann als Abdul und Peter Fricke als Niketas lobend zu erwähnen.


    Musik:


    In puncto Musik braucht dieses Hörspiel keinen Vergleich zu scheuen. Henrik Albrecht hat hier wirklich auf Maß komponiert, so dass seine Musik perfekt die Stimmung und Emotionen der Szenen auffängt und verstärkt.
    Einen besonderen Leckerbissen stellen die melancholischen Lieder Abduls dar, vorgetragen in provencalischer Sprache vom Collegium Musicum Baden Baden. Eine Liebe zum Detail, die sich in einer unglaublich dichten Atmosphäre auszahlt.


    Fazit:


    Als großer Eco Fan fällt es mir schwer es zuzugeben, aber was gesagt werden muss, muss gesagt werden: Mir hat die Hörspielfassung mehr Freude bereitet als das Buch! Ein unverschämt gutes Hörspiel, das in keiner Sammlung fehlen sollte.
    Wer Eco mag, wird dieses Hörspiel lieben.

    Des kannst net mache, weil das geht fei net. :nene:

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  • Einige Highlights die auch gut in Blitzis Zitatesammlung passen würden:


    Du verdammter Hurensohn wirst zu Hölle fahren!
    Wenn der Heilige Baudolino in Visionen erscheint,
    bedient er sich einer deutlichen Sprache.


    Topas!? Wenn mir noch mal einer mit einem Topas kommt,
    schluck ich ihn runter und kack ihn aus dem Fenster!

    Baudolino ist genervt.


    Was macht ihr hier?
    Wir bauen eine Maschine um uns den Pimmel zu kratzen.

    Bauarbeiter pflegen einen rustikalen Humor.


    Den Pimmel, den kultivierte Leute Schwanz nennen,
    lass ich mir von den Frauen kratzen, die eure Mütter sind!

    Baudolino aber auch.^^


    Nicht einmal stockbesoffen habe ich daran gedacht, dass
    ich mal den Heiligen Drei Königen von hinten hineinfahren werde.

    Abdul beim Versuch den Leichnamen der Heiligen mittels eines Stocks
    ein wenig Rückgrat zu verleihen.


    Der Kaiser ist ermordet worden und die einzigen Verdächtigen sind
    ein Bastard, ein Jude, ein Schismatiker und drei fahrende Scholaren.

    Uff, Gott sei Dank ermittelt Tarzan nicht!


    Nicht falsch verstehen. Bei diesem Hörspiel folgt nicht ein Schenkelklopfer dem Nächsten. Ein paar Perlen sind aber schon dabei. :)