Andrea Maria Schenkel - Kalteis (NDR / HörbucHHamburg)

  • Kalteis

    von Andrea Maria Schenkel


    [AMAZON]3899036395[/AMAZON]


    Produktion: NDR 2008 / HörbucHHamburg 2009
    Bearbeitung und Regie: Norbert Schaeffer
    Dauer: 82 Min.



    Mitwirkende:
    Ulrich Noethen, Linda Maria Schenkel, Laura Maire, Cornelia Pollak, Franziska Ball, Florian Fischer, Julia Eder, Maria Peschek, Michael Stacheder, Andrea-Maria Wildner, Anette Spola, Luise Deschauer, u.a.


    Josef Kalteis wurde wegen Vergewaltigung und mehrfachen Mordes 1939 von einem nationalsozialistischen Gericht zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ein eingereichtes Gnadengesuch wurde abgelehnt. Da Kalteis Mitglied der NSDAP war, ordneten die politischen Schaltzentralen absolutes Stillschweigen an. Wer war der Mann, der rastlos durch München jagte wie ein Raubtier auf Beutefang? Wer waren seine Opfer?


    Andrea Maria Schenkels Stimmencollage rekurriert auf einen authentischen Fall. Aus den Vernehmungsprotokollen des Angeklagten und seiner Frau, diversen Zeugenaussagen, Vermisstenanzeigen sowie fiktionalen Texten zeichnet sie die Skizze eines Getriebenen, eines Zwanghaften, eines Triebtäters im Zustand des Außer-Sich-Seins. Schenkel malt zugleich ein zeitgeschichtliches Tableau von jungen Frauen, die vom Land kommen und in München den Traum der großen Freiheit träumen, bevor sie alle hart auf dem Boden aufschlagen. Nach "Tannöd" (2007) produziert der NDR mit "Kalteis" bereits das zweite Hörspiel nach einem Roman der Erfolgsautorin.


    Andrea Maria Schenkel, 1962 geboren, lebt in der Nähe von Regensburg. "Tannöd", ihr Romandebüt, wurde mit dem "Deutschen Krimipreis" (2007) und dem "Friedrich-Glauser-Preis" (2007) ausgezeichnet.




    Nachdem der NDR schon den Erfolgsroman "Tannöd" als Hörspiel produziert hat, erfährt nun auch der Nachfolger "Kalteis" eine entsprechende Bearbeitung. Auch hier setzt die Autorin vornehmlich auf einzelne Sichtweisen der Beteiligten, um diese Geschichte zu erzählen. Vornehmlich aus Zeugenaussagen baut sie nach und nach das Puzzle zusammen.


    Während ihr das bei "Tannöd" noch recht gut gelang, da hier ein einzelnes Verbrechen im Fokus stand, wird dies hier etwas schwieriger, da sich ein roter Faden nur schwer finden lässt. Es bleibt eher fragmentär, anstatt eine wirklich runde Geschichte zu werden.


    Positiv fällt aber auf, dass die nüchterne Schilderung Möglichkeiten bietet, selbst derbste Geschehnisse ohne den Eindruck der Effekthascherei zu transportieren.


    Bei der Darstellung nutzt man die Möglichkeiten des Mediums Hörspiel nur sehr eingeschränkt. Man verlegt sich auf eine buchkonforme Umsetzung, bleibt so zwar nahe an der Vorlage, verpasst aber die Chance, dem Hörspiel ein ganz eigenes Gesicht zu verleihen. So stellt sich "Kalteis" eher als eine gekürzte Lesung mit verteilten Rollen dar.


    Als solche ist die Umsetzung nicht zu beanstanden. Die Sprecher haben so allerdings wenig Gelegenheit, zu glänzen. Es fehlt letztlich das Zusammenspiel, da man beispielsweise sogar darauf verzichtet hat, die Fragen der Vernehmung hörbar zu machen, und stattdessen nur den reinen Aussagetext verwendet hat. Das verleiht der Produktion ein eigen(willig)es Gesicht, bringt aber auch einen etwas spröden Charme mit sich.


    Man kann dieser Geschichte nicht absprechen, interessant zu sein. Allerdings wird sowohl die Erzählweise, als auch die Umsetzung vielleicht nicht bei jedem Hörer auf Begeisterungsstürme stoßen.



    meine Wertung: +