Herrin des Hügels - Oliver Hilmes

  • „Das Wort Betätigung ist in diesem Zusammenhang vielsagend: Die Ehe von Cosima und Richard Wagner war keine normale Liebesbeziehung – sie war für Cosima eine Mission. Als Wagner 1883 starb, spottete Bülow, dass seine Ex-Frau nun Johannes Brahms heiraten müsse. Doch das war nach Cosimas Dafürhalten ein schlechter Scherz. Die 45-jährige Witwe wollte nichts anderes mehr sein als die Vollstreckerin von Richard Wagners angeblichen letzten Willen. Bei der Stilisierung dieses Bildes schreckte sie auch vor drastischen Mitteln nicht zurück. Noch am Tag von Wagners Tod ließ Cosima sich ihre langen Haare abschneiden – sie nähte diese in ein Plüschsäckchen und legte es zu dem Verstorbenen in den Sarg. Mit diesem Zeichen sollte ihre Identität jenseits der Biographie Wagners enden, fortan durfte nicht mehr an die Person Cosima erinnern. In den 47 Jahren, die sie ihren Richard überlebte, betrieb sie ihre totale Identifizierung mit der Person und dem Werk Richard Wagners – mit Erfolg. Der tote „Meister“ schien in seiner Witwe – der „Meisterin“ - fortzuleben. Daher fällt es selbst eingefleischten Wagner-Verehrern heute schwer, sich ein klares Bild von der Persönlichkeit dieser Frau zu machen. Hat man von Richard Wagners geistiger Physiognomie klare Vorstellungen, so erscheint Cosima merkwürdig unkonturiert, sie verschwindet weitgehend hinter ihrer selbstgewählten Mission. Dch war ihr „Ich“ wirklich so untrennbar mit Richard Wagner verbunden?“


    Cosima Wagner wurde als uneheliche Tochter Franz Liszts geboren, doch vom Vater hatte sie in ihrer Kindheit nichts, die Erziehung übernahm eine strenge Gouvernante, die mehr an Militär als Erzieherin erinnerte. So war Cosima froh, als sie die Möglichkeit bekam, den äußerst talentierten Schüler ihres Vaters, Hans von Bülow, zu heiraten. Doch bereits auf ihrer Hochzeitsreise lernt sie einen anderen Mann kennen und lieben: Richard Wagner. Noch während ihrer Ehe mit von Bülow bringt Cosima zwei Kinder Wagners zur Welt. Von Bülow duldet dies, weil Wagner sein großes Vorbild ist. Doch genau dieses Vorbild zerbricht ihn, er scheitert immer wieder am direkten Vergleich mit dem Genie.
    1870 endlich heiraten Richard und Cosima und leben fortan glücklich miteinander bis Wagner 1883 stirbt. Seine Affären trägt Cosima mit Fassung und ignoriert diese weitestgehend. Cosima ist so erzogen, einem Mann zu dienen und dieses tut sie auch ihr Leben lang. 1872 bereits wird das Festspielhaus auf dem berühmten Hügel in Bayreuth eröffnet, dessen Leitung Cosima 1883 übernimmt und erst vom Sohn Siegfried abgelöst wird, als dieser alt genug ist. Doch Cosima lebte nach dem Tode ihres geliebten Mannes für das Werk, das Andenken ihres Mannes Richard und tat alles, um dieses bekannter zu machen. Sie scharrte zahlreiche vermögende Menschen in ihren Freundeskreis und fühlte sich in dieser Umgebung wohl. Die Großmachtansprüche Deutschland verfocht sie ebenso wie das Lebenswerk ihres Mannes und wurde eine glühende Anhängerin des Antisemitismus, natürlich ebenfalls ganz im Sinn ihres verstorbenen Mannes.
    Das Lebensbild dieser Frau zeichnet Oliver Hilmes farbenprächtig in einer durchweg fesselnden und kurzweiligen Biographie.


    Oliver Hilmes ist „Herrin des Hügels“ eine spannende, informative und hörenswerte Biographie, gar eine Familiengeschichte, gelungen. Der Hörer erfährt viel über das Leben der Familie Wagner, Bayreuth und die damalige Zeit. Elke Heidenreich nimmt sich als Sprecherin zurück, man merkt ihr Freude des Textes an und besticht durch eine große Klarheit in Stimme und Sprache. Sie macht diese Hörbuchbiographie durch ihre zu einer gesprochenen Symphonie für alle Sinne.


    „Herrin des Hügels“ ist eine gekürzte Lesung auf vier CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 280 Minuten.


    Oliver Hilmes, 1971 in Viersen geboren, studierte Geschichte, Politik und Psychologie in Marburg, Paris und Potsdam. Er promovierte mit einer Arbeit über politische Musikgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts und arbeitete in der Intendanz der Berliner Philharmoniker. 2004 veröffentliche er bei Siedler mit großem Erfolg die Biographie "Witwe im Wahn. Das Leben der Alma Mahler-Werfel".