Radio:Tipp Träume

  • Radio:Tipp
    des Teams der Hörspiel-Freunde

    Im "Radio:Tipp" empfiehlt das Team der Hörspiel-Freunde Radiohörspiele, die in den nächsten Tagen gesendet werden.

    Die Empfehlung für
    Samstag, 04. Februar 2017


    Ab 15:05 Uhr sendet

    BR 2

    Träume

    von Günter Eich

    Produktion: NDR 2007
    Regie: Norbert Schaeffer, Alexander Schuhmacher, Simona Ryser, Beate Andres, Sven Stricker, Bernadette Sonnenbichler
    Musik: Jo Ambros, Martina Eisenreich, Philipp Schaufelberger, Thomas Leboeg, Hans Schüttler
    Spieldauer: 71 Min.

    Mit: Lukas Amman, Christine Oesterlein, Oliver Mallison, Bernhard Schütz, Astrid Meyerfeldt, Udo Wachtveitl, Tina Engel, u. v. a.

    Die Ursendung von Günter Eichs Hörspiel 'Träume' am 19. April 1951 begann um 20.50 Uhr, etwas später als gewöhnlich, 'weil man die Kinder schon in den Betten wissen' wollte. Eine 'mörderische Angelegenheit' sollte es laut 'Spiegel'-Vorbericht werden, und tatsächlich schien es dies für manche zu sein; der Nordwestdeutsche Rundfunk in Hamburg erhielt wütende Telefonanrufe und Beschwerdebriefe: 'Wir haben da eben Ihr Hörspiel gehört, von dem Eich. Kann man den Mann nicht einsperren?'
    Fünf Szenen geben fünf Alpträume wieder. Die Szenen spielen je in einem der fünf Kontinente, und vor jeder wird in der nüchternen Sprache einer Nachricht von irgendeinem harmlosen Menschen berichtet, der den jeweils folgenden Alptraum erleidet. ('Vermutlich werden die angenehmen Träume dieser Welt von Schurken geträumt.') Ferner stehen am Anfang und Schluss des Hörspiels und zwischen den Szenen Gedichte mahnenden, ja beschwörenden Charakters.

    15 Jahre lang blieben die 'Träume' in Hamburg unwiederholt.
    1954 fügte der SWF Baden-Baden in die Hamburger Produktion die von Günter Eich neu geschriebenen Zwischentexte und den 6. Traum ein, der den umstrittenen 2. Traum (Kindsmord) ersetzte.

    1. Traum: (1. - 2.8.1948, Schlossermeister Wilhelm Schulz, Rügenwalde, Hinterpommern)
    Eine Familie aus Uralten, Alten und Kindern fährt, offenbar schon seit Jahrzehnten, im dunklen Güterwagen durch eine Welt, 'die es nicht gibt', da sie der Erinnerung der Eingeschlossenen längst entschwunden ist.

    2. Traum: (5.11.1949, Tochter des Reishändlers Li-Ven-Tshu in Tianzien)
    In China verkaufen arme Eltern ihr sechsjähriges Söhnchen an einen reichen Greis, dem das Blut des Kindes sein Leben verlängern soll.

    3. Traum: (27.4.1950, Automechaniker Lewis Stone, Freetown, Queensland, Australien)
    In einer australischen Siedlung erwarten die Einwohner in Todesangst 'den Feind'. Das Haus, in das er einzieht, wird von ihm mit allem Inhalt in Besitz genommen.

    4. Traum: (29.12.1947, Kartenzeichner Iwan Iwanowitsch Borislawski, Moskau)
    Zwei Forscher im afrikanischen Busch verlieren nach einem köstlichen Essen Gedächtnis und Sprache.

    5. Traum: (31.8.1950, Lucy Harrison, New York)
    Termiten benagen in unersättlicher Freßgier alles, höhlen jedes Ding und jeden Körper unbemerkt von innen her aus. Das geschieht drei Menschen in ihrer Wolkenkratzerwohnung in New York.

    Günter Eich, am 1.Februar 1907 in Lebus/Mark Brandenburg geboren, zog 1922 mit seiner Familie nach Leipzig, wo er am Nikolai-Gymnasium das Abitur machte. Er studierte Sinologie in Berlin und veröffentlichte - teils unter Pseudonym - ab 1927 erste Gedichte und Texte. 1932 brach er sein Studium ab und wurde freier Schriftsteller. Er begann, Hörspiele für verschiedene deutsche Rundfunkanstalten zu schreiben. Im 2. Weltkrieg diente er als Kraftfahrer und Funker bei der Luftwaffe. 1943 gingen bei einem Luftangriff auf Berlin fast alle seine Manuskripte verloren. Nach dem Krieg veröffentlichte er weiterhin Gedichte, Prosa, Drehbücher, vor allem aber Hörspiele. 1963 übersiedelte er nach Salzburg, wo er am 20. Dezember 1972 nach langjähriger Krankheit starb. 1952 bekam Eich für "Die Andere und ich" den "Hörspielpreis der Kriegsblinden", 1968 wurde er mit dem Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.