Gruselkabinett (35)
Bram Stoker: Das Schloss des weißen Lindwurms
(Titania Medien)
Regie: Marc Gruppe
Sprecher
Markus Pfeiffer, Hasso Zorn, Joachim Pukaß, Katja Nottke, David Nathan, Melanie Hinze, Peter Reinhardt, Anja Stadlober.
Erstveröffentlichung: 09.04.2009
Länge: ca. 65 Minuten
ISBN-Nummer: 978-3-7857-3825-2
===REZENSION===
1911 erschien der Roman aus der Feder von „Dracula“-Schöpfer Bram Stoker. 1989 bannte Ken Russell seine Version der Stoker-Geschichte in Zelluloid (unter anderem mit Hugh Grant). Und nun bringen Titania Medien, in persona Marc Gruppe, diese Gruselmär in einer zeitgemäßen Hörspielversion auf den Markt.
Wer mit der Geschichte noch nicht vertraut ist: „Das Schloss des weißen Lindwurms“ erzählt die dramatischen Erlebnisse des jungen Australiers Adam Salton, der auf Wunsch seines Großonkels Richard Salton dessen Erbe auf Lesser Hill antreten soll. Samt Hab, Gut und Mungo Mr. Bagles macht sich der junge Salton auf nach England und findet sehr zu seinem Entzücken neben neben einem sehr netten Großonkel und einem loyalen, alten Freund (gewisse Ähnlichkeiten zu einem Abraham van Helsing sind sicherlich nicht ganz zufällig...) auch eine junge Dame, die seinen Annäherungsversuchen nicht abgeneigt ist.
Soweit, so gut? Nicht ganz, denn Stoker ist bekanntlich nicht gerade der „Gute Laune“-Papst unter den Literaten. So schleicht, oder besser gesagt: Schlängelt sich hier das Grauen heimlich, still und leise ein, denn nach und nach entdeckt Adam, daß die an sich so idyllische Gegend eine nicht ganz idyllische Geschichte hat. Augenscheinliche dämonische Nachbarn, ein grausamer Opferplatz in der Nähe... Und dann ist natürlich noch das Schloss zu erwähnen, das ebenfalls eine dezent unheilige Vergangenheit in sich birgt.Nun zur Umsetzung:
Vorab sei erwähnt, daß es sich bei der vorliegenden Version keinesfalls um eine 1:1-Umsetzung handelt. Einige Dinge wurden gestrafft, andere weggelassen. Dennoch, oder gerade deshalb, gelingt es Gruppe einmal mehr, einen ordentlichen Spannungsbogen über die gesamte Laufzeit zu spannen. Das Ende allerdings ist in meinen Ohren leider nicht ganz glücklich gewählt: Der, nennen wir es Showdown, ist dramaturgisch zu knapp - das Ende des Lindwurms, der -ich denke, ich spoiler nicht zu viel- die eigentliche Bedrohung verkörpern sollte, wurde viel zu kurz geschildert. Überhaupt kam das Fabelwesen viel zu kurz weg, so daß eine tatsächlich hör- und greifbare Bedrohung kaum vorhanden ist. Ein Einbinden der Jagd des Wesens auf Adam und Mimi im naheliegenden Wald wäre sicherlich begrüssenswert gewesen, doch sei es drum - es ist nicht Teil des Hörspiels, von daher wird dies auch nicht in die Bewertung einfließen.
Neben der imho zu kurz geratenen Einbindung des titelgebenden Lindwurms, kommt leider auch Lady Arabella nicht ganz so bösartig und bedrohlich rüber, wie sie es sollte. Exemplarisch sei erwähnt, daß Arabella im Hörspiel zwar nicht gerade freundlich auf Saltons Mungo reagiert, dies in der Vorlage jedoch deutlich drastischer ausfällt... - auch hier also ähnlich dem Lindwurm: Man kommt nicht so richtig auf „Betriebstemperatur“, leider - und so stiehlt der eigentliche „Nebenfiesling“ Edgar Caswell (herrlisch-schmierig gesprochen von David Nathan) der „Hauptschurkin“ dann auch die Show, was dramaturgisch gesehen etwas unglücklich ist...
Technisch gesehen punktet das Hörspiel jedoch wieder auf ganzer Linie: Neben einem erstklassigen Sprecherensemble ist das gesamte Hörspiel -einmal mehr- mit brillianten und brilliant eingesetzten Geräuscheffekten unterlegt, begleitet von einer sich nahtlos in die Atmosphäre einfügenden Musik. Hier ist Titania Medien seit Jahr und Tag vorbildlich und untermauert dies gekonnt mit dieser Folge.
Bleibt als Fazit:
„Das Schloss des weissen Lindwurms“ ist sicherlich ein gutes und atmosphärisches Hörspiel, allerdings diesmal nicht in der Titania üblichen Referenzklasse. Dafür gibt es leider einige dramaturgische Punkte, die dies verhindern - da hätte der eine oder andere ausgelassene Punkt der Vorlage einiges retten können, doch kommen in der vorliegenden Version leider kaum Bedrohung und Bösartigkeit der Hauptschurkin auf, ebensowenig wie der titelgebende Lindwurm für greifbaren Grusel sorgt.
Gewiss, Freunde gruseliger Klassiker können auch hier wieder bedenkenlos zugreifen, doch ist man von Titania durchaus andere „Kaliber“ gewohnt - höre „Die Familie des Vampirs“, „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, „Der Fall Charles Dexter Ward“ oder „Spuk im Hill House“.
(RS)