Jack The Ripper - Die Geschichte eines Mörders

  • Ich habe in den letzten Tagen meine alten Rezensionen durchforstet und bin dabei auf dieses Hörspiel gestoßen, welches ich euch nochmals ans Herz legen wollte. Schließlich sollten nicht nur die vielen Neuerscheinungen ihre Aufmerksamkeit erhalten, sondern ab und an auch nochmal die etwas älteren Juwelen. Das Hörspiel eignet sich darüberhinaus hervorragend für sanfte Träume in den nunmehr finsteren und kalten Nächten :]




    Inhaltsangabe


    London im Herbst 1888: Fünf Prostituierte werden auf bestialische Weise ermordet. Der Täter nennt sich ''Jack the Ripper'' und kann immer wieder unerkannt entkommen. Die Beamten von Scotland Yard ermitteln in die falsche Richtung; sie ahnen nicht, daß der Mörder dreihundert Bahn-Kilometer weit weg, in der Stadt Liverpool zu finden ist: Der arsen- und stychninabhängige, von Eifersucht zerfressene Baumwollhändler James Maybrick...



    Story


    Gleichmäßig und einem Schicksal verbunden läutet das kalte Dröhnen der Glocken das Hörspiel Jack The Ripper ein. Tödliche Ruhe, ein Abschied heißt uns willkommen. Eine Kutsche fährt vorüber, rollt klackernd über Kopfsteinpflaster und verliert sich in einer traurigen Nacht. Es war sein erster Mord. Eher ein Zufall, Spuren eines Missgeschicks sind zu entdecken. Jack The Ripper wird beiläufig geboren. Ein lang anhaltender, kräftiger Druck. Gleich einer Wehe, schält sich James Maybrick aus seiner bürgerlichen Fassade. Er entledigt sich seiner Grenzen, seines Gewissens. Unter seinen kräftigen Händen zuckt mit dem letzten Atemzug der Leib einer Prostituierten. Was sich vorher so plastisch, so unnachgiebig in sein Fleisch presste, liegt nun schal und abgestorben vor ihm. Was bleibt im Arsenrausch, was heftet sich in Erinnerungen nach solch einem Augenblick?! James Maybrick hat den Tod gesehen, seine Macht ein Leben auszuquetschen und seinem Hass auf seine Ehefrau eine Möglichkeit zur Entfaltung geboten. Hass, eine brennende Motivation, ein Abbild seiner Ehe mit Florie, die ihn, nach seiner Ansicht, bereits über Jahre betrügt. Ein Nährboden, der über einen langen Zeitraum seine Seele mit kranken Gedanken fütterte. Doch seine erste Begegnung mit seiner dunklen Seite, war nur ein abklingender Geschmack auf der Zunge. Ein flüchtiger Eindruck, der mehr offenbart, als hinterlässt.


    Das Werk von Ripperrecords arbeitet mit Rückblenden, wälzt sich in Kontrasten und vermischt jene zu einer verstörenden, ja schonungslosen Analyse einer der faszinierendsten Gestalten der Geschichte. Doch beschreitet Jack The Ripper nicht den Pfad des rein Fiktionalen. Historische Fakten und Indizien schnüren ein tragendes Korsett, das in der Gestalt von James Maybrick gesprengt wird. So darf jede Person in dem Hörspiel von sich behaupten, wirklich auf der Welt verweilt zu haben. Wohl gemerkt, der Ripper ist kein Produkt eines Literaten, keine Ausgeburt übler Gerüchte. Er lebte, er wirkte. So soll das Hörspiel verstanden werden. Es ist sein Hörspiel, es ist seine Bühne. Er will sich präsentieren, in opulenten Blutkaskaden waden, in den Adern des Hörenden pulsieren, verstanden werden. Läßt sich jedoch solch ein Treiben, solch eine menschliche Kreatur verstehen?!


    Jack The Ripper wirkt durch seine Taten abstoßend, schonungslos, kalt. Hinter dieser bedrückenden Einsicht in eine Seele, wartet derweil ein schwacher Kern, der hilflos nach Halt sucht. Arsen und seine suchtfördernde Wirkung spielt eine zentrale Rolle für die Erklärung des Rippers. Es ist seine Motivation, sein Mittel um moralische Grenzen niederzureißen. Es ist sein Abgrund, der Kreuzgang der eigenen Schwäche, das Eingeständnis eines degenerierten Geistes. Die andere Säule bildet Maybricks Hass auf Frauen, insbesondere der auf seine Ehefrau Florie, welcher im Laufe der Geschichte, zu einem Ventil anwachsen und vorbehaltlos dem weiblichen Geschlechte zur Tragödie wird. James Maybrick will die Welt von dem Schmutz, dem lüsternen Aspekt in Form der Prostitution entgegentreten.


    Wie ausgeprägt der Charakter von Jack The Ripper erscheinen soll, bestimmt die Regie durch die Wahl eines Ich-Erzählers, der seine Taten vorträgt, in sie eintaucht, aber nur stellenweise reflektiert. Die fehlende Einschätzung der Verbrechen ist nur konsequent. Paranoid von Arsen, gefangen in seinen Wahnvorstellungen und angetrieben von einer perversen Lust am Leid, verliert sich James Maybrick in seiner blutigen Welt voller Selbstgerechtigkeit. Gerechtigkeit erfährt der Ripper nach seinem ersten Mord zudem nicht. Niemand hat die Tat beobachtet. Das vermittelt ein Gefühl der Sicherheit und schürt die Sehnsucht nach mehr, nach bleibenden Eindrücken.

    Jack The Rippers Schaffen entwickelt sich vom Affekt hin zum geplanten Mord. Erwürgte er sein erstes Opfer nur, so geht er nun mit einem speziellen Messer zu Werke. Sein Auftreten wird bestimmter und fordernder. Seine seelische Qual und die immense Wut lassen ihn sein Opfer aussuchen, treffender, selektieren. Das Messer wird zur kommunikativen Basis seines Wahnsinns, in dem es sich tief in den Körper der nächsten Prostituierten und des Hörers bohrt. Wenn Jack arbeitet, wie er es zu nennen pflegt, blendet das Hörspiel detaillierte Beschreibungen aus. An diese Stelle tritt die krächzende, keuchende und eifernde Stimme des Sprechers, welche das Greuel, dieses abartige Schlachten viel intensiver zur Wirkung bringen kann. Es bedarf guter Nerven, dem Ripper beim Morden über die Schulter zu blicken.


    Wie bereits erwähnt, durchziehen den Plot klar angesetzte und gut durchdachte Kontraste. Zweierlei sind besonders erwähnenswert. Zum einen die Rückblenden, die Jack The Ripper krank ans Bett fesseln und mit schrecklichen Träumen von seinen Streifzügen durch Whitechapel plagen. In diesen Momenten liegt er gebrochen und dem Tode nahe danieder. Seine Frau, dieses verhasste Subjekt, pflegt ihn. Nicht ahnend wenn sie da eigentlich betreut. Den anderen Kontrast stellen die Ermittlungen der Polizei dar. Sie symbolisieren den Verstand, der die Taten verstehen will und ihnen ein Ende setzen möchte. Im Gegensatz zu den rasenden Ausbrüchen von Jack The Ripper, welche seinen Morden zu Grunde liegen, und nur akustisch ausgekleidet werden, gehen die Untersuchungen der Polizei ins Detail. Obduktionen beschreiben ruhig und schematisch das ausufernde Gemetzel. Es klingt ratlos und schafft Distanz. Schilderungen von durchgetrennten Kehlen, abgeschnittenen Nasenspitzen, Gedärmen neben dem Torso und fehlenden Nieren sind zu vernehmen. Es ist nun der Schrecken der Worte und nicht der Laute. Der Hörer erhält die Gelegenheit das Unvorstellbare zu verarbeiten. Ripperrecords schafft durch diese Art und Weise Emotion und Ratio zu verbinden. Ein sehr spannender und ungemein effektiver Schachzug.


    Jack entdeckt sich weiterhin mit jedem Mord neu. Es keimen Wünsche nach Beachtung, Anerkennung, gar Bewunderung auf. Mittlerweile fühlt er sich als Werkzeug Gottes. Genüsslich schlürft er in Phasen der Ruhe eine kräftige Rinderbrühe mit Arsen, brütet über seine nächste Arbeit und blättert in der bunten Londoner Presse. Häme wächst angesichts der frevelhaften Artikel über rätselhafte und brutale Morde an Prostituierten. Ein Ende ist nicht in Sicht…


    Letztlich bleibt die Frage, ob die aufgegriffenen Fäden zur Erklärung der Person Jack The Ripper ausreichen. Reicht eine CD aus, um den psychologischen Abgründen dieses Menschen gerecht zu werden, vielmehr um sein Handeln nachvollziehbar zu gestalten?! Spannend ist es geworden. Die Geschichte berührt, gibt logische Anreize und wirft ein Zusammenspiel einer eitlen Persönlichkeit und ihrer Auswüchse in die Runde. Es ist keine kritische Auseinandersetzung, sondern eine hypothetische Reise in die Gedankenwelt des Bösen. Bisweilen entdeckte ich in diesem Sinne eine leichte Spur der Euphorisierung, eine ungefilterte Sichtweise. Doch liegt darin auch nicht der Reiz, zu entdecken wo das Gute in einer fremden Gestalt und in einem selbst aufhört?! Diese Gratwanderung des Humanen und des Moralischen. Der Ripper spielt auch hier nach seinen eigenen Regeln. Wem diese Akzentuierung zusagt, welche durchaus auch eine tiefere Sichtweise zuläßt, darf sich über ein Meisterwerk freuen.



    Sprecher


    Ein Monster. Dieser Dietmar Mues spricht Jack The Ripper und presst den letzten Funken Menschlichkeit aus ihm heraus. Diabolisch und anspruchsvoll, charmant und pervers. Mues spricht den Tod aus, das Leid und die Lust dieses zuzufügen. Hass, diese Wut, selbst die Schneide des Messers des Rippers hat eine Stimme. Die Leistung von Mues ist unbeschreiblich. Es sprechen noch viele andere Menschen in diesem Hörspiel mit, doch der Ripper stellt eines deutlich klar: Das ist meine Geschichte, mein Kunstwerk. So gilt es auch für diesen Part. Alle anderen sind nur Statisten, obgleich sehr fähige und vorzügliche. Herr Mues gleitet über die Haut, verursacht Angst. Pompös, elegant, aus allen Fasern strömt das Böse.



    Musik


    Wunderbar düstere Klavierstücke schmücken die Handlung dezent aus. Sie sind nicht stets präsent, spielen keine vordergründige Rolle, zumal sie sich vor dem dominanten Ton von Herrn Mues eh nur verkriechen könnten. Ja, die Musik selber flieht vor dem blutigen Machwerk von Jack The Ripper. Sie vermittelt Angst und Bedrohlichkeit und scheint gleichzeitig diesen Aspekten zu erliegen. Sorgfältig arrangiert und gezielt in Szenen implementiert.



    Effekte


    Deftig und ekelerregend, würde wohl die Kulisse passend beschreiben. Schweiß ist zu hören, die existenzielle Furcht der Opfer, die Macht der Gewalt und des Wahnsinns. Dazu ruhige Klänge von Kirchenglocken und Menschengruppen. Ein Portfolio des Grauens.



    Cover


    Das Debüt von Ripperrecords besticht durch einen eleganten und sehr individuellen Stil. Ein unheimliches Bild. Ein kleiner, zerbrechlicher Mensch wirft einen überdimensionalen und bedrohlichen Schatten voraus. Ein Einblick in das Wesen von Jack The Ripper und ein klares Exempel, für ein Meisterwerk, das nur darauf wartet gehört zu werden. Das stilvolle Booklet offeriert wunderschöne Zeichnungen der Sprecher und grundlegende Hintergrund-Informationen zum Hörspiel und zur Person Jack The Ripper.



    Fazit


    Jack The Ripper verschiebt Grenzen und zeigt Wege auf, was Hörspiel an sich bedeuten kann. Ein absolutes Monstrum, aber ist es der Wahrheit letzter Schluß? Was meinen sie, Herr Maybrick...

  • Das London des Jahres 1888 wird von einer Mordserie erschüttert, im Herbst werden fünf Prostituierte auf bestialische Art und Weise getötet. Doch wer ist der Täter? Scotland Yard tappt lange Zeit im Dunkeln, denn der Killer kann immer und immer wieder entkommen. Was die Männer vom Yard nicht wissen ist die Tatsache, dass hinter der Fassade des Rippers der Baumwollhändler James Maybrick (Dietmar Mues) steckt. Der arsen- und strychninabhängige Mann hat Eheprobleme, ist schrecklich eifersüchtig und er wird weitere Morde begehen...


    - Meinung -


    Frank Gustavus betrat die Szene und sorgte direkt für einen wahren Knaller, denn den lieferte er 2001 mit diesem Werk ab. Basierend auf Tagebüchern, die James Maybrick als den wahren Jack the Ripper enthüllten, entwickelte und produzierte Gustavus dieses Hörspiel. Die Inszenierung ist durch und durch klasse, kurzweilig und eine Reise durch die menschlichen Abgründe. Diese Geschichte ist definitiv nichts für zartbesaitete Hörer, denn hier geht es stellenweise richtig brutal zur Sache, ein starker Magen ist Voraussetzung. Bemerkenswert ist auch, dass die ganze Angelegenheit trotzdem sehr spannend und packend ist, auch wenn man den Mörder schon im Voraus kennt und man weiß, dass er definitiv gestellt wird, dennoch zieht die Geschicht einen von Anfang bis Ende in den Bann. Eine starke Geschichte, grandios inszeniert, inhaltlich wird hier schon mal der Grundstein für eines der besten Hörspiele überhaupt gelegt.


    Wer jetzt denkt, dass diese Produktion von Amateuren oder semi-professionellen Sprechern vorgetragen wird, weil dies der Erstling von Frank Gustavus ist, der irrt sich gewaltig. Durch die Bank weg alte Recken und Meister der Sprechkunst, hier jagt ein bekannter Name den nächsten, einfach eine rundum gelungene Mischung und Topleistungen. Dietmar Mues hat hier seine wohl beste Leistung abgeliefert, anders kann man es wohl nicht nennen, denn er spricht den Ripper so unglaublich intensiv und erschreckend brutal, man mag es kaum glauben. Doch er ist nicht der einzige Sprecher, der hier ein Feuerwerk abbrennt, das gilt im Prinzip nämlich für alle, hier gibt es keinen einzigen Ausfalle, niemand fällt negativ auf. Werner Cartano, Achim Schülke, Wolfgang Kaven, Volker Bogdan, Franz-Josef Steffens, Hans Paetsch, Aranka Mamero-Jaenke, Barbara Nüsse, Dagmar Puchala, Heinz Lieven, das liest sich wirklich wie ein "who is who", opulenter kann eine Sprecherriege kaum sein und hier wird gewaltig etwas fürs Ohr geboten.


    Der Sound ist meiner Meinung nach der einzige Punkt, der leichte Schwächen offenbart, das aber auch nur in einigen wenigen Fällen. So z.B., wenn ein im Prinzip offener Raum (Straße, Gasse etc.) plötzlich mit einem Halleffekt aufwartet, was nicht im Sinne des Erfinders sein dürfte. Wie dem auch sei, das ist eigentlich schon das einzige Problem, denn ansonsten gibt es auch in der Hinsicht nichts zu beanstanden. Musik und Geräusche passen bestens zu den Handlungen und insgesamt kommt die weitere Soundkulisse ziemlich authentisch rüber. Als netten "Gag" gibt es am Anfang und am Ende ein Plattenknistern, was wohl etwas für die Nostalgiker sein dürfte.


    Ein kurzes Wort zur Aufmachung dieser neuen Pressung, sie kommt weiterhin im Jewelcase daher, dazu gibt es aber auf dem Rücken einen Hinweis, dass das Hörspiel mit dem Ohrkanus für das beste Hörspiel des Jahrzehnts ausgezeichnet wurde und außerdem wird die CD in Vinyloptik präsentiert, einfach klasse.


    Ein hervorragendes Hörspiel, das man einfach in der Sammlung haben muss und bei wem das noch nicht der Fall ist, der sollte das schleunigst nachholen und endlich zugreifen. Ein bedrückendes Werk, großartig inszeniert, gekonnt produziert und wer eine erstklassige Mischung aus Krimi und Grusel sucht, der wird hier auf jeden Fall fündig!


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