Ursprünglich ging es ja um die Frage, inwiefern Anspruch (a.k.a. Hirn) und Unterhaltung gegenbegrifflich zu betrachten sind.
Hat etwas, das nicht auf unterstem Aufmerksamkeitsniveau gehört und "mitgenommen" werden kann, am Markt deshalb keine Chance, weil (Verallgemeinerung) "der Hörspielhörer" sich die Mühe nicht (länger) macht, mehr als 10% Aufmerksamkeit beim Hören zu investieren?
Oder anders: Sind Hörspiele mit besagtem Hirn nicht erwünscht?
Ich würde hier auch gar nicht behaupten wollen, dass z. B. Amadeus total anspruchsvoll ist. Die Folgen kann man (die richtige Reihenfolge vorausgesetzt
) auch mit halber Kraft weghören. Nichtsdestotrotz denke ich, dass jede Folge auch für zweite und auch weitere Hördurchläufe noch Dinge bereithält, die man neu entdecken kann oder die zum Nachdenken anregen, und die es bei der im Regelfall sehr flachen Narration einer x-ten Serien-Folge nach dem Schema F eben nicht zu erleben gibt. Bei letzteren mag es den einen oder anderen "campy moment" geben, der ungewollt geil und/oder kultig ist und neuerliches Hören lohnenswert macht, aber normalerweise hat sich die Sache mit dem ersten Hören erledigt. Weil: Keine Zeit, sich das nochmal anzuhören, es muss was Neues her, bei dem aber bitte alles beim alten sein soll.
Ich denke, man kann das eingangs erwähnte Hirn in diesem Fall weniger als Indiz für Intelligenz verstehen (die ja ohnehin subjektiv ist), sondern als Bereitschaft zum Aufmerksamen Hören.
Und dann lautet die Frage eigentlich: Aufmerksames Hören, ist das nicht erwünscht?
Hört man Hörspiele, um sie zu hören?
Oder hört man sie, um nicht Nichts zu hören?
Ist das Hörspiel, das Radio, die ständige Beschallung der moderne Schutz des Menschen vor dem horror vacui, vor der Leere, dem Nichts, der Abwesenheit eines jeden Geräuschs, außer dem eigenen Atem und dem eigenen Herzschlag, die einen in Panik versetzen, weil man der eigenen Körpermaschine lauscht, deren Zerbrechlichkeit und Endlichkeit man sich plötzlich bewusst wird. Hauptsache Rauschen, und wenn es die Spülmaschine ist? Oder irgendsoein Hörspiel?
Da kommt dann natürlich wieder das Stress-Argument. Man hört Hörspiele zum "Runterkommen", zum "Chillen", zur "Entspannung". Dazu passt es nicht, wenn der biologische Prozessor auf Hochtouren arbeiten muss, um ein vermeintlich total komplexes, ausschließlich für Schachgroßmeister ansatzweise entschlüsselbares Hörspiel hören zu können.
Und dieser Reflex zum "Och nee, bitte nicht jetzt!" zweifellos vorhanden. Unabhängig vom Hörspiel selbst. Beim Müll runtertragen fängt es an. Und beim Kauf eines Hörspiels hat dieser Urinstinkt auch die Finger im Spiel. Da reicht schon der Titel, um ihn auszulösen. Freud? Öh, Psychoanalyse!? Lassen wir mal lieber. Amadeus? Argh, Klassik, sicherlich ein dröger Furz, vermutlich sterbenslangweilig, höchstwahrscheinlich Kunstkacke, oder alles zusammen.
Natürlich muss es jederzeit auch etwas Leichtes sein (dürfen), keine Frage. Aber dass das Lamento über die Verflachung der Geschichten (zumindest in den Foren) und Hörspiele nach ewiggleichem Muster einem spürbaren Desinteresse gegenüber denjenigen Hörspielen, Serien oder Reihen gegenübersteht, in denen eine wie auch immer abwechslungsreiche Berg- und Talfahrt geboten wird, ist irgendwie eigentümlich.
Und um darauf zurückzukommen, dass die Label sich bei den Hörern beschwerten, dass ihre ach so tollen Kreativexplosionen nicht gekauft würden, ihr Ärsche: Die Rechnung zahlt am Ende nicht das Label, das irgendwann aufhören wird, solche Produkte zu lancieren. Die Rechnung zahlt der Hörer, der diese Produkte nicht mehr bekommen wird.
Und um Snows Ansicht aufzugreifen, "dass insbesondere der Groschenkram dafür sorgt, dass das Medium sich nicht so richtig aus der Nische befreien kann": Die Tatsache, dass man, wenn man einen Blick über den Tellerrand des Hörspiel-Kinderkrams wirft, gleich von der schieren Masse des Groschenkrams geblendet wird, der zwar nicht für Kinder, aber durchaus für die kindlichen Gemüter Erwachsener produziert wird, sorgt definitiv nicht dafür, dass Hörspiel (im kommerziellen Bereich) als ein erwachsenes, ernstzunehmendes Medium wahrgenommen wird, welches man konsumieren kann, ohne selbst im Bekanntenkreis als Kindskopf abgestempelt zu werden. Das ist dann nicht so etwas wie eine "dirty pleasure", das ist einfach nur peinlich. Und die paar Produkte, die als Leuchttürme aus diesem tosenden Meer des "Schunds" (wie meine Mutter immer zu Groschengrusel zu sagen pflegte) herausstehen, werden nur als Irrlichter wahrgenommen.
Würde ich mal so sagen.