Abstrakta (Lothar Stemwedel) mdr 2017

  • Ist es nicht seltsam, fragt sich der offenbar zu erweiterten Selbstgesprächen neigende Mann, indem er sich der Reisenden vis-à-vis zuwendet, dass landauf, landab die Rede davon ist, "Demokratie" müsse dieses, "Kunst" dürfe jenes? Dass bloße Abstrakta zu Akteuren ernannt werden, einfach indem man ihnen ein paar frei verfügbare Modalverben unterschiebt? Und ihnen anschließend, als sei es jetzt ja wohl ihre Sache, sie zu erfüllen, all die lästigen Erwartungen an Fortschritt und Gemeinwohl überantwortet? Ja, ist es nicht vielleicht sogar verräterisch? Weil so Rhetorik unablässig Lösungen vorgaukelt, für die sich dann leider regelmäßig keiner mehr findet, der sie tatsächlich zu verwirklichen gedenkt? Sollte man, um die mediale Scheinbefriedigung zu unterbinden, die ganze Clique untätig rühriger Abstrakta nicht lieber auf einen fernen Planeten verfrachten - er könnte ja beispielsweise "Abstrakta" heißen? Als spöttischer Beifahrer des Zeitgeists lädt der sonderbare Herr zu einer kritischen Inspektionsrundreise durch die Gegenwart ein - und was könnte dafür geeigneter sein als eine lange langweilige Fahrt mit der Bahn?

    Mit:
    Ingo Naujoks

    Regie: Thomas Fritz

    Quelle: https://www.mdr.de/kultur/podc…mwedel-abstrakta-100.html