ZitatAlles anzeigen„Hörspiel ist keine Schmalspur-Ausgabe der Leinwandkunst“
Mit Hörspielvorführungen, Live-Inszenierungen, Diskussionen, Vorträgen, Konzerten und Preisverleihungen feiern die ARD Hörspieltage vom 5. bis 10.11. ihr zehnjähriges Jubiläum. Ein Interview mit dem Leiter des Festivals und SWR-Hörspielchef, Ekkehard Skoruppa.
Herr Skoruppa, warum sollte man unbedingt zu den Hörspieltagen nach Karlsruhe gehen?
E. Skoruppa: Weil man sonst sehr viel verpassen würde: Die besten Hörspiele aus ARD und DRadio, spannende Jury-Diskussionen, u.a. mit Jochen Hieber, FAZ, der Kritikerin Sigrid Löffler, Jens Bisky, SZ, den Spaß, Bastian Pastewka & Friends zu erleben, die in einem Live-Hörspiel einen Durbridge-Krimi zu neuem Leben erwecken, die Hörspiel-Weltpremiere des New Yorker Regiestars Robert Wilson, Konzerte, Klanginstallationen, Slam Poetry, den "Räuber Hotzenplotz" mit dem neuen Tatort-Kommissar Wolfram Koch. Das alles und noch viel mehr würde man verpassen, wenn man nicht hingeht.
Das Festival findet einmal jährlich statt, es ist inzwischen fast Kult geworden, und bietet die wunderbare Gelegenheit, mitzuerleben, was Radio und Hörspiel alles können. Ein Riesenprogramm: Zum Jubiläum wurde es um ein internationales Symposium zur Klangkunst erweitert. Mit dabei Größen aus verschiedenen Kunstgattungen, wie der Gewinner des Goldenen Löwen von Venedig, Tino Sehgal, oder der Klangkünstler und Komponist Heiner Goebbels oder der frühere Pop-Star Magne Furuholmen, Mitglied der Band „a-ha“.
In Karlsruhe werden alle für den Deutschen Hörspielpreis der ARD nominierten Hörspiele präsentiert. Was macht das Hörspielhören im ZKM Kubus zu einem besonderen Erlebnis?
E. Skoruppa: Die Stücke erzählen Geschichten, spiegeln Zeitgeschichte, sie können spannend, witzig, schräg oder verrückt sein, sie können einen zum Lachen und zum Nachdenken bringen. Und vor Publikum entsteht eine ganz besondere Atmosphäre: Wie im Theater gehen die Leute mit, sie reagieren, sie lachen, applaudieren oder zeigen auch schon mal Unmut. Kommt ganz drauf an. Bei den anschließenden Debatten wird kontrovers diskutiert. Dabei geht es zuweilen ganz schön zur Sache. Der ewige Vergleich zum Kino übrigens hinkt. Hörspiel ist keine Schmalspur-Ausgabe der Leinwandkunst, es ist etwas ganz eigenes. Es ist nicht so, dass dem Hörspiel etwas fehlt zum vollen Glück. Und wenn doch, dann ist es eben kein gutes Hörspiel. Bei guten Hörspielen vermissen Sie nichts, dann sind sie gefangen von Stimmen, Geräuschen, Geschichten und Musik. Die Freiheit, sich eigene Bilder zu machen, bietet die wunderbare Möglichkeit, intensiv dabei zu sein. Also: Langeweile sollte im Kubus jedenfalls nicht aufkommen, und wenn es doch dazu kommt, dann wird es jedenfalls kein Preisträgerstück.
Die Hörspieltage feiern ihr zehnjähriges Jubiläum. Wurde es über die Jahre eher schwerer oder leichter, ein größeres Publikum anzusprechen?
E. Skoruppa: Es wurde leichter. Das Festival hat sich rasch etabliert. Ganz zu Anfang allerdings wussten wir nicht, wie groß das Interesse sein würde. Sicher hat auch das breit gefächerte Rahmenprogramm mit Konzerten, Kabarett und Live-Events geholfen, so dass es schon in den ersten Jahren einen sehr guten Publikumszuspruch gab. Er nahm von Jahr zu Jahr noch zu - bis auf über 10.500 Besucher, die die Plätze füllten. Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass es viel zu hören, zu sehen und mitzuerleben gibt während der Tage. Das macht alles etwas einfacher.
Wie bringt man einen weltweit gefragten Theater- und Opernregisseur wie Robert Wilson dazu, ein Hörspiel für die Hörspieltage zu inszenieren?
E. Skoruppa: Das habe ich mich auch mehrfach gefragt. Wilson ist als visueller Künstler bekannt, nicht als Mann der akustischen Kunst. Ich glaube es reizt ihn, noch einmal eine ganz neue Sparte zu entdecken. Außerdem ist er mit dem Radio groß geworden, es hat ihn bis in seine späteren Theaterarbeiten beeinflusst. Und er arbeitet auch für die Bühne immer mit Probenphasen, in denen er separiert und reduziert: Ton und Musik erarbeitet er gesondert vom Bild - Bilder und Bewegungen ohne Sprache und Text. Er könne sich dadurch auf die einzelnen Bestandteile weit intensiver konzentrieren. Erst zum Schluss fügt er die Dinge zusammen. Für mich war es dennoch überraschend, dass er mir gleich bei unserer ersten Begegnung im Herbst 2011 eine Hörspielarbeit zugesagt hat. Irgendwie hatte ich wohl einfach Glück, die richtige Saite bei ihm angeschlagen zu haben.
Das Interview führte Petra Hahn (SWR). [Interview zum Abdruck freigegeben]