24 - Wieso wußte der Bürgermeister, der aus der Zukunft kommt, am Ende nicht, dass er in der Bahn von dem Typen mit dem Striker angegriffen wird und der Zug auf der Zeitreise "entgleist"?
Ivar: Unsere Konzeption beruht darauf, dass die Zeitreisenden nur den groben Verlauf der Zukunft kennen, aber nicht alle Details. Ansonsten gäbe es für die Stadtherrscher ja keine Unvorhersehbarkeiten, keine Gefahren und somit – dramaturgisch gesehen – auch keine Spannung in Porterville. Aber vielleicht kann Hendrik zu diesem Punkt noch etwas mehr sagen?
Hendrik: Einer der wichtigsten Faktoren bei unserem DSP-Konzept war, dass die Zeitreisen keine beliebige Variabilität besitzen. Der sogenannte Crenlynn-Tunnel ist ein überaus sensibles Konstrukt, das nur in einem genau abgestimmten Rhythmus und in einer exakt justierten Konstellation genutzt werden kann. Nach meiner Vorstellung hat sich bei den Reisenden die Erkenntnis durchgesetzt, dass die zeitliche Distanz zwischen der Zukunft (Ausgangspunkt der Reisen) und der Gegenwart (Ankunftspunkt in Porterville) eine konstante Größe bleiben muss, an der nicht herummanipuliert werden darf, da ansonsten das gesamte System kollabieren könnte. Hinzu kommt die einschneidende Erfahrung, dass die Geschichte – zumindest im Großen und Ganzen – unwandelbar ist. 1881 gab es in Porterville ja das Experiment eines vollständigen Reboots, der sich aber als Fehlschlag erwies, weil sich die Dinge letztlich doch wieder in dieselbe Richtung entwickelten wie vor dem Neustart. Aus diesem Grund raubt Bürgermeister Hudson dem verzweifelten Martin Prey während des großen Finales jede Hoffnung, dass alles Unheil abwendbar wäre, wenn Martin in die Vergangenheit reisen und Sarah vom Betreten des Abidias Asylum abhalten würde. Hier die entsprechende Szene:
Hudson: „Martin, glauben Sie mir – ich kann Ihren Elan durchaus nachvollziehen, aber ein solches Vorhaben ist gänzlich undurchführbar. Zum einen lassen uns die gesetzlichen Bestimmungen keinerlei Spielraum für individuelle Retro-Transfers. Zum anderen kann ich Ihnen aufrichtig versichern, dass die Dinge dennoch so kommen würden, wie sie gekommen sind, selbst wenn Sie versuchen würden, rückwirkend einzugreifen.“
Martin (wütend): „Das ist doch hohles Gequatsche!!“
Hudson (bedauernd): „Sie tun mir Unrecht, Martin. Ich möchte mich keineswegs zu einem pathetischen Kalenderspruch im Stile von ‚Das Schicksal ist unabänderlich’ herablassen. Als Pragmatiker sind mir wohlfeile Pauschal-Aussagen über die ’großen Weltzusammenhänge’ ein Gräuel. Ich weiß durchaus nicht, ob ’das Leben an sich’ immer seinen Weg findet, und um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht wissen. Was ich aber mit valider Sicherheit sagen kann, ist, dass Porterville immer seinen Weg findet. Ganz gleichgültig, mit welcher Vehemenz man sich den Entwicklungen entgegenstemmt.“
Martin: „Blödsinn!!“
Hudson: „Glauben Sie wirklich, wir hätten in Extremsituationen nicht einen vergleichbaren Versuch unternommen, um Unheil abzuwenden? Als uns das erste Mal der St. Helena Park um die Ohren geflogen ist, gab es nach langen Debatten den einmütigen Beschluss, einen kompletten ’Reboot’ durchzuführen. Sozusagen die Uhren wieder auf Null zu stellen und erneut im Jahr 1877 mit Porterville zu starten.“
Martin: „Was ist passiert?“
Hudson: „Na, alles! Es ist alles wieder passiert, obwohl wir Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatten, um die Entwicklung von damals zu verhindern. Auf einzelnen Schauplätzen ist uns das auch gelungen, aber das große Ganze ließ sich nicht beeinflussen.“
Vereinfacht formuliert könnte man sagen, dass die groben Entwicklungsverläufe bekannt sind – schließlich steht die Stadtführung von Porterville ja mit der Zukunft in beständigem Kontakt, so dass man weiß, in welche Richtung sich die Dinge grundsätzlich entwickeln werden. Individuelle Details sind jedoch nicht vorhersehbar, da die Zeitreise-Technik es nicht zulässt, ‚mal eben so’ einen kleinen Ausflug (beispielsweise in den nächsten Tag) zu unternehmen, um zu überprüfen, ob und wie sich eine bestimmte Krisensituation entwickelt. Wären solche kurzfristigen Zeitreisen – sei es in die nahe Zukunft oder Vergangenheit – möglich, hätten wir bei „Darkside Park“ das grundlegende Problem gehabt, dass die Stadtführung sich jeder Gefahr mühelos entledigen könnte. Man müsste beim Auftreten eines Problems (beispielsweise Martin Preys Flucht) ja lediglich ein Spezialistenteam an den entsprechenden Punkt in der Vergangenheit schicken, um die Entstehung der Krise von vornherein zu verhindern. Auf diese Weise wäre Porterville zwar absolut krisensicher, aber eben auch weitgehend spannungsarm. Aus diesem Grund haben wir uns für das Konzept des statischen Crenlynn-Tunnels entschieden, der die Zeitreise-Möglichkeiten auf ein überschaubares Maß begrenzt. Ärgerlich für die Stadtführung, aber gut für die Serie. 