In der Eifel, Heimat und Einsatzgebiet von Journalist Siggi Baumeister, wird die Leiche eines düster geschminkten Mädchens gefunden. Vorschnell wird mit Jakob Stern ein Mann zum Verdächtigen erklärt, den zwar alle kennen und die meisten auch mögen, von dem aber im Grunde genommen niemand etwas weiß. Stern ist Schamane und Frauenheld und als solcher manchem katholischen Eifeler Eiferer ein Dorn im Auge. Als er eines Morgens jedoch tot in einer seiner "heiligen Eichen" gefunden wird, gibt sein Ableben allen Rätsel auf. Kurz darauf wird auch die Leiche von Sterns Geschäftspartner gefunden und Siggi Baumeister höchstselbst stößt bei seinen Recherchen auch noch auf eine dritte Leiche – die von Sterns Bruder Franz.
Wer den bislang letzten Eifel-Krimi von Jacques Berndorf liest, muss sich zunächst mal frei machen von den immer gleichen Schemata der Psychothriller und Reißern amerikanischer Couleur und den Konditionierungen, die diese zwangsläufig hinterlassen. Das fängt schon damit an, dass Journalist Baumeister in dem Roman nicht der alleinige Kämpfer für eine Wahrheit ist, welche die Polizei entweder zu inkompetent ist zu erkennen oder sogar verschleiern will. Vielmehr arbeitet Baumeister höchst offiziell mit der Polizei zusammen, und die Darstellung dieser seiner Arbeit ist realistisch. Da weiß einer ganz eindeutig, wie der Alltag eines Journalisten aussieht.
Es geht weiter damit, dass Baumeister und seine Mitstreiter Rodenstock und Emma weder Helden sind noch Antihelden und erst recht keine jugendlichen Weltenretter. Rodenstock und seine niederländische Ehefrau Emma sind pensionierte Kriminalbeamte und beide jenseits der sechzig; Baumeister geht stramm auf die fünfzig zu – körperliche Gebrechen inklusive. Berndorf gibt seinen Figuren Profil ohne Dramatik und ohne Pathos. So schafft er es, die überwundene Alkoholsucht von Siggi Baumeister oder die Familiengeschichte der Jüdin Emma unaufdringlich und unprätentiös in die Handlung einzuflechten. Berndorf widersteht allen Versuchungen, seine Charaktere klischeehaft darzustellen. Seine Ex-Bullen sind keine verbitterten, harten und misanthropischen Typen, sein Journalist kein Draufgänger und seine Brasilianerin keine junge, exotische Schönheit, die sich für einen deutlich älteren, beziehungsunfähigen Mann erwärmt und ihn mit ihrer Liebe rettet. Berndorfs Figuren haben eine Geschichte, keine Traumata.
Auch, was die Handlung angeht, schlägt Berndorf den ganz großen Bogen von Schamanismus, Esoterik, Satanismus und Gothic hin zum großen Geschäft und dem kleinen, alltäglichen Klüngel von und mit Behörden und Firmen in der Eifel. All das kann er nur, weil er die Themen bewusst nur anreißt, nicht wertet und nicht vorgibt, sich damit auszukennen. Berndorf verquirlt in seinem Buch keine düsteren Spießerklischees über Okkultismus und ähnliches, er schafft keinen "Mystery-Thriller" aus Halbwissen, er geht beinahe journalistisch-beschreibend vor, in jedem Fall aber ohne moralinsauren erhobenen Zeigefinger. Man kann sich sicherlich trefflich darüber streiten, ob das, was Berndorf seine Charaktere über die jeweiligen Szenen sagen und herausfinden lässt, faktisch alles vollkommen richtig ist. Möglicherweise wollte Berndorf seine Figuren aber auch bewusst so reden lassen, wie Menschen eben oft reden, die sich mittels Recherche mal eben auf die Schnelle über ein Thema schlau gemacht haben.
Bei seinem Streifzug durch "die schönste Provinz Deutschlands" lässt der Autor vom katholischen Fundamentalisten bis zum islamfeindlichen Mondanbeterpärchen darüber hinaus allerlei schräge Gestalten auftauchen – und tut das, was man mit solchen intoleranten Idioten am besten macht: Er lässt sie sang- und klanglos wieder abtauchen, straft sie mit der verdienten Nichtbeachtung, gibt ihnen keinen Raum in seiner Geschichte. Auch damit widersetzt er sich letztlich dem Diktat des Psychothrillers amerikanischer Prägung und führt den Leser, der sich denkt, dass es mit diesen absonderlichen Figuren bestimmt noch was auf sich hat, so wieder aufs Glatteis.
Schade ist nur, dass, wer die Eifel nicht kennt, sie durch dieses Buch wohl auch nicht kennen lernen wird. Berndorf übertreibt die Nennung von Ortsnamen, Straßen und Bundesstraßenausfahrten, als wolle er für ansonsten fehlende Eifel-Charakteristika entschädigen. Seine Eifeler reden allenfalls andeutungsweise wie Eifeler; überhaupt reden sie oft nicht so wie Menschen im Alltag, Landschaftsbeschreibungen gibt es so gut wie keine. Deshalb bleibt "Mond über der Eifel" immer ein Stückweit ein Buch für Insider. Dennoch ist das Buch vielleicht genau deswegen lesenswert.
