Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

  • Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
    nach Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen


    Produktion: WDR 1963 / Random House Audio / Schall und Wahn 2008
    Regie: Ludwig Cremer
    Bearbeitung: Bastian Müller
    Musik: Hans-Martin Majewski
    Länge: 406 Min.


    Das klassische Buchmotiv wurde für das Hörbuch von Nikolaus Heidelbach neu gestaltet



    Mit:


    Simplicissimus: Hans Clarin
    Knan: Harry Grüneck
    Knans Frau: Erna Grossmann
    Einsiedel: Max Noack
    Kaiserlicher Offizier, Bote, Schwedischer Kommandant: Gerhard Becker
    Olivier, Reuter, Schreiber: Rolf Schult
    Henkersknecht, u. a.: Wolf Schlamminger
    Henker, u. a.: Frank Barufski
    Keiserlicher Gubernator von Hanau: Hanns Ernst Jäger
    Pfarrer: Kurt Erhardt
    Schneider: Herbert Hennies
    Schuster: Hans Georg Gregor
    Kaufmann: Curt Faber
    Feldscher: Alois Garg
    Maler: Peter René Körner
    Magd: Ingeobrg Schlegel
    Dame: Marianne Rogée
    Koch, Fähnrich, Rittmeister: Wolfgang Forester
    Page: Manfred Georg Herrmann
    adelige Jungfrau: Dorothea Moritz
    Kaiserlicher Obrist, Reformierter Obristleutnant: Kaspar Brüninghaus
    Hofmeister: Kurt Lieck
    Rittmeisterin, u. a.: Magda Hennings
    Ulrich Herzbruder: Ludwig Thiesen
    Knecht Hans: Alwin Joachim Meyer
    General-Auditor, Jupiter u. a.: Karl-Maria Schley
    Profoss: Helmut Peine
    Spring-ins-Feld, ein alter Dragoner: Rudolf Rhomberg
    Tochter des Obrist-Leutnants: Marie-Gabriele Buch
    reformierter Pfarrer: Wilhelm Pilgram
    Amalie, Frau des reformierten Obristleutnants: Trude Meinz
    Gretl: Brigtitte Lebaan
    sowie Bodo Primus, Franz Schneider, Hans Fuchs, Wilhelm Grimm, Günter König, Manfred Lucht, Annelie Jansen, Steffy Helmar, Heinz von Cleve, Wera Petersohn, Harald Meister, Heinz Schacht, Jörg Holm, Alfred Abel-Adermann, Otto Bolesch, Ursula Feldhege, Karl-Heinz Fiege, Wiltrud Fischer, Klaus Dieter Fröhlich, Hans König, Gottfried Mehlhorn, Wilfried Noetzel, Erika Prahl von Swieykowski, Josef Quadflieg, Reta Rena, Kalr-Eugen Lehnkering, Harry Bong


    Gitarre: Prof. Siegfried Behrend



    Die Geschichte des Melchior Sternfels von Fuchshaim, genannt Simplicicius Simplicissimus, schildert in farbenfrohen kurzen Episoden dessen Leben im Dreißigjähringen Krieg.
    Simplicius wird als Kind in den Kriegswirren geboren und wächst als Ziegenhirte in großer Einfalt auf. Im Alter von zehn Jahren muss er vor plündernden Soldaten fliehen, die den Hof, auf dem er lebt, niederbrennen. Im Wald wird er von einem Einsiedler aufgenommen, der ihm das Lesen und Schreiben beibringt und ihn in der christlichen Lehre unterweist. Als dieser stirbt, beschließt Simplicius dieses Leben weiterzuführen, wird aber erneut von Soldaten aus der Existenz gerissen. Er gerät an den Hof zu Hanau, wo er zum Pagen - praktisch auch zum Narren - des Gubanators aufsteigt. Dem steilen Weg nach oben folgt der tiefe Fall und es fügt sich, dass Simplicius von kroatischen Reitern gefangengenommen wird. Von dort kann er fliehen, gerät dann aber an eine Räuberbande. Ihm gelingt es, diese zu überlisten und kann ihnen sogar ihre Beute entwenden.
    Simplicius kommt nach Magdeburg und wird Narr des dortigen Hofmeisters, der ihn in den wichtigen Dingen des Lebens unterrichtet. Zudem schließt er Freundschaft mit dessen Sohn Urlich Herzbruder.
    Aber erneut schlägt das Schicksal zu. Ulrich fällt durch eine Intrige in Ungnade und geht in schwedische Dienste, der Hofmeister stirbt und Simplicius hält nichts mehr in Magdeburg.
    Im kaiserlichen Dienst wird er als Spion verhaftet und soll hingerichtet werden, sein Freund Herzbruder kann ihn aber befreien, jedoch wird er selbst dabei gefangengenommen. Simplicius gelangt in den Dienst eines kaiserlichen Dragoners. Als dieser stirbt, nimmt Simplicius seinen Platz ein und gelangt als "Jäger von Soest" zu einiger Berühmtheit. Als er in schwedische Gefangenschaft gerät hilft ihm sein freundliches Wesen und er darf sich recht frei bewegen. Dies nutzt er zu einem unchristlichen Lebensstil und es mündet schließlich in einer etwas übereilten Heirat mit der Tochter eines Obristen.
    Er reist nach Köln, wo er seine Reichtümer, die er bei einem Kaufmann hinterlegt hat, abholen will. Doch dieser hat sich aus dem Staub gemacht. Mit Hilfe eines Anwaltes will Simplicius an sein Geld kommen, doch auch dieser ist nicht sonderlich ehrlich, sondern sorgt mit einem dubiosen Geschäft dafür, dass Simplicius nach Paris reisen soll.
    Auch dort gerät er in Haft, aus der er allerdings schnell frei kommt und nun in Paris ein nettes Leben führt.
    Er erkrankt an Kindsblattern, erholt sich und versucht sich fortan als Quacksalber. Erneut gerät er in Gefangenschaft, diesmal bei des Kaisers Truppen. Wieder kann ihn Herzbruder befreien, aber Simplicius gerät auf eine schiefe Bahn und lässt sich zum Räuberdasein verführen.
    Herzbruder kann ihn aber zu einer Wallfahrt überreden, bei der Simplicius zum Glauben und zum besseren Leben zurückfindet. Als er erfährt, dass seine Frau zwischenzeitlich verstorben ist, heiratet er bald darauf erneut, allerdings steht diese Ehe unter keinem glücklichen Stern. Er trifft allerdings nun seine vermeintlichen Eltern wieder und erfährt nicht nur seinen richtigen Namen, sondern auch mehr über seine Herkunft. Am Ende wird er des wilden Lebens überdrüssig und beschließt sein Dasein als Einsiedler fortzuführen.


    Der große Schelmen- und Abenteuerroman des Barock in einer sprachklugen, musikalischen Hörspielinszenierung: Der einfältigen Tölpel Simplicius hält auf all seinen Stationen der Zeit den Narrenspiegel vor - in zeitlos gültiger Weise.


    Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622 - 1676) veröffentlichte den Simplicissimus 1668 unter dem anagrammatischen Pseudonym German Schleifheim von Sulsfort. Er verarbeitete eigene Kriegserlebnisse und schuf den ersten großen Roman deutscher Sprache.




    Thomas Krüger von "Schall und Wahn" hat dieses historische Hörspiel des WDR aus dem Archiv befreit. Das vormals achtteilige Werk wurde von den jeweilgen einleitenden Zusammenfassung befreit und in die fast sieben stündige CD-Fassung gebracht.


    Die Geschichte vom Simplicissimus gehört nicht nur zu den bedeutendsten deutschsprachigen Romanwerken, sie ist auch eine der farbenfrohesten und kurzweiligsten Erzählungen, die ich kenne. Das ständige Auf- und Ab im Leben des Protagonisten, die satirischen Einschläge, die sehr eindrucksvoll und mahnenden Schilderungen des Krieges machen das Werk zu zahlreiche unterschiedliche Emotionen beim Leser bzw. Hörer anspricht.


    Bei der Bearbeitung hat sich Bastian Müller sehr nah an den Text gehalten. Zum Teil sind ganze Kapital fast wortgetreu übernommen worden. Das Hörspiel umfasst die Geschichte der ersten fünf - und somit die ursprünglichen - Bücher des Simplicissimus. Die "Continuatio" hat man vollständig außen vorgelassen und auch insbesondere das fünfte Buch wurde gerade zum Ende hin, stark, aber sehr sinnvoll gekürzt.


    Die enge Bindung hat aber auch zur Folge, dass die schnellen Sprünge von Kapitel zu Kapitel ins Hörspiel übernommen wurden. Daran, als auch an die besondere Sprache, muss man sich als Hörer gewöhnen, das gelingt aber eigentlich recht rasch.


    Sprache und Musik sind letztlich auch die einzigen Mittel, um der Geschichte eine Kulisse zu verleihen. Geräusche oder auch nur Räume hört man bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht. Das Stück ist ein reines Mono- und Dialoghörspiel. Die eingestreuten Musikstücke als Trenner zwischen einzelnen Kapiteln oder aber auch als Teil der Handlung, sind thematisch sehr passend. Nicht nur stimmungsvolle zeitgemäße Melodien zur Untermalung sind zu hören, auch finden sich bekannte Stücke der Zeit, die einen direkten Bezug zum Geschehen haben, bspw. "Es ist ein Schnitter" oder "Wir zogen in das Feld", wieder. Als kleiner Ohrenschmaus werden einzelne Stücke auch von Hans Clarin gesungen.


    Dieser trägt als Simpliciccimus sowohl als handelnde Figur, als auch als Erzähler nahezu das Stück ganz allein. Es gibt kaum, bedingt durch die abwechslungsreiche Handlung, andere größere Rollen. Clarins Leistung ist gerade im Beginn der Geschichte sehr gut. Er hesselt sich durchs Althochdeutsch und verleiht der Figur so die nötige Glaubwürdigkeit. Je mehr seine Figur von der Welt kennenlernt, desto mehr verschwindet der Dialekt. Aber es tauchen später einzelne Passagen auf, in der diese Sprachfärbung wiederkehrt. Eine kleine Merkwürdigkeit in einer insgesamt erstklassigen Leistung.


    Die Umsetzung nur mit Sprache und Musik wirkt auch für ein Hörspiel aus den frühen sechziger Jahren recht nackt. Viele Szenen schreien gerade zu nach einer akustischen Auskleidung und so hätte ich dem Stück zumindest eine hörbare Gestaltung der Räume gegönnt.


    Eine gute, wenn nicht sogar die beste, Umsetzung des Stoffes in ein Hörspiel, das haarscharf an der nächsthöheren Wertung vorbeischrammt. Dazu war mir die Soundkulisse - auch in Bezug auf das Produktionsjahr - letztlich zu dünn. Ansonsten ist dieses Hörspiel aber absolut empfehlenswert.

    Meine Wertung: + + +