Ich finde Gabriel Burns (1): Der Flüsterer... 5
-
ungenügend (0) 0%
-
mangelhaft (0) 0%
-
ausreichend (0) 0%
-
befriedigend (0) 0%
-
gut (1) 20%
-
sehr gut (4) 80%
Gabriel Burns (1): Der Flüsterer
Ein Hörspiel von Volker Sassenberg
Vertrieb: Universal
Ich weiß, was Angst ist. Wie sie sich anfühlt, wie sie den Verstand lähmt und jeden in ein hilfloses, zitterndes Etwas verwandeln kann.
Ich muss von schrecklichen Begebenheiten berichten, die zumeist im Verborgenen, aber manchmal auch in unserer unmittelbaren Nähe geschahen. Und noch immer geschehen. Es wäre ein verhängnisvoller Fehler, die Menschen darüber im Unklaren zu lassen. Es ist an der Zeit, dass sie die Wahrheit erfahren.
Steven Burns Verstand befindet sich im freien Fall. Ihm bleibt keine andere Wahl, als das Angebot eines geheimnisvollen Fremden anzunehmen. 1000 Meilen nördlich von Vancouver begegnet Steven Burns den ersten Boten einer furchtbaren Macht und den Schatten seiner eigenen Vergangenheit.
Die “Premiere im kleinen Kreise”, welche am 18.10.2003 bei Regisseur Volker Sassenberg stattfand, machte eins klar: Mit dieser Serie beschreitet man im Bereich der Hörspiele tatsächlich neue Wege und mit 'Gabriel Burns' wird man ohne Zweifel die Messlatte nicht nur für einige Teilaspekte einer Produktion, sondern für alle Bereiche massiv erhöhen.
Die Story:
Stephen Burns, Taxifahrer und nebenher wenig erfolgreicher Schriftsteller, wird mitten in der Nacht von einer Kundin ins Hafenviertel von Vancouver beordert, wo sie sich mit ein paar “Freunden” treffen möchte. Kaum ausgestiegen, entpuppen sich die “Freunde” jedoch als nicht allzu freundlich und Burns sieht sich gezwungen, der arg in die Bredouille geratenen Frau zu helfen. Im darauf folgenden Handgemenge verliert Burns das Bewusstsein, das letzte was er hört, das Schreien der Frau, ein Schuss – Schwärze...
Burns kommt nach einiger Zeit wieder zu sich. Er findet sich in einem Hotelzimmer wieder, neben ihm die blutüberströmte Leiche der Frau, die er eigentlich zu retten versuchte. Als kurz darauf die Polizei das Hotel stürmt und Burns festnimmt, beginnt für ihn ein Alptraum: Er ist sich sicher, die Frau nicht getötet zu haben. Aber was ist passiert während er weggetreten war? Den Schrei und den Schuss hatte er vernommen. Und auch die Tatsache, daß es “keine Kerle am Hafen gibt”, bringt ihn ins Wanken. Hat er im Endeffekt doch? Diesen Gedanken nachhängend, bekommt Burns schließlich Besuch von Mr. Bakerman, einem “Mr. X”, den man (noch) nicht zuordnen kann, der jedoch allem Anschein für die Regierung oder einer Geheimorganisation arbeitet.
Der Deal: Burns ist ein freier Mann, wenn er in dem kleinen Nest Eden Creek einen Mitarbeiter dieser Organisation findet... Natürlich sagt Burns zu – und damit beginnt erst der richtige Alptraum. Noch bevor er überhaupt aufbrechen kann, scheint es während eines Telefonats eine Leitungsstörung zu geben und Burns hört eine unheimliche Stimme, die ihn mit seiner mysteriösen Vergangenheit konfrontiert. Und in Eden Creek selbst steht er einem absolut düsteren Geheimnis gegenüber, denn das Städtchen scheint fast ausgestorben zu sein – und die letzten Überlebenden scheinen beim einsetzenden Schneesturm, der das Örtchen von der Außenwelt abschneidet, den Verstand zu verlieren. Paranormale Phänome? Ein Versuch des Militärs? Woher kommen die Stimmen? Woher die unheimlichen Laute? Warum drehen nach und nach Leute durch und werden für andere und für sich zu einer tödlichen Bedrohung? Was hat es mit den Einstichen im Nacken der jeweiligen Opfer auf sich, über die Burns immer wieder “stolpert”? Ein “Ausflug” durch den Sturm zum nahgelegenen Sendeturm und in ein stillgelegtes Bergwerk führen ihn dann auf die Spur der “Grauen Engel”...
Daß Pilotfolgen nicht zwingend langweilig sein müssen, bewies Volker Sassenberg bereits bei "Point Whitmark". Daß man aber auch tatsächlich beim "Set-Up" der Serie eine (fast) abgeschlossene Handlung inkl. Rahmenhandlung über mehrere Teile ersinnt, die einem streckenweise wirklich Schauer den Rücken hochjagen, ist mir bis dato nur sehr selten untergekommen. Hier hat man in bester "Akte X"-Manier Charaktere ersonnen, die selbst am Ende dieser Folge nicht völlig transparent sind, die ihre eigenen Geheimnisse haben, von denen man jedoch auch noch nicht weiß, wo und wie man sie einzuordnen hat. Somit hat der dubiose "Unbekannte", der anscheinend für irgendeine hochrangige Geheimorganisation arbeitet und Burns diesen seltsamen "Auftrag" erteilt, durchaus die selbe Undurchschaubarkeit wie seiner Zeit der "Krebskandidat" bei "Akte X".
Daß am Ende zwar ein Teilaspekt abgeschlossen, dafür jedoch ein ganzer Berg an anderen Punkten offenbleibt, deutet nur vage an, wie tief die Handlung in den kommenden Folgen werden wird.
Die Sprecher:
Die erste Überraschung erlebt der Hörer gleich zu Beginn: Zu für die düster-bedrohliche Grundstimmung der Serie kontrapunktuierten, fast märchenhaft klingen Einleitungsmusik spricht kein Geringerer als Hans Paetsch, der vor seinem Tod bereits das Intro eingesprochen hatte. Ein würdiges Vermächtnis – und kaum eine bessere Einführung.
Der “normale” Cast liest sich dann weiter wie ein Stelldichein einiger der bekanntsten Stimmen aus Syncrhon und Hörspiel (was im Verlauf der Serie noch weiter untermauert werden wird): Bernd Vollbrecht, der den meisten wohl als Synchronstimme von Antonio Banderas (“Desperado”, “Der 13te Krieger”, “Once upon a time in Mexico”) bekannt ist, spricht den Titel-”Helden”. Kaum jemand sonst hätte den, eigentlich schon fast mit “Antiheld” zu bezeichnenden, Charakter sprechen können, da er die innere Zerrissenheit, resultierend aus den noch nicht aufgeklärten mysteriösen Erlebnissen seiner Jugend, und dem “Zugzwang”, unter dem er in dieser Folge steht, absolut überzeugend rüberbringt.
Ernst Meincke, seines Zeichens Sprecher von “Cpt. Picard” bei zahlreichen “Star Trek: Das nächste Jahrhundert”-Episoden, ist die perfekte Besetzung für den undurchsichtigen Unbekannten. Simmlage, Betonung – man hat sofort dieses undurchschaubare, hohe Geheimorganisationstier vor Augen.
Jürgen Kluckert als Erzähler war ebenfalls der absolute Goldgriff. Diese wirklich eigene Art, wie hier der Erzähler eingebaut wurde, gewinnt durch “Morgan Freeman” noch zusätzlich an Intensität und bildet zudem zu Paetschs “Märchen-Intro” einen passenden Gegensatz.
Auf den “Rest” des Ensembles detailliert einzugehen, sprengte den Rahmen, aber auch hier haben durch die Bank alle eine schlicht beeindruckende Leistung geliefert, die in dieser Qualität bis dato seltenst zu finden war. Alle bis auf, tja, bis auf "Blümchen". Hier merkt man leider, daß sie eben keine "gelernte" Sprecherin ist. Allerdings ist der Auftritt nur kurz und schadet dem Gesamtergebnis nicht.
Effekte und Musik:
Der Begriff “Kopf-Kino” dürfte hier wieder in die Runde geworfen werden. Und in dieser Form habe ich bisher noch kein Hörspiel erlebt. Wenn die Bezeichnung “cineastische Inszenierung” auf eine Produktion zutrifft, dann hier. Orchestraler Score, treibende Perkussion, einige kurze synthetische Einflüsse – all das passt hier zusammen wie aus einem Guss. Und obwohl die Musik zwar eigens für die Serie komponiert wurde, hat man nicht Szenenabhängig komponiert.
Etliche andere Labels haben dadurch oftmals Ergebnisse, die “hingeklebt” klingen. Hier hat man diese Tücke umgangen – wie gesagt: Es klingt wie ein bombastischer Kinofilm.
Gleiches gilt für die Effekte: Schneesturm, Bergewerksstollen, Tunnel, Hochsicherheitszelle – im Bereich “Umweltsounds” und Hall hat man sich richtig ins Zeug gelegt und liefert hier etwas ab, was dem Begriff “Perfektion” sehr, sehr nahe kommt. Nicht nur die jeweiligen Geräusche werden beispielsweise vom Hall beeinflusst, sondern auch die Stimmen. Damit hadert ebenfalls manch ein Label, von unglaublich abwechslungsreichen, realistischen Sounds mal ganz abgesehen. Und was die Grusel-/Schockeffekte anbelangt: Die kommen richtig gut und vor allem überzeugend echt rüber. Wenn beispielsweise das Unheimliche aus den Wäldern näher kommt, dann klingt es nicht einfach wie aus der Konserve hingepappt, sondern wirklich so, als käme da ein furchteinflößendes Etwas näher.
Zuletzt noch eine Bemerkung bezüglich Sterilitäts-Befürchtungen: Nein, “Gabriel Burns” ist alles andere als ein steriles Hörspiel. Zum einen, da -wie erwähnt- die Effekte und die Musik absolut realistisch, bzw. nicht “Konserven-like” rüberkommen, zum anderen aber auch wegen des Panoramas. Panorama in dem Sinne, daß man hier wirklich “räumlichen” Eindruck hat. So spielt sich nicht -wie etwa bei “Sinclair 2000”- (fast) alles in der “Mitte” ab, sondern wirklich im Raum verteilt. Das kommt der Realitätsnachahmung, die man in einem Studio natürlich aufwändig betreiben muss, sehr zu Gute.
Fazit:
Was ist 'Gabriel Burns'? Nicht weniger als ein “Quasi-Erdbeben”, die Referenz im Bereich “kommerzielles Hörspiel”! Angefangen bei der in dieser Form bis dato einzigartigen Story, die sich selbst ihr eigenes Genre eröffnet und zig Möglichkeiten für Kommendes bietet, über ein nahezu perfektes Sprecherensemble, über den cineastischen, größtenteils orchestralen Score, über den perfekten Einsatz von Geräuscheffekte jedweder Coleur, bis hin zu detailverliebten “Kleinigkeiten” wie Positionierung, bietet diese Serie ein tatsächlich gänzlich neues Hörerlebnis. Wem also ein Hörspiel, dessen Handlung wirklich die Aufmerksam fordert und wem Stoff -wenn man es unbedingt mit Etiketten bekleben will- in Richtung “Twin Peaks” meets “Akte X” meets Dean R. Koontz' “Phantoms” zusagt, der wird “Gabriel Burns” lieben. Doch auch denen, die vielleicht “nur” durch den derzeitigen (gerechtfertigten!) Hype auf die Serie aufmerksam geworden sind, kann ich sie nur empfehlen.