Will der Hörer unterfordert werden?

  • Ja, ich weiß, derartige Themen hatten wir durchaus schon mal. Aber da auf serienjunkies.de gerade eine Kolumne mit der fast gleichen Frage nur gemünzt auf TV veröffentlicht worden ist (http://www.serienjunkies.de/ne…r-unterfordert-44138.html), dachte ich mir, es ist vielleicht ganz interessant die Frage in diesem Zusammenhang mal wieder aufzugreifen.
    Denn auch wenn ich das Gefühl habe, dass die Hörspielmacher zuletzt doch immer mehr bemüht waren, sich thematisch etwas weg vom üblichen Stoff zu bewegen, war die Zahl an Geschichten, die ich zuletzt gehört habe und die ich wirklich als richtig fesselnd bzw. geil beschreiben würde, doch eher an einer Hand abzuzählen. Eine Kunst, die einige (natürlich auch längst nicht alle) amerikanische TV-Serien deutlich besser verstehen. Hier wird bisweilen eine regelrechte Sucht nach der nächsten Episode geweckt. Und es ist mir durchaus schon passiert, dass ich eine halbe Staffel einfach mal komplett am Stück durchgeschaut habe, weil ich nicht aufhören konnte.


    Gut, dass das im Hörspielsektor nicht genauso klappt, mag sicherlich auch daran liegen, dass die VÖ-Frequenz eine andere ist, dass es immer weniger Geschichten mit einer größeren Rahmenhandlung gibt, etc.
    Eine der Serien, die bei mir im Hörspielsektor bei mir ein ähnliches Gefühl auslöst und wo auch recht regelmäßig neue Episoden erscheinen ist Dorian Hunter. Und das noch nichtmal, weil man inhaltlich etwas völlig neues am Start hätte: nein, man weiß einfach nur, wie man das ganze zeitgemäß, modern und mitreißend umsetzen muss, um einen in einen Sog zu ziehen...
    Gelungen ist dieser Sog auch einer Hörbuch-Serie, "Darkside Park", und auch MindNapping ist mit seinem Konzept schön frisch, so dass ich mich hier ebenfalls immer auf Nachschub freue. Es gibt gewiss noch ein paar weitere Beispiele, aber beim Blick über die Neuheitenliste frage ich mich manchmal dann doch: wo ist der Sog in den Hörspielserien sonst?

  • Auch wenn ich deine lange Ausführung jetzt einfach herunterbreche, denke ich, dass das der Kernpunkt ist. Hörspiele haben - je nach Serie - durchaus komplexe Handlungen, allerdings selten als Serie, sondern eher als Einzelhörspiel. Eine TV-Staffel läuft meist wöchentlich, ist also nach max 24 Wochen durch, meist haben die amerikanischen Serien weniger Folgen. Dexter z.B. hat immer nur 12 Folgen. Dazu sind die fertig produziert und werden nur nach und nach auf den TV Markt geworfen, was den Zuschauer "nichts" kostet.


    Eine komplexe Hörspielhandlung wird aber nur nach und nach aufgebaut und teilweise zu lang gedehnt. Gabriel Burns ist ein schönes Beispiel dafür. Entweder muss eine Serie kurz, knackig und überschaubar in der Folgenanzahl sein (Darkside Park, Sacred, ...) oder es läuft auf Einzelfolgen hinaus. Dorian Hunter gefällt mir auch sehr gut, aber irgendwann muss sich das Team entscheiden. Entweder ist die Geschichte erzählt oder es läuft darauf hinaus, dass die einzelnen Folgen mehr in sich abgeschlossen sind.


    Kurz: Es liegt am Medium und dessen VÖ - meine Meinung.

  • Nein, will er nicht, jedenfalls nicht generell und nicht immer. Es gibt durchaus Tage, an denen will ich mir einfach nur eine bekannte, schon zigfach gehörte und einfache Story in Ohr und Kopf drücken, ja. Aber wenn es "momentan" (wobei ich darin eine schon seit Jahren andauernde Haltung sehe) den Trend gibt, auf, sagen wir mal, ausgetretenen Pfaden zu wandeln, dann liegt das für meine Begriffe nicht an der Nachfrage sondern schlicht daran, dass es für die Label am billigsten ist, auf Bewährtes zu setzen. Ich habe - bezogen auf das Fantasy-Genre in der Buchbranche - dazu kürzlich einen Artikel geschrieben: http://www.marionowak.de/roman…igheit-deutscher-verlage/

  • Entweder muss eine Serie kurz, knackig und überschaubar in der Folgenanzahl sein (Darkside Park, Sacred, ...) oder es läuft auf Einzelfolgen hinaus. Dorian Hunter gefällt mir auch sehr gut, aber irgendwann muss sich das Team entscheiden. Entweder ist die Geschichte erzählt oder es läuft darauf hinaus, dass die einzelnen Folgen mehr in sich abgeschlossen sind.


    Wobei ja die TV-Serien durchaus auch vormachen, dass man Geschichten auch spannend in Form von Staffeln erzählen kann.

  • Funktioniert das in der Hörspielwelt?


    Das ist die konsequente Folgefrage.
    Ich bin mir nicht sicher. Ich würde mir zwar wünschen, dass es funktioniert, wenn man sich aber die Reaktion der Hörer angesichts der x-ten Rückkehr von irgendwelchen 0815 Maritim Krimis im Vergleich zu anderen Dingen ansieht, wundert einen manches halt dann doch eher nicht.


    Goldagengarden mag vielleicht nicht das glänzendste Beispiel sein, da es noch keine weiteren Staffeln gibt - aber das geht doch durchaus in die Richtung, die ich meine. Natürlich braucht es als Grundlage aber auch erstmal ne Geschichte, die einen so mitreißt, dass man gerne bei der Sache bleibt. Allein daran scheiterts ja auch oft schon.

  • Faith gab es ja in Staffelform, da hat man sich aber nach zwei Staffeln von verabschiedet. Ich behaupte, dass das nicht funktioniert. Man haut konsequent Folgen raus, die Hörer kommen nicht mit dem Kauf nach und dann ist ein halbes Jahr oder so Pause? Nee, das wird nichts.

  • Faith gab es ja in Staffelform, da hat man sich aber nach zwei Staffeln von verabschiedet. Ich behaupte, dass das nicht funktioniert. Man haut konsequent Folgen raus, die Hörer kommen nicht mit dem Kauf nach und dann ist ein halbes Jahr oder so Pause? Nee, das wird nichts.


    Mhm, wobei sich das Problem mit dem "nicht mit dem Kaufen nachkommen" erledigt sich vielleicht insofern, wenn einen die Geschichte wirklich so packt, dass man gerne sofort bei jeder neuen Episode in den Laden bzw. die Download-Shops rennt. Wie gesagt, dieses Gefühl lösen bei mir momentan halt nur wenige Serien/Reihen aus. Und da würde ich Faith jetzt nicht unbedingt als bestes Beispiel nehmen wollen.
    Aber du hast natürlich schon recht, es gibt keine Garantie, dass eine Geschichte alle gleichermaßen packt - und die Zahl der Hörspielkäufer scheint ja doch eher überschaubar.

  • Und die Geschmäcker gehen auseinander und mal kurz eine ganze Staffel ruckzuck rauszuhauen kann sich kaum einer leisten, das Risiko ist auch deutlich zu hoch.


    Aber darum geht es ja auch gar nicht. Will der Hörer unterfordert werden? Kann man so nicht sagen, er will wohl eher "nur" nicht gefordert werden. Es reicht halt vollkommen aus, wenn irgendwo eine alte Tür knarzt, ein Wolf jault und irgendwelche übernatürlichen Wesen rumrennen. ;)

  • Will der Hörer unterfordert werden? Kann man so nicht sagen, er will wohl eher "nur" nicht gefordert werden.


    Warum laufen viele Kinozuschauer *ausschließlich* in Hollywoodfilme? "Mein Leben ist kompliziert genug, ich will mal ausspannen, nicht auch hier noch nachdenken müssen. Und bei [Film/Hörspiel meiner Wahl] bekomme ich es mundgerecht serviert." Dass oft die ansprechenderen Stories in Nicht-Hollywood-Filmen zu finden sind, geht halt dann verloren. Aber da man das nicht weiß, vermisst man auch nichts.

    They call me the Fader. Which is what I'm about to do.

    Die deutsche Rechtschreibung ist Freeware, d.h. man darf sie kostenlos nutzen.
    Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. man darf sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.

  • Wirklich anspruchsvolle Hörspiele, bei denen der Hörer gefordert wird funktionieren bei der derzeitigen Lage des Marktes nur noch als Einzelhörspiele (z.B "Loreley") oder als Mini-Serie. Die ersten Folgen Gabriel Burns war für mich so eine Serie mit Suchtpotenzial, davon gibt es heute aber kaum noch welche, allenfalls noch Mark Brandis und Dorian Hunter.


    Um RICHTIG gute Hörspiele zu produzieren, braucht neben allerlei anderem auch ein vernünftiges Budget. Die Zukunft sehe ich daher nicht im kommerziellen Bereich, sondern im Radio.
    In der von DRY zitierten Kolumne werden amerikanische Serien wie "Breaking Bad" oder "Game of Thrones" als Referenz für richtig gutes Fernsehen genannt. Warum wäre eine längerfristige Hörspielserie in dieser Art mit 12 Folgen pro Jahr nicht mal im Radio möglich. Das tut ja zum Teil weh, wenn man sieht, dass der Bayerische Rundfunk die ganzen Gebührengelder für eine 22 Stunden-Hörspielfassung von James Joyce's Ulysses ausgibt. Von dem Geld hätte man locker auch eine richtige gute Hörspielserie produzieren können.

  • Wirklich anspruchsvolle Hörspiele, bei denen der Hörer gefordert wird funktionieren bei der derzeitigen Lage des Marktes nur noch als Einzelhörspiele (z.B "Loreley") oder als Mini-Serie. Die ersten Folgen Gabriel Burns war für mich so eine Serie mit Suchtpotenzial, davon gibt es heute aber kaum noch welche, allenfalls noch Mark Brandis und Dorian Hunter.


    Setzt man Anspruch mit Suchtpotenzial gleich? ?(

  • Ich habs für mich mal vorrausgesetzt. ;) Anspruch ist natürlich ein dehnbarer Begriff. Ich habs jetzt mal so gedeutet, dass eine Serie die eine Geschichte über mehrere Folgen erzählen eine höhere Aufmerksamkeit (=Anspruch) des Hörers verlangen, als eine Serie wie z.B die drei ???, wo man jede Folge nebenbei weghören kann.

  • Ich setze noch mal etwas weiter oben an.


    TV und Hörspiel sind nicht miteinander zu vergleichen, zumindest nicht so einfach und 1:1. Eine TV-Serie ist vorab produziert, bevor die Staffel auf Sendung geht und ja, da kann man eine Handlung erzählen. Allerdings auch nur, weil die Abstände zwischen den Folgen kurz sind UND den Zuschauer das nichts mehr kostet. (Also der normale Serienkram im TV; von Pay-TV mal abgesehen). Bei einem Hörspiel geht eine 15-Folgen-Season auch stark ins Geld.


    Faith, Hunter, Burns ... es gibt viele Serien, die auch funktionieren, allerdings verliert der Zuhörer schnell den Faden. Bei TV Produktionen gibts oft mal eben nen Rückblick was geschah und dann geht es weiter.


    Caine, Darkside Park und Sacred sind auch schöne Beispiele. Allerdings sind die Geschichten eben auch nach X Folgen abgeschlossen und kamen (bis auf Caine am Ende) recht regelmäßig.



    Probleme haben wir alle. Aber viele entscheiden sich dann im Kino für entspannende Berieselung anstatt von forderndem Film. Ist beim Hörspiel meist nicht anders. Wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin, kann ich nicht beim Hörspiel mitdenken, dann will ich eine leichte Unterhaltung, vielleicht mit etwas Witz und Humor. Montana z.B. kann ich nicht während der Fahrt hören, da fehlt mir die Konzentration. Solche Geschichten hebt man sich dann für zu Hause auf und hört dann aktiv mit und nicht nur passiv nebenbei.

  • Probleme haben wir alle. Aber viele entscheiden sich dann im Kino für entspannende Berieselung anstatt von forderndem Film. Ist beim Hörspiel meist nicht anders. Wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin, kann ich nicht beim Hörspiel mitdenken, dann will ich eine leichte Unterhaltung, vielleicht mit etwas Witz und Humor. Montana z.B. kann ich nicht während der Fahrt hören, da fehlt mir die Konzentration. Solche Geschichten hebt man sich dann für zu Hause auf und hört dann aktiv mit und nicht nur passiv nebenbei.


    Und so ist jeder anders, ich kann bei Autofahrten am besten hören.

  • Wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin, kann ich nicht beim Hörspiel mitdenken, dann will ich eine leichte Unterhaltung, vielleicht mit etwas Witz und Humor.

    Für Autofahrten habe ich John Sinclair entdeckt. Trivialer geht es kaum noch: "Übermächtige vs. Sinclair, Kreuz, alles gut"


    Ich möchte schon etwas gefordert werden, denn 8,95 für 60 Minuten berieseln ist etwas teuer. Vielleicht mag ich deswegen eher Hörbücher, statt Hörspiele. Nicht dass es keine guten Hörspiele gibt. Aber ich lese gerne und mittlerweile wird einem das Buch bei Bedarf vorgelesen. Das kostet auch nicht unbedingt viel mehr, wenn man keinen gesteigerten Wert auf CDs legt.

  • Hörspiel-Staffeln funktionieren einfach nicht auf die gleiche Weise wie TV-Staffeln. Was macht eine Staffel bei TV-Serien aus? In sich runde Storyparts mit zusammenhängender Hanldung (so bei den meisten Serien aktuell). Der Knackpunkte sind:


    1. Jede Woche kommt eine neue Folge
    2. DVD-Box VÖ einer ganzen Staffel für ca. 30 Euro


    Da kann die Hörspiel-Branche nicht mithalten. Es scheitert an den regelmäßigen VÖs...ohne diese schnell aufeinander folgenden Veröffnetlichungen stellt sich bei mir nicht der gewohnte Seriencharakter ein. Klar, theoretisch könnte man mit einem großen Produktionsstab so etwas stemmen, aber dazu fehlen wohl genügend Abnehmer dass sich so eine Produktion rechnen würde. Gut finde ich aber die Idee sowas im Radio zu bringen gekoppelt mit einer VÖ auf CD als Box.