Interview mit Simon X. Rost

  • 1. Hallo Simon. Steigen wir gleich mit einer kleinen Vorstellung deinerseits ein. Wer ist Simon X. Rost und womit verdient er seine Brötchen?


    Simon X. Rost ist Ende dreißig, wohnt mit Familie in Stuttgart und ist Geschichtenerzähler. Das macht er mal als Autor, mal als Regisseur für fast alle Medien die es so gibt. Und das macht er leidenschaftlich gerne und dafür gibt’s dann auch Brötchen. Konkret: momentan schreibe ich an meinem dritten Roman, am 35. Hörspiel, arbeite am x-ten Spielfilm und drehe Ende September mal wieder eine Werbung. Keine Ahnung, die wievielte das ist...


    2. Eine ganz wichtige Frage: wofür steht das X in deinem Namen?


    Eine ganz banale Antwort: für Xaver.


    3. Wieso schreibt ein Autor Skripte für Hörbücher und Hörspiele, wenn er doch eigentlich viel mehr Geld mit Drehbüchern für Film und Fernsehen verdienen kann?


    Klingt jetzt vielleicht naiv, ist aber alles andere als das: Weil Geld nicht alles ist. Ich kann nur dauerhaft gut und leidenschaftlich arbeiten, wenn ich Abwechslung habe, wenn ich neue Impulse aus anderen Bereichen bekomme, wenn ich mich, wie bei „Mittschnitt“ oder „Darkside Park“ oder „Mindnapping“ auch mal in Genres austoben darf, die so im Film und Fernsehen in Deutschland quasi nicht statt finden. Und ich liebe das Medium Hörspiel. Unvergessen meine Angst als Zehnjähriger, als ich beim nächtlichen Rumdrehen am Radio unter der Bettdecke lag und plötzlich „1984“ als Hörspiel lief. Ich hab mich fast eingenässt vor Angst, als O´Brian Winston Smith verhört und ihm mit dem Zimmer 101 droht, konnte aber auch nicht abschalten. Ich war elektrisiert und musste einfach mehr von dem Zeug bekommen. Prägendes Erlebnis, kann ich nur sagen...


    4. Es hat dich erwischt und Du hast auch deinen Beitrag in Sachen „MindNapping“ geleistet, „Flutnacht“ heißt das gute Stück. Was kannst Du den Lesern über das Hörspiel erzählen, ohne zu viel zu verraten?


    Ich hab mir eben darüber Gedanken gemacht, was „MindNapping“ eigentlich heißt und für mich bedeutet. Und für mich bedeutet es: Man glaubt, man weiß, wie eine Sache ist, sich verhält, aber tatsächlich ist sie oder wird sie plötzlich ganz anders – im Fachjargon auch Twist genannt. Ich wollte mal durchexerzieren, was passiert, wenn man eine Geschichte auf Twists aufbaut, wenn sie das bestimmende Element einer Geschichte werden und ich war verblüfft, wie gut es funktioniert und wie prima das zu dieser Serie passt. Im Grunde ist „Flutnacht“ ein Kammerspiel auf einer einsamen Insel – Tim Felton ist Biologe, hat gerade seine Freundin bei einem Autounfall in New York verloren und will nichts mehr, als etwas Abstand und Ruhe haben. Deswegen heuert er als Vogelwart auf einer einsamen, unbewohnten Insel an. Doch die Ruhe währt nicht lange, Tim findet heraus, dass sein Vorgänger im Amt des Vogelwarts unter mysteriösen Umständen verschwunden ist und dann wird auch noch eine Schiffbrüchige an die Küste seiner Insel gespült. Wenig später weiß Tim nicht mehr, ob er seinen Sinnen trauen kann oder ob er das Schicksal des letzten Vogelwartes teilen wird: Paranoia, Wahnsinn und Tod. Und mehr wird nicht verraten, sonst kommt der Spoiler Dämon und packt mich bei den Ohren...


    5. Es kam im Vorfeld bereits die Frage auf, ob „Flutnacht“ eine unvertonte Folge aus der Reihe „Mitschnitt“ sei. Gibt es die überhaupt?


    Nö, die gab es nicht. Bei „Mitschnitt“ war von Anfang an klar, dass wir vier Folgen machen und dann der wirtschaftliche Erfolg abgewartet wird. Ähh... wir warten leider immer noch, aber das nur am Rande...;-) So gut die Reihe und das Konzept bei Kritikern und Fans ankam, der breite Erfolg blieb uns damit bisher leider verwehrt – also keine unvertonte Folge.
    Natürlich könnte man „Flutnacht“ so, oder so ähnlich auch für „Mitschnitt“ umsetzen, aber das liegt sicher in erster Linie daran, dass beide Geschichten aus meiner Feder stammen und ich nun mal Kammerspiele sehr mag (Siehe Winston Smith und Zimmer 101...). Trotzdem man beim Hörspiel, anders als beim Film, eigentlich alle Freiheiten hat, wo die Geschichte spielt, in welchem Jahrhundert und massive Action oder das „Bühnenbild“ kein kostenrelevanter Faktor sind, bin ich immer noch fasziniert davon, gerade beim Hörspiel mit ganz kleinem Besteck zu arbeiten, sprich: mit zwei oder drei Schauspielern eine Geschichte zu erzählen, Spannung zu erzeugen, ohne großen externen Klimbim. Für mich immer noch die Königsdisziplin.


    6. Du hast das fertige Werk bereits gehört, was hältst Du von dem Ergebnis?


    Ich finds großartig. Es kommt genau die Stimmung rüber, die ich mir erhofft habe, ich finde die Schauspieler und der Regisseur haben eine riesen Job gemacht und das sage ich nicht, weil Du mir diese Fragen stellst, Patrick. Die klaustrophobische Atmosphäre, die Wechsel in den Erzähltempi, die Emotionen, nicht zuletzt das Sounddesign – passt alles. Wobei das nicht bedeutet, dass ich als Regisseur nicht einige Sachen anders gemacht hätte – aber das ist normal und da muss man als Autor, der auch inszeniert, abstrahieren können. Anders heißt ja nicht zwangsläufig besser. Fakt ist: so wie es ist, ist es sehr gut und ich bin sehr zufrieden.


    7. Wie kann man eine Serie wie „Die Playmos“ schreiben und sich dann einer Story für „Darskide Park“ oder „MindNapping“ widmen?


    Wie schon gesagt: ich liebe die Abwechslung. Und ich bin als Autor von Geschichten genauso gestrickt, wie ich als Konsument gestrickt bin. Zeig mir den, der nur Filme, Bücher oder Hörspiele aus einem Genre konsumiert und alles andere ablehnt und ich zeige dir jemand, der das Beste im Leben verpasst. Ich jedenfalls würde da vor Langeweile sterben. Und als Konsument mag ich eben Romane von James Ellroy, Dennis Lehane und Richard Laymon genauso wie die von Robert Harris oder Max Gold oder Arno Schmidt. Ich mag hartgesottene Cop-Serien wie „The Shield“, kann mich trotzdem bei „30 Rock“ oder „Chuck“ kaputt lachen und bei „Tatsächlich Liebe“ hab ich tatsächlich ein Tränchen weg gedrückt. Warum nicht „???“ hören und gleich danach eine „Mitschnitt“ Folge? Und warum dann nicht genauso gut eine schreiben? Hat beides seine Berechtigung, macht beides Spaß, ist beides auf seine Art spannend und unterhaltsam.
    „Die Playmos“ waren und sind super für mich, weil ich neben der Chance mal etwas im Kinderbereich zu machen auch meinen eigenen Kids eine große Freude bereiten konnte. Und was die konkrete Arbeit angeht, da hat es sich gezeigt, dass, wenn ich an einer Stelle ins Stocken komme, bei der drei kleine Spielzeugfiguren gerade ein witziges Rätsel lösen müssen, es für mich sehr hilfreich ist, wenn ich kurz zu einem Thriller wechseln kann und dort jemand mit einem Wagenheber kurz mal den Kiefer ausrenke... schon kommen die fröhlichen, lustigen Einfälle wieder wie von alleine...;-) Nein, ernsthaft: Wenns nach mir geht, darfs ruhig bei der Spannweite bleiben, das macht mir Spaß und hat sich bewährt.


    8. Du hast es angesprochen, Du schreibst auch Romane. Welches Genre bedienst Du damit und worum geht es?


    Die Romane sind historische Krimis. „Der fliegende Mönch“, mein Erstling, erzählt von Kaspar Mohr, dem Prior eines Klosters, der neben seinen Klostergeschäften Erfinder ist und Flugmaschinen konstruiert – kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg! Diesen Mann hat es tatsächlich gegeben und ich habe ihm noch einen spannenden Kriminalfall und eine gefährliche Liebe zu einer wegen Hexerei gesuchten Frau angedichtet.
    „Wie ein Falke im Sturm“ spielt im Hochmittelalter und ein Kreuzzugsveteran, Ditho von Ravensburg, muss einen Mörder im Umfeld des kommenden Königs Friedrich Barbarossa fangen, bevor dieser Barbarossa umbringt. Dummerweise verliebt Ditho sich dabei in die Frau des künftigen Königs – auch das ist verbürgt – und begeht damit einen folgenschweren Fehler.
    Die historischen Romane zu schreiben, macht wahnsinnig viel Arbeit und wahnsinnig viel Spaß – die Kostenschere, die man bei Drehbüchern und manchmal auch bei Hörspielen im Kopf hat, entfällt hier komplett, hier gibt’s auch keine Ausreden nach dem Motto: „Der Regisseur hats versaut“ oder „Die Schauspieler habens nicht gebracht!“ Beim Roman stehst du mit deiner Arbeit an vorderster Front und trägst die alleinige Verantwortung und das ist natürlich tierisch spannend – ganz abgesehen von der anderen Arbeitsweise und der langen Strecke, die man hier im vergleich zum Hörspiel und auch im Drehbuch, geht.


    9. Kannst Du dir eine Fortsetzung von „Mitschnitt“ vorstellen?


    Vorstellen kann ich mir so einiges, aber ob das dann auch eintritt ist die Frage. Ich glaube das Etikett „Mitschnitt“ wird bei egal welchem Label oder Verlag nicht besonders populär sein - und das ganz allein wegen der Verkaufszahlen. Und da darf man dann auch nicht beleidigt sein – das sind schließlich vernünftige Leute, die ihren Laden am Laufen halten müssen und die sind mir allemal lieber als deren Kollegen, die unrealistisch kalkulieren und produzieren – die gibt’s nämlich in der Regel dann nicht mehr lange am Markt und schwächen die Branche eher, als dass sie weiterhelfen. Klar könnte man bei „Mitschnitt“ auch ne lange Diskussion über den damaligen Verkaufspreis der einzelnen CD führen – aber auch das ist eine kaufmännische Entscheidung und ich bin ganz froh, dass ich die in meinem Job nicht treffen muss.
    ABER, großes ABER – ich glaube, dass die Machart von „Mitschnitt“ zwar nicht revolutionär, mindestens aber in der Form ungehört und spannend war und dass diese Art von Echtzeithörspiel die Leute genauso faszinieren kann, wie „24“ das im Fernsehbereich gemacht hat. Und insofern gibt’s vielleicht keine Fortsetzung von „Mitschnitt“, aber das Format oder die Erzählform bleiben uns sicher erhalten. Und da bin ich gerne jederzeit wieder mit dabei...


    10. Wird es mit „Darkside Park“ in irgendeiner Form weitergehen?


    Das muss man Ivar Leon Menger fragen. Das Mastermind hinter dem „Darkside Park“ sitzt bestimmt schon in seiner düsteren Burgruine im Wald und ersinnt neue, spannende Hörspielwelten für uns alle. Ich würde mich über eine Fortsetzung freuen, kann aber auch verstehen, wenn Ivar entscheidet, dass die Geschichte auserzählt ist und neue Projekte mehr Berechtigung haben. Und wenn es weiter geht: Ivar, du weißt, wie mein Telefon heißt...


    11. Stecken noch weitere Folgen „MindNapping“ in dir?


    Lass mich kurz nachschauen... Ähh.. ja! Da steckt noch eine! Brrr, die sieht aber echt krank aus, mein lieber Scholli, wo kommt die denn her? Also von mir ist die nicht.... oder doch? O.k., Mist. Ich gebs ja zu. Aber das viele Blut ist nicht von mir... das war vorher noch nicht da! Das hat der Typ mit der Axt da gelassen, ich schwörs! Echt jetzt!


    Ich bedanke mich für das Interview!


    Danke auch! War mir ein Vergnügen!

  • Mein Gott! Ich hab mich schier kaputt gelacht! :D :D :D Das ist Simon X. Rost.