Inhalt:
Justus, Peter und Bob werden nach "einer harten Arbeit" mal wieder "zufällig" Zeuge eines Verbrechens. Sie sehen, wie ihr Chauffeur Morton einen Dieb verfolgt, der es offensichtlich auf einen Spiegel der alten Mrs. Darnley abgesehen hatte. Der Dieb entwischt, aber die Ereignisse nehmen ihren Lauf.
Erst erzählt Mrs. Darnley die Geschichte ihres geheimnisumwitterten Spiegels, dann taucht ein gewisser Senor Santora auf, der ganz erpicht auf den Erwerb eben jenes Spiegels ist.
In einer stürmischen Gewitternacht geschieht dann das Unfassbare: Scheinbar erscheint der Geist des Vorbesitzers im Spiegel - und kurz darauf wird Mrs. Darnleys Enkel Jeff entführt.
Die Story:
Der "Zauberspiegel" ist für mich eine typische ???-Folge der ersten Stunde - kurz (weil für die damals übliche Kassettenlänge konzipiert) und doch mit Längen und bei Licht besehen voller Schwächen, aber dann doch wieder sehr kurzweilig.
Wieder einmal lässt sich ein (vermeintlicher) Gauner einen eigentlich viel zu aufwendigen Plan einfallen, um an sein eigentlich völlig banales Ziel zu gelangen.
Dann wird ein Kind entführt und die Großmutter bleibt die Ruhe selbst und vertraut voll und ganz einem 13-jährigen Juniordetektiv. Und das entführte Kind zeigt, kaum befreit, nicht die geringste Spur von Schock.
Der tatsächliche Gauner schlägt den vermeintlichen Gauner zusammen, aber das Opfer wählt nicht den nahe liegensten Weg und zeigt den Täter an. Und alles, was Freund Peter dazu sagt, ist ein lapidares "Ich war in der Nähe, konnte aber nicht eingreifen".
Ja, alles in allem ist an dieser Geschichte schon einiges sehr merkwürdig ...
Trotzdem: Eine eigenwillige alte Dame mit einer Marotte für Rokoko-Kleidung und dem Spleen, Spiegel zu sammeln. Ein altes Haus mit Geheimgängen. Gewitter. Die Sage von Chiavos Fluch. Politische Intrigen in einem unbekannten Land, und am Ende eine Kindesentführung, bei der Justus' Kombinations- und Improvisationsgabe voll gefordert sind - ein Fest!
Die Sprecher:
Reißen's raus und reißen's rein.
Zunächst mal merkt man Oliver, Jens und Andreas bei genauerem Hinhören schon recht deutlich an, dass sie noch nicht die heutige Routine haben. Besonders bei Andreas klingt es streckenweise noch sehr abgelesen.
Hinzu kommen die falsch (wahlweise italienisch oder französisch) ausgesprochenen spanischen Namen.
Aber es gibt ja noch die wundervolle Gisela Trowe als Mrs. Darnley und Jürgen Thormann als Spanierrrrrr Senorrrrr Santorrrrrra, Karl-Heinz Gerdesmann als Gomez und Harald Pages als Brotverkäufer.
Auch die beiden Kinder Mike Henning und Marlen Krause machen ihre Sache mehr als gut, und garniert wird das Ganze mit den beliebten Sidekicks Andreas von der Meden als Morton und Hans Meinhardt als Onkel Titus, die beide nicht viel Text haben, ihre Rollen aber absolut professionell sprechen und in keiner Weise überkompensieren.
Musik und Effekte:
Der "Zauberspiegel" ist eine atmosphärisch sehr dichte Folge, was auch und vor allem an der Glanzleistung von Gisela Trowe liegt.
Sie schafft es, die eigenwillige, distinguierte alte Dame so überzeugend und mit so viel Charme zu sprechen, dass man sie regelrecht vor sich sieht. Wenn Gisela Trowe die Drei ??? durch ihre Villa volle Spiegel führt, geht man mit. Man erschreckt sich mit ihr, wenn der Blitz einschlägt. Man glaubt ihr aufs Wort, dass sie glaubt, alle Spiegel seien verhext. Man hält den Atem an, wenn sie von Chiavos Fluch erzählt und man bekommt eine Gänsehaut, wenn sie haucht: "Und da sah ich dieses Gesicht, diese entsetzliche Fratze!"
Hinzu kommen dann noch solche Schmankerl wie die lapidaren Sprüche "Ich habe mehr Geld, als ich in meinem Leben ausgeben kann" oder "Ihr Mann hat sie nicht besonders gut behandelt, aber jetzt ist er ja tot".
Grandios, genial, ganz großer Sport ist das!
Was die Musik angeht, muss ich mich leider wiederholen:
Die Geschichte vom "Zauberspiegel" ist im Grunde genommen eher dünn und sie braucht daher gute, zur Situation passende Musik. Insofern leidet der "Zauberspiegel" ganz massiv unter der Neuabmischung und unter dem Verlust der Bohnschen Werke.
Nicht hilfreich ist auch, dass die ohnehin schon kurze Folge in der Neufassung scheinbar um den einen oder anderen Satz gekürzt worden ist und dass man in der Neufassung jetzt das Kichern des Spiegelgespensts hört. Die alte Fassung kam völlig ohne aus.
Die Effekte (Gewitter) sind okay, aber leider wurden auch in diese Folge wieder einige neue Effekte hineingemischt, die wohl dramatisch wirken, Spannung erzeugen oder kurz erschrecken sollen, de facto der Geschichte aber nur ihre Subtilität nehmen.
Fazit:
Wenn ich oben geschrieben habe, die Folge sei ein Fest, dann muss ich an dieser Stelle wohl präzisieren: Sie ist ein Fest für Kinder.
Denn der "Zauberspiegel" hat etliche logische Schwächen und lebt vornehmlich von seiner Atmosphäre.
Die Missetaten des Ex-Präsidenten von Ruffino und seines Schergen Gomez und auch die seines Gegenspielers Garcia nehmen sich gemessen an der Realität tatsächlicher politischer Intrigen eher niedlich aus; Peters Empörung darüber ("So eine Bauernfängerei!") wirkt heute eher unfreiwillig komisch; ebenso mancher Spruch der guten Mrs. Darnley.
Aber irgendwie stimmen die Zutaten, irgendwie stimmt die Mischung. Der "Zauberspiegel" bietet gute Figuren und gute Sprecher, ein bisschen Mystery, ein bisschen Grusel, ein bisschen was zum Mitraten und zum krönenden Abschluss dann auch noch einen sehr gelungenen Wettlauf gegen die Zeit - Herz, was willst Du mehr?
In diesem Sinne gibt es von mir für den Zauberspiegel eine 2.