Gruselkabinett Nr. 42 - Der Sandmann

  • „Der Sandmann“ ist wahrlich oft vertont worden. Dementsprechend war ich überrascht, wie frisch Titania Mediens Produktion daherkommt. Dies liegt zum einen an der tollen Erzählart. Gleich zu Beginn wird der Hörer so schnell ins Geschehen geworfen, wie bei keiner anderen Vertonung die ich zuvor hörte.
    Übrigens: Der Erzähler ist auch eine Rolle und er spricht den Hörer direkt an. Die Briefe hat Lothar dem Erzähler überlassen und werden von ihren Verfassern vorgetragen und gehen fließend ins Hörspiel über.


    Hasso Zorn ist (wie gewohnt) ein toller Erzähler. Doch anfangs berichtet Nathanael, gesprochen von Marius Clarén, von dem tragischem Tod seines Vaters und übernimmt daher lange (und sehr überzeugend) den Part des Erzählers. Besonders gut hat mir Claréns Darstellung des betrunkenen Nathanaels gefallen.
    Tanya Kahana hat eine wunderbare Stimme und spricht die Clara. Ihr Vortrag des Briefes an Nathanael ist sehr lebendig. Wesentlich lebendiger als Clarén seine Briefe bisweilen vorliest.
    Olimpia's „Ach!“, ausgerufen von Polonca Olszak, klingt völlig anders als ich es mir vorgestellt habe. Positiv fällt die stets andere Betonung auf.
    Sigmund und Lothar werden hervorragend von den tollen Stimmen Marcel Collé und Robin Kahnmeyer gesprochen.


    Die Geräusch- und Musikkulisse ist einmal mehr bestens gelungen. Besonders beeindruckt hat mich die akustische Umsetzung Nathanaels freien Falls.


    Fazit
    Die Übergänge zwischen Briefvorträgen und Hörspiel sind fließend. Diese Umsetzung ist nah am Original und unglaublich lebendig und erquickend. Viele junge frische Stimmen sorgen dafür, dass bereits gehörte Umsetzungen von „Der Sandmann“ keineswegs störend wirken. Eine weitere großartige Umsetzung des Stoffes.


    Maritims Umsetzung von 2004 u.a. mit Udo Schenk fand ich mit 15 sehr unheimlich. Rückblickend ist Maritims Umsetzung wesentlich plakativer mit der schwarz-weiß Malerei. Die Produktion von Titania Medien weist hingegen viele Nuancen auf, wirkt lebendiger und realistischer. Einziger Nachteil ist der plakative Horror, der fehlt. Hier wird also „nur“ gegruselt.

  • Heisst ja auch Gruselkabinett und nicht Plakathorror, wurde da nicht auch mal ein anderes Cover gepostet. Das erste Cover fand ich super.


    Geschmackssache, ich fand das erste richtig schlecht.


    Und die Sache mit dem Titel "Gruselkabinett" wurde ja schon oft genug durchgekaut, aber diesmal verstehe ich die Kritik nicht wirklich. Wenn wenigstens Grusel drin ist, dann ist es doch okay, Ziel erreicht, Horror muss es nun wirklich nicht sein, falsche Reihe erwischt.

  • Nathanael (Marius Clarén) wurde in jungen Jahren der Vater (Norbert Langer) genommen, durch eine Person, die für ihn immer der "Sandmann" (Roland Hemmo) war. Doch wer ist der Mann? Jahre später, Nathanael ist ein junger Mann, begegnet er ihm wieder, doch nun nennt er sich Coppelius. Was hat es mit ihm auf sich? In welcher Verbindung steht er zu Professor Spalanzani (Wilfried Herbst) und dessen Tochter Olimpia (Polonca Olszak), in die sich Nathanael unsterblich verliebt hat?


    - Meinung -


    Der Schauerklassiker aus E.T.A. Hoffmanns Feder als Teil des Gruselkabinetts und da macht sich dieses Werk ziemlich gut. Zwar kommt diese Folge erst langsam in die Gänge und wirkt anfänglich sogar eher wie eine inszenierte Lesung, doch im weiteren Verlauf legt sich dieser Eindruck und es ist ein waschechtes Hörspiel, das mit bizarren, surrealen und dezent gruseligen Momenten zu überzeugen weiß. Die Spielzeit von ca. 69 Minuten geht auch in Ordnung, Längen entstehen jedenfalls keine, auch wenn der Anfang relativ ruhig inszeniert ist und der Aufbau sich seine Zeit nimmt, doch dafür entschädigt der weitere Verlauf absolut und man bekommt ein spannende Handlung geboten, die ein eingewilliges Finale zu bieten hat.


    Die Riege ist wie immer richtig stark, die Leistungen sind es ebenfalls, so kennt man das auch von den Produktionen von Titania Medien. Allen voran Marius Clarén trumpft hier ganz groß auf und das liegt nicht nur daran, dass er auch den meisten Text hat und er somit mehr Chancen zum Glänzen hat, sondern dass seine Performance auch wirklich intensiv und mitreißend ist und er unglaublich facettenreich zu Werke geht, eine tolle Vorstellung. Doch auch seine Kolleginnen und Kollegen überzeugen auf ganzer Linie, Cornelia Meinhardt, Christel Merian, Tanya Kahana, Wilfried Herbst, Roland Hemmo, Norbert Langer und einige mehr, hier wird auf höchstem Niveau gearbeitet.
    Immer wieder kommen düstere Atmos zum Zuge, die für dezente Gruselstimmung sorgen und die ganze Angelegenheit wirkt wie ein surrealer und bizarrer Traum und die Szenen, in denen Nathanael durch seine Gläster schaut, werden besonders gut inszeniert und unterlegt. Auch in der Hinsicht überzeugt die Produktion voll und ganz.


    Grusel der eher dezenten Natur, aber diese Geschichte gehört einfach in diese Reihe und kann von meiner Seite aus absolut empfohlen werden. Eine in jeder Hinsicht gelungene Vertonung von E.T.A. Hoffmanns Klassiker!


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  • Technisch und athmosphärisch wieder sehr gelungen, aber die Geschichte....Ich kannte den Sandmann nicht und das kann man wohl als Bildungslücke bezeichnen, aber in meinen Augen passt da einiges nicht zusammen...Der erste Handlungsstrang - der seltsame Hausgast und wie man ihn nach Jahren wiedertrifft - passt gar nicht auf die Automaten-Geschichte, ich versteh nicht, was das soll. Da werden Sachen zusammengewürfelt, ohne tieferen Sinn (für mich). Für mich auch nicht wirklich erklärt wird die Intention des Bösewichts und warum er unter einem anderen Namen dem Protagonisten nachstellt.... Irgendwie alles komisch. Aber ich fand auch den Glöckner von Notre Dame ziemlich zusammengewürfelt (Hauptsache, genug Figuren und die hängen irgendwie zusammen) nicht besonders- von daher...

  • Ich habe das Buch dieses Schuljahr mit meinem Deutsch-Grundkurs gelesen und wir kamen mehr oder weniger zu dem Schluss, dass das Buch extra so ungewiss verfasst worden ist. Es ist also durchaus die Intention von E.T.A. Hoffmann, den Leser im Ungewissen zu lassen und seinen Interpretationswillen zu wecken. Die von dir benannten Fragen sind also allzu verständlich ;)

  • ja, es wirkt auch schon ein wenig wie Literatur, wie man sie im Deutschunterricht lesen würde (aber vermutlich habe ich da nur die spontane Namens-Assoziation zu "Nathan der Weise"...).


    Die Interpretation auf Wikipedia zeigt mir auch, dass dem Schreiber dort nichts dazu einfällt.

  • ja, es wirkt auch schon ein wenig wie Literatur, wie man sie im Deutschunterricht lesen würde (aber vermutlich habe ich da nur die spontane Namens-Assoziation zu "Nathan der Weise"...).


    Dass das ganze eine recht beliebte Lektüre im Deutsch-Unterricht ist, kann ich ebenso bestätigen.
    Mir hat das Werk seinerzeit und auch in der Titania-Fassung sehr gut gefallen. Dass einige Aspekte offen gelassen werden, empfinde ich eher als reizvoll denn störend. Imho ist es jedenfalls nicht so, dass man dem ganzen keinen schlüssigen Sinn geben könnte.
    Vielleicht einfach nochmals anhören. Manchmal stößt man ja dann plötzlich auf Details, die einem vorher so gar nicht bewusst geworden sind. :)


    Zitat


    Die Interpretation auf Wikipedia zeigt mir auch, dass dem Schreiber dort nichts dazu einfällt.


    Vorsicht: Wikipedia besteht nicht aus einem(!) Schreiber. Das was bei Wikipedia zum Sandmann zu finden ist, dürfte wohl sowas wie der kleinste gemeinsame Nenner sein, was die Interpretation des Werkes betrifft. Insofern halte ich diesen Vorwurf für etwas unglücklich.

  • Ich meinte ja nur den kleinen Abschnitt im Sandmann-Artikel unter der Überschrift "Interpretation"... Aber ich werde jetzt nicht anfangen, nach weiteren Deutungen zu suchen- denn das erinnert mich doch ZU sehr an den Deutschunterricht... (ich weiß nicht, wie ichs damals geschafft habe - aber obwohl es offiziell Unterrichtsgegenstand war - habe ich nie FAUST gelesen...)