Stieg Larsson - Verblendung - Das Hörspiel (WDR / Random House Audio)

  • So, der erste Teil ist gelaufen und ich bin immer noch begeistert. Erstmal vorneweg: ich kenne weder das Buch, noch den Film und hatte eigentlich auch wenig Interesse an dem Stoff, doch die Aussicht auf ein opulent gemachtes Krimihörspiel mit Starbesetzung hat mich dann gestern Abend doch vor den Empfänger getrieben. Und Tatsache: Die Inszenierung hat mich von Anfang an gepackt, kein überzogenes "Kuckma wie geil wir sind und was wir alles können"-Gepose im Stil von G.A.S. oder Otherland (wobei das natürlich ein schlechtes Beispiel ist, aber mir fiel das gerade ein), sondern Atmosphäre, so dicht, dass kein gestempeltes Blatt Papier mehr dazwischen passt.
    Die Kriminalhandlung lässt sich dabei eher schleppend an, so richtig ermittelt wird eigentlich noch gar nicht. Macht aber nichts, denn man bekommt in den ersten 55 Minuten vor allem Hintergrundinfos über die Protagonisten geliefert und die sind schon spannend genug.
    Abgeschreckt hat mich die reichlioch explizite Darstellung von sexueller Gewalt, allerdings muss ich zugeben, dass es nur konsequent ist, diese im Hörspiel nicht auszusparen, wenn sie denn im Roman eine wichtige Rolle spielt - was sich dann in den weiteren Teilen heraus stellen dürfte. Die betreffenden Stellen waren jedenfalls eine echte Herausforderung für mich, ich hatte den Finger mehr als einmal in Nähe des Aus-Knopfes... Das nur als Warnug an alle zarter Besaiteten Hörwilligen.
    Sprechertechnisch werden erwartungsgemäß alle Register gezogen, lediglich auf den ollen Kerzel hätte man wegen mir gerne verzichten können. :rolleyes:

  • Gerade über Kerzel hab ich mich mächtig gefreut...da ich kaum Non-Radio-Sachen höre, kommt der mir eher selten ans Ohr...


    Und ja, es ist schon stellenweise recht heftig...aber das ist der Vorlage geschuldet!

    Ich höre Kerzel auch in anderen Hörspielen eher selten, ich hab ihn einfach als "König der Kinotrailer" mächtig über. Und da er in dem HSP ja nur das Intro spricht... naja - schlimm ist es ja auch wieder nicht. ;)


    Und dass es an der Volrkage liegt, hatte ich schon gedacht, danke, dass Du das bestätigen kannst. Unter dem Gesichtspunkt finde ich es auch wirklich ehrlicher, das Hörspiel genau so reißerisch anzulegen. Man hätte das ja auch im Sinne des "öffentlichen Interesses" entschärfen können.



    pops : Da feuerst du ja meine Befürchtungen an, ich fand den ersten Teil ja (s.o.) schon etwas behäbig, was als Expositionsfolge aber durchaus noch ok war. Ich hatte gehofft, die Spannung wird später noch etwas angezogen. Naja, am Donnerstag weiß ich mehr. :)

  • Ne, Donnerstag ist noch alles in Ordnung, der letzte Teil hängt mE ein bisschen durch, weil der Hauptplot zu früh zu Ende ist


    Nachdem er zu spät angefangen hat...? Hmm, mal sehen, ob die Atmo das raushaut.
    Wenn ich es richtig verstanden habe, fandest du die Inszenierung zu glatt - oder die Bearbeitung? Würde mich interessieren...

  • ...das ist glaub ich in letzter Zeit oft bei den Dingern, von denen man so viel erwartet...sie sind dann schon gut...aber es fehlt der eine grosse Wurf, der auch in 5 Jahren noch als Wegweisend gilt...den man beim ersten Hören schon als Klassiker festmachen kann, weil einfach alles stimmt...


    Ähnlich ja beim Säulen der Erde Nachfolger...hohes Niveau eigentlich...aber kein Oberknaller...nur zu hohe Erwartungen oder wirklich keine grossen Würfe...

  • So, jetzt sind alle drei Teile gelaufen.


    Der zweite teil war definitiv der beste, hier wurde zusätzlich zur tolle Atmosphäre auch solide Handlung geliefert: Ermittlungen, Erkenntnisse, abgefahrene Figuren und mit der ganz groben Kelle skandinavischer Nihilismus, wie man ihn von Wallander, Indridason und wie sie alle heißen, schon ganz gut kennt und entweder mag oder nicht mag. genau wie pops schon geschrieben hat:

    Die Story und die Charaktere waren mir zu typisch. Ich hatte den Eindruck vieles davon schon gehört zu haben.


    Wie gesagt, das ist alles nicht schlecht und kriegt auch ein "gut" von mir, ich hätte allerdings ein "supergut" erwartet.

    Allerdings hatte ich eigentlich gar nichts erwartet, für mich war das Buch eben son Bestseller und da erwarte ich selten mehr als Konsalik in Grün. Von daher fand ichs schon gut, in etwa auf dem Niveau eines Joh LeCarre oder Eric Ambler.



    Was den dritten Teil angeht, muss ich mich ebenfalls popsens Urteil anschließen:

    [...] der letzte Teil hängt mE ein bisschen durch, weil der Hauptplot zu früh zu Ende ist

    Genau genommen endet der Hauptplot schon gefühlte drei Minuten nach beginn des letzten Teils, wenn aus dem verdacht, wer der wahnsinnige Serienmörder sein könnte, Gewissheit wird. Alles, was danach kommt, kann sich mit der vorher aufgebauten Spannung nicht mehr messen.
    Das hätte man für die Hörfassung vielleicht besser lösen können. Genau genommen frage ich mich, ob ein stramer Zweiteiler der Sache nicht angenessener gewesen wäre. Dazu müsste man wissen, ob die Handlung des Nebenplots, der ja einen großen Teil der letzten Folge einnimt, für die beiden Nachfolgeromane von Bedeutung ist, und ob der WDR vorhat, die auch zu vertonen.
    Generell war Teil drei auch alles andere als unspannend, wirkte aber recht ziellos, zudem überwog der Erzähleranteil hier so radikal, dass man schon mal ins Grübeln kam.
    Wenn man die drei Bücher nicht kennt, hinterlässt das Ganze jedenfalls einen etwas faden Beigschmack und wirft Fragen auf, die hier nicht beantwortet werden.

  • Henrik Vanger (Jürgen Hentsch) ist ein einflussreicher Industrieller, der ein Problem hat und um Hilfe bittet. Dieses Problem hat er aber nun schon seit 43 Jahren, denn er bekommt immer wieder eine gepresste, gerahmte Blüte zugeschickt und zwar so eine, wie er sie damals von seiner Lieblingsnichte Harriet geschenkt bekommen hat, doch diese ist seit dieser Zeit verschwunden. Wie kann das sein? Lebt sie etwa noch? Das ungleiche Gespann bestehend aus dem Journalisten Mikael Blomkvist (Sylvester Groth) und der jungen Ermittlerin Lisbeth Salander (Anna Thalbach) nehmen sich der Sache an und stoßen dabei auf schreckliche Dinge in der Familiengeschichte der Vangers.


    - Meinung -


    Nun macht man sich beim WDR auch daran, Stieg Larssons Trilogie auch in Hörspielform zu präsentieren, Random House Audio serviert den Auftakt auf CD für den Handel. Regiemeister Walter Adler hat sich den ersten Teil zur Brust genommen und recht stark gekürzt, gerade mal 3 CDs mit einer Gesamtspielzeit von um die 3 Stunden werden geboten. Kürzen musste man auf jeden Fall, sonst hätte das Hörspiel nicht funktioniert, doch für meinen Geschmack wurde hier schon fast zuviel gekürzt. Damit meine ich gar nicht mal inhaltliche Punkte, denn von der Story her ist alles drin, was von Relevanz ist, sondern eher das Tempo, das hier durch zahlreiche Kürzungen und Schnitte erzeugt wird. Ich habe mich schon ein wenig überfahren gefühlt, denn hier gibt es blitzschnelle Szenenwechsel und turbulente Momente, auf die man sich gefasst machen sollte. War mir die Lesung stellenweise zu träge und es wurde eine nahezu aufgeblasene Breite präsentiert, so geht es hier eher zu flott und hektisch zu, da hätte ich mir schon mehr Ausgewogenheit gewünscht. Ansonsten muss ich sagen, dass mir die Hörspieladaption besser als die Lesung gefallen hat, da es hier nicht so in die Breite geht, weniger Längen, mehr Tempo, wenn auch zuviel davon, alles in allem einfach kurzweiliger und packender. Ein sehr komplexer Krimi rund um die Familie Vanger mit ungewöhnlichen Charakteren, die ebenfalls dazu beitragen, dass hier gute Krimiunterhaltung geboten wird und der Auftakt kann sich in der Hinsicht schon mal hören lassen.


    Walter Adler hat wirklich eine extrem prominente Riege ins Studio geholt und wenn ein Joachim Kerzel nur mal kurz die Ansage macht, dann weiß man was Sache ist. Mit Ulrich Matthes ist ein bekannter und routinierter Erzähler am Start, der ganz souverän durch die Handlung führt, wobei ich mir ehrlich gesagt häufigere Einsätze gewünscht hätte, da so vielleicht etwas Hektik aus dem Hörspiel genommen worden wäre. Die Hauptrollen werden erstklassig von Anna Thalbach und Sylvester Groth gesprochen, ein tolles Duo, deren Arbeit ich auch im Einzelnen absolut schätze. Die beiden liefern hier wirklich starke Performances ab und hinterlassen richtig gute Eindrücke, Groth ist der besonnenere der beiden, Anna Thalbach kommt als Lisbeth Salander dagegen schön rotzig rüber und gemeinsam trumpfen die beiden richtig groß auf. Doch nicht nur die beiden können beweisen, was sie auf dem Kasten haben, denn es mischen hier noch sehr viele weitere Könner mit. Friedhelm Ptok, Felix von Manteuffel, Peter Groeger, Wolfgang Condrus, Horst Mendroch, Vadim Glowna, Ingrid Andree, Gerald Paradies, Florian Halm, Matti Klemm, Rita Engelmann, Michael Iwannek und viele, viele weitere, wenn Walter Adler am Ruder ist, dann wird geklotzt und nicht gekleckert!


    Pierre Oser konnte für die Untermalung gewonnen werden und er hat die doch eher düstere und bedrückende Story in den passenden akustischen Mantel gehüllt, denn fröhlich klingt anders. Der dunkle Touch der Geschichte wird nochmal gekonnt unterstrichen und es zahlt sich aus, dass die Musiken extra für diese Produktion komponiert worden sind, denn sie fügen sich wirklich perfekt ein und sorgen für die Atmosphäre.


    Der Auftakt ist in Hörspielform geglückt, auch wenn ich mir persönlich etwas weniger Tempo und klarere Schnitte gewünscht hätte. Dennoch gehört diese Produktion mit zu den besseren Krimis der Neuzeit und von der Machart her ist dieses Hörspiel schon ziemlich beeindruckend, ein echter Walter Adler halt. Wer noch nicht genug von Stieg Larssons Werken hat, der kann auch hier zugreifen, viel kann man da nicht falsch machen!


    [amazon]3837103595[/amazon]

  • Krass. Dein Eindruck ist ja in weiten Teilen das genaue Gegenteil von meinem:
    - Dir ist das tempo zu hoch, ich fand es eher behäbig (zumindest in Teil 1 & 3)
    - Du wünschst dir mehr Erzählertext, ich fand vor allem im letzten Teil war viel zu viel Erzähler
    So unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein. => Ich bin gespannt, wie die Sache funktioniert, wenn man alle drei Teile am Stück hört.


    Was Stimmung und vor allem Musik angeht (letztere hatte ich noch gar nicht angesprochen) sind wir aber auf einer Wellenlänge. :)

  • So unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein. => Ich bin gespannt, wie die Sache funktioniert, wenn man alle drei Teile am Stück hört.


    So wie bei mir? Ich habe es ja am Stück gehört. :D


    Vielleicht fand ich es auch zu gehetzt, weil ich das Hörbuch gehört habe. Mach das auch mal, dann weißt Du, was behäbig ist! ;)


  • So wie bei mir? Ich habe es ja am Stück gehört. :D


    Eben, ich aber nicht. Ich habe quasi laut darüber nachgedacht, ob das einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung hat. ich habe ja jeweisl eine Woche auf die Fortsetzung gewartet, nach jeder Folge reflektiert und mir Gedanken darüber gemacht, wie es wohl weitergeht. Das geht natürlich nicht, wenn man es am Stück durchhört.

  • Hier nochmals eine ganz andere Form der Wahrnehmung:


    http://www.hoerspiel3.de/folgen.php?id=4023


    Es ist noch nicht allzu lange her, dass die Verfilmung des Thrillers "Verblendung" in den Lichtspielhäusern aufgeführt wurde. Inzwischen ist bereits der zweite Teil der sogenannten Millenium-Trilogie dort angelaufen.


    Ob sich Random House Audio deswegen oder bereits früher entschieden hat, die Hörspiel-Vertonung auf CD zu veröffentlichen, ist mir nicht bekannt. Spielt letztlich aber auch keine Rolle. Denn es ist so oder so erfreulich, dass man als Käufer nun die Möglichkeit hat, auf diese Variante zurückzugreifen.


    Mikael Blomkvist gilt als einer der besten und unbestehlichsten Enthüllungsjournalisten Schwedens und arbeitet für die Zeitschrift Millenium. Im Moment allerdings sieht er sich einer Anklage wegen Rufmords und des Erhebens falscher Anschuldigungen in der Öffentlichkeit ausgesetzt und wird schließlich sogar verurteilt.
    Noch während des laufenden Verfahrens erhält er einen Anruf von einem ihm unbekannten Mann, der ihn um Hilfe bittet. Mikael hört sich das eigenwillige Angebot, welches ihm Henrik Vanger unterbreitet, in Ruhe an. Und willigt schließlich nicht nur rein aus journalistischer Neugier ein, das Rätsel um die vor über vierzig Jahren verschwundene Henriette Vanger neu aufzurollen.
    Dabei erhält er unerwartete Hilfe von einer jungen Hackerin namens Lisbet Salander.


    Die Geschichte, welche Stieg Larson hier zu erzählen weiß, ist verdammt stark und hält sich auch mit unschönen Details nicht gerade zurück. Als jemand, der die Kinofilmfassung vor dem Hörspiel konsumiert hat, will ich an dieser Stelle nicht nur eine reine Betrachtung der Hörspielfassung vornehmen, sondern beide Umsetzungen ein wenig gegenüberstellen.


    Mit Kenntnis der Geschichte fällt es einem hier trotz der hohen Personen- und Namensdichte in den ersten Minuten nicht schwer den Überblick zu behalten. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sich ohne dieses Vorwissen doch gewisse Probleme ergeben könnten. Auch wenn die Stimmen der wichtigsten Figuren prägnant genug ausgefallen sind, um nicht verwechselt zu werden, bleibt noch immer die schnell geschilderte Abfolge von gleich mehreren Handlungssträngen mit ihren jeweils ganz eigenen Schwerpunkten. Hier hat die Vorgehensweise des Kinofilms eindeutig die Nase vorn. Obgleich man sich dort ebenfalls mit einem recht umfassenden und damit nicht ganz kurzweiligen Einstieg zurechtfinden muss, ist man zu späterer Zeit umso dankbarer für diesen von den Bildern (Fotos, etc.) gut unterstützten ersten Schritt hinein in eine verwinkelte Thriller-Geschichte.


    Das Hörspiel greift wie der Film auf den stetigen Wechsel zwischen den anfangs nur sehr losen verknüpften Ereignissen rund um Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist zurück. Die einzelnen Szenenübergänge sind hier ziemlich abrupt ausgefallen, so dass man bei den schnellen Sprüngen schon ziemlich aufpassen muss. Allerdings ist dies auch ein geeignetes Mittel Spannung zu schüren und zu steigern.


    Mag durch die Kenntnis des Lösung dieser Geschichte natürlich prinzipiell immer etwas an Spannung verloren gehen, so bleibt dennoch festzuhalten, dass die Spannungskurven und die Dynamik im Film deutlich überzeugender umgesetzt sind.
    Die Inszenierung des Hörspiels ist mir leider zu sanft, kann zu wenig Akzente auch in Punkto Atmosphäre setzen - gerade dies ein Punkt, wo der Film seine Stärken voll ausspielt (Kamerafahrten über Fotos, begleitet von eindrucksvoller Musik, und ähnliches).
    Hier vermag die Musik die Handlung zwar auch zu unterstützen, ist aber nicht von der gleichen Qualität und alles in allem zu unauffällig.
    Letztlich ist die Inszenierung zwar gewiss solide ausgefallen, allerdings hatte ich mir mehr versprochen. Und es wäre gewiss auch innerhalb dieses Mediums deutlich mehr möglich gewesen.


    Ungewöhnlich an dieser Geschichte ist vor allem das Abweichen von den typischen Strukturen, was den Aufbau hinsichtlich des Umfangs von Einleitung, Hauptteil und Schluss umfasst.


    Der Sprechercast ist sowohl umfangreich als auch vielfältig ausgefallen. Den umfassendsten Textpart bekommt allerdings Erzähler Ulrich Matthes zugewiesen, der diese Rolle eher sanft anlegt. Bisweilen fast schon etwas zu ruhig und unbeteiligt für diese schonungslose Geschichte.


    Fazit: Die Geschichte ist zweifellos stark - daran ändert das Medium der Umsetzung nichts. Der Film vermag das Hörspiel mit seiner zu biederen und zu wenig Akzente setzenden Inszenierung aber recht problemlos auszustechen.