Hörspiele mit oder ohne Erzähler?

  • Zitat

    Wenn es beispielsweise ein Roman oder ein Krimi nach dem klassischen Muster ist, wie er auch bei den drei Fragezeichen verwendet wird, dann hat man Erzählersequenzen und springt danach immer in einzelne Szenen der Buchvorlage. Das kann man ganz variabel halten oder auch neue Ausdrucksformen finden, zum Beispiel eine Mischung aus Hörspiel und Hörbuch. Das heißt, längere Erzählerpassagen und kürzere Hörspielpassagen. Es gibt auch die Möglichkeit, das ganze aus der Ich-Perspektive des erzählenden Hauptdarstellers zu gestalten. Sicherlich wird man für das Hörspiel immer einen Erzähler brauchen, um die Überleitungen zu ermöglichen, die der Film durch Bilder schaffen würde. Es gibt zwar auch Hörspiele ohne Erzähler, aber ich denke, dieses klassische Element wird immer notwendig sein. (Oliver Rohrbeck in einem Interview mit der Initiative Lesen)


    Wie denkt Ihr dazu? Meiner Meinung nach sind einige der stärksten Hörspielserien ohne Erzähler ausgekommen -- hier seien die Paul Temple-Hörspiele genannt, aber auch Peter Lundt und sogar Lady Bedfort.


    Dies sind aber die Minderzahl; fast alle kommerziellen Serien verwenden einen Erzähler. Seid Ihr der Meinung von OR (immerhin Synchronregisseur und Hörspiellegende), dass man auf ihn eigentlich i.d.R. nicht verzichten kann und sollte? Wann findet Ihr ihn erforderlich, wann nicht?

    Zoe: "Proximity alert. Must be coming up on something."
    Wash: (alarmed) "Oh my god. What can it be? We're all doomed! Who's flying this thing!?" (deadpan) "Oh right, that would be me. Back to work."

  • Du hast ja schon ein paar Beispiele dafür genannt, dass ein Hörspiel auch ohne Erzähler wunderbar funktionieren kann.
    Ein aktuelles möchte ich noch ergänzen: Dorian Hunter.


    Ein Hörspiel ganz ohne Erzähler hat seinen eigenen Reiz. Denn das stellt nochmals ganz andere Anforderungen an ein Skript. Und ich würde sogar soweit gehen, dass diese Ergebnisse oftmals deutlich überzeugender sind als Varianten mit Erzähler.
    Gibt aber natürlich auch Ausnahmen, bei denen das Skript entweder nicht gut genug ist, aber trotzdem auf den Erzähler verzichtet wird, mit dem Ergebnis, dass alles nur mehr schwer nachvollziehbar wird, der man es mit Situationen zu tun bekommt, in welcher der Verzicht auf den Erzähler alles eigentlich nur umständlich macht. Insbesondere Situationen, in denen eine Person allein agiert - Selbstgespräche wirken noch viel schlimmer. Da ist es besser, wenn die jeweilige Figur in die Erzählerrolle wechselt oder eben ein neutraler übernimmt.


    Es gibt ja nun einige Negativbeispiele für den über- bis omnipräsenten Einsatz von Erzählern, die jegliche Dramaturgie ausbremsen. Wenn ich ein Hörspiel einlege, möchte ich eigentlich auch ein Hörspiel und keine Lesung. Gewiss gibts auch dazu wieder Ausnahmen, in denen z.B. eine Person mehr spielt als es zwei andere jemals zustande bringen würden. Aber das ist dann für mich auch nicht die typische Erzählerrolle.


    Ein Erzähler gut dosiert eingesetzt, kann eine Bereicherung sein und vieles einfacher machen. Für mich ist er aber keineswegs unverzichtbar.

  • Es kommt definitiv darauf an, WIE ein Erzähler eingesetzt wird.


    Wird er gut eingesetzt, macht sein Einsatz Sinn, dann haben die Bearbeiter und Produzenten alles richtig gemacht.


    Pauschal zu sagen "Hörspiele kommen ohne Erzähler aus!" ist einfach nur Bullshit.


    Das WIE ist entscheidend.

  • Der Erzähler ist wirklich als einfaches Mittel der Umschreibung von Schauplätzen und gerafften Handlungssträngen kaum noch wegzudenken, denn wenn sowas von den Charakteren übernommen wird wirkt es meistens nur plump.
    Dabei gibt es mittlerweile richtige Glanzleistungen die mit Geräuschen und Atmo-Sounds/Musik ein Bild entstehen lassen können. Da ist viel Feingefühl gefragt und auch ne Menge Fleiß und viel Zeit von Nöten, damit das funktioniert. Außerdem sind ohen Erzähler auch höhere Anforderungen an das Script gestellt, damit vielleicht doch vorkommende beschreibende Sätze der Protagonisten wie "wow, blaues Licht" nicht nur sinnlos dahingesagt werden.


    Ein Erzähler distanziert auch immer irgendwo vom Geschehen, macht einen zum neutralen Beobachter. Also bei Geschichten die man miterleben will (Thriller, Horror etc.) könnte er eher stören als nützen.


    Außerdem sollte man den Einsatz eines Erzählers auch vom Genre abhängig machen - was wäre ein Märchen ohne?



    Mein Fazit: Mit Erzähler gehts eigentlich immer, ohne wird viel schwerer. Aber wenns klappt und entsprechend hart dran gearbeitet wird...wenn man versucht neue Wege zu gehen, dann hat mehr Potential was besonderes zu schaffen, das eher fasziniert und begeistert als die Variante mit Erzähler.

  • Stimmt dem zu, dass es darauf ankommt, wie das gemacht wird. Wenn man zum Beispiel Wallander 3 anhoert, bekommt man ein perfektes Beispiel, wie ein Erzaehler die Stimmung noch viel weiter anheitzt. Auf der anderen Seite kommt es darauf an. Manche Hoerspiele, bei denen vieles passiert, ohne dass die Haupthelden etwas davon wissen, ist mit Erzaehler einfacher.

  • Es kommt auf die Umsetzung an. Es geht ohne Erzähler, z.B. bei Dorian Hunter oder Lady Bedfort, allerdings gibt es auch genügend Hörspiele mit Erzähler, die sehr gut gelungen sind.


    Ich mag beide Varianten und wichtig ist einfach, dass der Hörer ohne Erzähler nicht den Überblick verliert und mit Erzähler nicht einschläft, weil es sich zu sehr zieht.

  • Das alles mal akzeptiert: bei welchen Beispielen haltet Ihr
    [list=1]
    [*]bei Hörspielen mit Erzähler ihn für besonders gut (oder besonders schlecht) eingesetzt;
    [*]bei Hörspielen ohne Erzähler die Informations"pflicht" durch die Figuren besonders gut (oder besonders schlecht) gelöst?
    [/list=1]

    Zoe: "Proximity alert. Must be coming up on something."
    Wash: (alarmed) "Oh my god. What can it be? We're all doomed! Who's flying this thing!?" (deadpan) "Oh right, that would be me. Back to work."

  • Zitat

    Original von Lindequister
    Das alles mal akzeptiert: bei welchen Beispielen haltet Ihr
    [list=1]
    [*]bei Hörspielen mit Erzähler ihn für besonders gut (oder besonders schlecht) eingesetzt;
    [*]bei Hörspielen ohne Erzähler die Informations"pflicht" durch die Figuren besonders gut (oder besonders schlecht) gelöst?
    [/list=1]


    Wallander ist eine der besten Umsetzungen eines Erzaehlers, das ich kenne. Andreas Froehlich ist ein zentraler Faktor der genialen Stimmung. Sven Stricker hat da Hoerkunst geschaffen und der Erzaehler ist da ein grosser Faktor.


    Wenn ich an Larry Brent denke, kann ich mir die Serie ohne die "Dueeseldorf, 13:58 Uhr Ortszeit" gar nicht vorstellen. :lolz:


    Mit eine der schlechtsten Umsetzungen eines Erzaehlers sind viele Produktionen vom MDR, z.B. Lord Peter. Da labert die bloede Erzaehlerin einfach immer dumm drauf los und unterbricht die Sprecher. Total nervig und man schreit schon fast foermlich den CD Spieler an: "Halt die Klappe!!!" :grins:

  • Clever fand ich das zum Beispiel bei den Animorphs, wo in jeder Folge jemand anderes der Hauptprotagonisten die Erzählerrolle aus der Ich-Perspektive übernimmt. Ganz aktuell fand ich den Erzähler bei DODO auch sehr gut eingesetzt. Zugegen, er gehört auch zur Geschichte dazu, ist also kein reiner Erzähler. In die selbe Richtung geht auch Andreas Fröhlich bei HUI BUH, der auch minimal mit dem Gespenst in Dialog tritt, ansonten aber zurückhaltend eingesetzt ist.


    Ohne Erzähler gut: zB Mitschnitt (geht ja auch nicht anders), Lady Bedfort
    Ohne Erzähler nicht so gut: Meteor Horror oder aktuell Malcolm Max

  • Zitat

    Original von blackmail82
    Clever fand ich das zum Beispiel bei den Animorphs, wo in jeder Folge jemand anderes der Hauptprotagonisten die Erzählerrolle aus der Ich-Perspektive übernimmt.


    Das war bei Tom & Locke ja auch so, das finde ich super gemacht. :)

  • Zitat

    Original von Captain Blitz


    Das war bei Tom & Locke ja auch so, das finde ich super gemacht. :)


    Tatsächlich finde ich ebenfalls, dass der Einsatz eines Erzählers abhängig von der Art und Weise ist, wie Autor und Regisseur was für eine Geschichte erzählen wollen. Drei Herren, die um einen Tisch sitzen, Skat spielen und nebenbei einen Krimi lösen, brauchen keinen Erzähler. Selbst Commander Perkins auf seinen Reisen zu fremden Sternen brauchte lange keinen Erzähler, auch wenn er dabei gelegentlich etwas unsoldatische Selbstgespräche führte. Andere, komplizierter angelegte Handlungen kommen ohne ordnende Stimme nur schlecht aus.
    Und soll ein Erzähler nur zur Illustrierung des nicht Sichtbaren und zur Zeitverknappung eingesetzt werden, oder bietet er sogar die Möglichkeit einer ironischen Brechung? (Pasetti wurde bei den „Drei ???“ z.B. oft so eingesetzt.) Die Chandler-Hörspiele von Hermann Naber wären ohne die (oft ziemlich ausführlichen) Erzählerpassagen nicht vorstellbar; viel von Chandlers Prosa würde verloren gehen (und schließlich war Chandler selbst ebenfalls viel mehr an der Sprache als am Plot interessiert). Desgleichen z.B. die Wolf-Haas-Krimis von Götz Fritsch, wo der Erzähler nicht nur die Handlung sondern in erster Linie das Innenleben des Protagonisten Brenner beschreibt (und sowieso den besten und lustigsten Text von allen hat).
    Ich persönlich finde oft Hörspiele gut, die mehrere Erzähler einsetzen und so mehrere Blickwinkel auf eine Szene oder Situation bieten (neben den „Sinclair“-Hörspielen z.B. viele Adaptionen von Sven Stricker („Dracula“, „Pompeji“, „Robinson Crusoe“)). In anderen Fällen mit mehreren nebeneinanderlaufenden Handlungssträngen stellen verschiedene Erzähler sogar manchmal die einzige Möglichkeit dar, nicht den Faden zu verlieren (z.B. T. C. Boyles „Wassermusik“ von Leonhard Koppelmann [ein Erzähler für jede der drei Hauptfiguren + drei weitere für die zeitlichen/gesellschaftlichen Hintergründe] und - besonders extrem - Tad Williams „Otherland“ von Walter Adler [12 Erzähler für jeden Handlungsstrang/Hauptfigur (wohl auch ein paar Nebenfiguren ;)) + ein weiterer „Netfeed-Sprecher“ für den zeitlichen/sozialen Hintergrund]).
    Aber da kommerzielle Hörspiele dramaturgisch meistens eh etwas simpler gestrickt sind als Radiohörspiele (vor allem die von Europa), reicht da oft ein „einfacher“ Erzähler, der zudem den Vorteil hat, die Spielzeit angenehm in Grenzen halten zu können. Andererseits kommt selbst von Francis hin und wieder ein wirklich geschickter und überraschender Einsatz eines Erzählers (Vera Aston in „Die tödliche Begegnung mit dem Werwolf“).

  • Zu meiner Eingangsauflistung muss übrigens auch ganz dringend "Mark Brandis" als Beispiel für eine Hörspielserie ohne Erzähler, bei der man diese Funktion überhaupt nicht vermisst, und alle Sprecher sogar dann "echt" klingen, wenn sie Informationen nur für die Hörer liefern.

    Zoe: "Proximity alert. Must be coming up on something."
    Wash: (alarmed) "Oh my god. What can it be? We're all doomed! Who's flying this thing!?" (deadpan) "Oh right, that would be me. Back to work."

  • Zitat

    Original von Lindequister
    Zu meiner Eingangsauflistung muss übrigens auch ganz dringend "Mark Brandis" als Beispiel für eine Hörspielserie ohne Erzähler, bei der man diese Funktion überhaupt nicht vermisst, und alle Sprecher sogar dann "echt" klingen, wenn sie Informationen nur für die Hörer liefern.


    Wobei Mark Brandis teilweise selber den Erzaehler gibt. Er erzaehlt seine Gedanken. Das ist keine direkte Rede und koennte somit auch als Erzaehler gewertet werden. Aehnlich wie Drizzt. Diese Art des beteilgten Erzaehlers finde ich uebrigens sehr gelungen da man auch die Gedankengaenge der Charaktere mitbekommt und nicht nur deren Gespraeche. Das finde ich viel besser als einen uebergeordneten Erzaehler, der alles weiss, aber in der Handlung nicht mitspielt.

  • Ich finde, dass man an Kurier Preston Aberdeen sieht, dass auch wunderbar ohne Erzähler passt. Doch ich könnte mir z.B. die Drei ??? nicht ohne einen Erzähler vorstellen genau so wenig wie John Sinclair. Es gibt Serien, bei denen der Erzähler notwendig ist. Doch bei Aberdeen finde ich passt das ganz gut. Aber am liebsten gefallen mir z.b. die Erzähler, die mitten in die Geschichte mit eingebunden werden, wie z.b. bei Sherlock Holmes (falls das Beispiel stimmt)

  • Das hängt meiner Meinung nach vom jeweiligen Hörspiel ab.
    Es gibt hervorragende Produktionen, die auch ohne Erzähler gut auskommen, jüngstes Beispiel: Dorian Hunter.
    Wenn ein Erzähler eingesetzt wird, sollte er auch die entsprechende Ausstrahlung haben, wie z.B. bei Gabriel Burns.

  • Für meinen Geschmack sollte ein Erzähler so wenig wie möglich zum Einsatz kommen. Eigentlich nur als Überleitung zwischen verschiedenen Orten der Handlung, oder bei Zeitsprüngen. Keinesfalls sollte der Erzähler Dinge erzählen, die man auch die Akteure sprechen lassen könnte, bzw. die anderweitig erzeugt werden könnten. Ganz übel finde ich in dieser Hinsicht Point Whitmark - da werden spannende Szenen oftmals durch den Einsatz des Erzählers zerstückelt, indem sich Akteure und Erzähler schnell abwechseln. Sowas kann ich überhaupt nicht ab.



    Zitat

    Original von blackmail82
    Clever fand ich das zum Beispiel bei den Animorphs, wo in jeder Folge jemand anderes der Hauptprotagonisten die Erzählerrolle aus der Ich-Perspektive übernimmt


    Stimmt, das hat bei Tom+Locke wirklich gut funktioniert. Auch bei Scotland Yard wurde das so gemacht, allerdings war die Wechsel-Frequenz etwas geringer. Ganz allgemein hat mir bei Scotland Yard auch sehr gut gefallen, dass die Einsätze des Erzählers sehr gut dosiert waren.