Unterschiedliche Erwartungshaltungen -- Schaden oder Nutzen für eine Hörspielserie?

  • Wie jemand an ein Hörspiel herangeht, bevor er oder sie es hört, ist mMn ganz entscheidend für die Reaktion danach. Es kommt nicht nur darauf an, was das einzelne Hörspiel liefert, also ob es in den üblichen Gesichtspunkten wie Story, Regie, Sprecherleistung, Sound etc. gute oder schlechte Leistungen abliefert, sondern auch, wie die Haltung des Hörers davor war. "Was bekomme ich hier jetzt zu hören, was erwarte ich von der Serie XXX?"


    Wenn Serien oder Reihen nun regelmäßig diese Erwartungen brechen, also z.B. statt des harten Thrillers mal unter dem Titel ein ruhiges Kammerspiel abliefern, was meint Ihr: nützt das der Serie langfristig in der Akzeptanz und im Erfolg oder schadet es ihr eher?


    Und warum?

    They call me the Fader. Which is what I'm about to do.

    Die deutsche Rechtschreibung ist Freeware, d.h. man darf sie kostenlos nutzen.
    Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. man darf sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.

  • Im ersten Moment dachte ich "Hä?" und im zweiten dann "Hmm, Erwartungshaltungen...so what? Kann man eh nicht für jeden einzelnen erfüllen." Als dritte Frage kam mir in den Sinn "Wieso soll das schaden oder nutzen?" Es hat eh keinen Einfluss darauf, behaupte ich mal.


    Davon mal ab, macherseitig produziert man prinzipiell für sich, nicht für die Erwartungen anderer.

  • Also, wenn ich eine Serie wie die "Drei ???" zum Maßstab nehme, dann würde ich schon sagen, dass da praktisch nur noch mit Blick auf Erwartungshaltung produziert wird und die Autoren sehr am Gängelband des Verlags hängen und einen Zettelkasten abarbeiten müssen. Selbst die gelegentlichen Brüche mit dem Schema sind meiner Meinung nach inzwischen nur noch Kalkül und haben nichts mehr mit so etwas wie kpnstlerischer Abenteuerlust zu tun. Ansonsten kann ich nur sagen: Wenn ich beispielsweise blogge, dann tue ich das nicht mit dem Gedanken an die Erwartungshaltung meiner Leser im Hinterkopf. Das mache ich beruflich, wenn ich für Kunden texte, aber nicht im kreativ-künstlerischen Bereich, da gelten allein meine Ansprüche. Andernfalls könnte ich überhaupt nichts zu Papier bringen. Als Hörer von Hörspielen (oder auch Leser von Büchern oder grundsätzlich als Rezipient) finde ich, dass man sich von Erwartungshaltungen frei machen können sollte. Wenn ich feststelle, dass meine wie auch immer geartete Erwartungshaltung nicht erfüllt ist, werfe ich ehre meine Erwartungshaltung über Bord als die Produktion zu verteufeln.

  • Eine Erwartungshaltung spielt immer mit rein, wenn man ein Hörspiel hört, das ist nicht anders als bei einem Text, den man liest. Wichtig ist dann aber meiner Meinung nach, wie einem das Gehörte gefällt. Da macht es nach einem Moment der Überlegung nicht so viel Unterschied, ob man erwartungsgemäß zufrieden ist oder positiv überrascht wird (oder der umgekehrte Fall). Wenn es einem unterm Strich nicht gefällt, hört man auf mit dem Hörspiel - das kann dann an der Nicht-Deckung von Erwartungshaltung und Hörerlebnis liegen, muss aber nicht.

  • Hallo zusammen!


    Naja, Erwartungshaltungen sind ja erstmal eine Sache der Kommunikation. Der Titel eines neuen Hörspiels macht mich im besten Fall neugierig darauf, um was es sich handelt. Wenn dann da steht "knallharter Thriller" oder mir etwas ähnliches suggeriert wird, dann ist meine Erwartungshaltung entsprechend. Wenn ich dann was ganz anderes bekomme, fühle ich mich verarscht. Dann werde ich die Serie wohl nicht mehr hören. Passiert mir das mit anderen Produkten desselben Labels auch, werde ich mit der Zeit das Label meiden.


    Wenn aber klar ist, dass sich hinter einem, vielleicht reißerischen Titel ein ruhiges Kammerspiel erwartet, dann macht mich der Kontrast im besten Fall eher neugierig. Reißerischer Titel und ruhiges Kammerspiel? Wie geht das denn?


    Falls Du jetzt nur eine einzelne Folge einer Reihe meinst, die man als Hörer schon kennt, dann hängt es auch hier sehr stark von dem Wie und dem Warum ab. Für Serien mit einer zusammenhängenden Story ist sowas dann auch noch schwerer umzusetzen, als für ein Episoden-Hörspiel.


    Aus dem Bereich Hörspiel fällt grad mir nichts ein, aber ein gutes Beispiel für das Wie bietet meines Erachtens nach die Serie Star Trek - The Next Generation. Anfangs hat die Serie das bedient, was man erwartet: Science Fiction. Diese Science Fiction hat eine Vision vermittelt (die Menschen leben in einer Föderation friedlich mit anderen Spezies zusammen, erforschen den Weltraum usw. usf.), die sich dem Zuschauer nach und nach erschloss. Ebenso hat man die Charaktere kennengelernt, die wiederum immer mehr Profil erhalten haben. Diese übergeordneten Zusammenhänge haben es, meiner Meinung nach, erlaubt, verschiedene Elemente einzubauen. Es gibt ganze Folgen, die spielen im Mittelalter oder in anderen zeitlichen Epochen. Andere Folgen drehen sich plötzlich um ganz andere Charaktere und die bekannten Figuren sind eher Nebendarsteller. Aber immer ist der übergeordnete Kontext, den ich zuvor ansprach, irgendwie da, schwingt immer mit oder wird immer wieder mal kurz in den Fokus gesetzt, bevor man zum genrefremden Element zurückkehrt.


    So oder so geht es also immer darum, wie man das ganze kommuniziert und ob es gut gemacht ist. Natürlich kann eine Serie dann unheimlich davon profitieren. Ich bezweifle allerdings, dass die meisten Hörspiele einen solchen übergeordneten Zusammenhang haben oder herausbilden. Bis zu einem gewissen Grad natürlich, sonst würden sie nicht funktionieren, aber ob der Hintergrund dessen, was aktiv im Hörspiel behandelt wird, im ausreichenden Maße detailreich ausgearbeitet wird, glaube ich eher nicht.


    Bis dann!


    Frank

  • Tja, wenn es überhaupt eine Auswirkung auf ein Produkt gibt, wird es wohl eher der Schaden sein. Wenn in der Masse nicht das geboten wurde, was man erwartet hat, werden sich kurz- und mittelfristig vermutlich viele Leute von dem Produkt abwenden, und das kann ja nur von Nachteil sein.


    Andererseits ist das alles relativ. Wie Captain Blitz schon schrieb, allen kann man es sowieso nicht recht machen, und manche Leute gehen ja auch mit den seltsamsten Erwartungshaltungen an manche Hörspiele ran. Wenn ich z.B. lese, das manche an den neusten Benjamin Blümchen Folgen bemängeln, das die Geschichten nicht innovativ genug sei und/oder zu wenig Tiefgang bietet, kann ich da nur den Kopf schütteln.


    Wie Hennes Bender mal sinngemäß sagte : Man kann nicht auf ein Rammstein-Konzert gehen und sich danach darüber beschweren, das das irgendwie nicht Jazzig genug war :D

    "Glaub nicht, ich sei verrückt, Eliot – viele haben merkwürdigere Abneigungen als diese."

  • Tja, wenn es überhaupt eine Auswirkung auf ein Produkt gibt, wird es wohl eher der Schaden sein. Wenn in der Masse nicht das geboten wurde, was man erwartet hat, werden sich kurz- und mittelfristig vermutlich viele Leute von dem Produkt abwenden, und das kann ja nur von Nachteil sein.


    Wobei das aber auch nicht der Fehler eines Labels ist. Es wird ja zu 99% ein Genre angekündigt, die Qualität eines etablierten Labels dürfte auch bekannt sein. Wer dann sagt "Nee, war ja doch doof, ich habe aber XYZ erwartet!", naja, da kommt dann wohl der Spruch vom Hennes wieder zum Tragen.


    Warum sollte die Masse denn falsche Erwartungen haben? Wie kann sowas zustande kommen? Ich glaube eher, dass sie dann von Anfang an ein Produktion nicht kaufen wird, weil es auch gar nicht an sie gerichtet ist, was den Machern auch von Anfang an klar sein dürfte. Da müsste ja schon Etikettenschwindel betrieben werden, was eigentlich kein Label macht. Es präsentiert ja keines irgendwelchen düsteren Cover, schreibt Grusel oder Horror drauf und danach ist es eine Comedy-Liebes-Serie, mal als überspitztes Beispiel formuliert.

  • Wobei das aber auch nicht der Fehler eines Labels ist. Es wird ja zu 99% ein Genre angekündigt, die Qualität eines etablierten Labels dürfte auch bekannt sein. Wer dann sagt "Nee, war ja doch doof, ich habe aber XYZ erwartet!", naja, da kommt dann wohl der Spruch vom Hennes wieder zum Tragen.


    Warum sollte die Masse denn falsche Erwartungen haben? Wie kann sowas zustande kommen? Ich glaube eher, dass sie dann von Anfang an ein Produktion nicht kaufen wird, weil es auch gar nicht an sie gerichtet ist, was den Machern auch von Anfang an klar sein dürfte. Da müsste ja schon Etikettenschwindel betrieben werden, was eigentlich kein Label macht. Es präsentiert ja keines irgendwelchen düsteren Cover, schreibt Grusel oder Horror drauf und danach ist es eine Comedy-Liebes-Serie, mal als überspitztes Beispiel formuliert.

    Sehe ich im Prinzip auch so. (Fast) Keiner kauft Horror, wenn er Kinderhörspiel erwartet. Und kein Label schreibt "Horror" drauf und bringt dann bewußt ein Kinderhörspiel.


    Wenn Erwartungen nicht erfüllt werden, dann vermutlich wohl vor allem in der Art und Weise, wie etwas rüberkommt und im Detail gemacht ist. Denn wie du schon schriebst, grundsätzlich weiß man ja in etwa, was einen Erwartet.
    Eine Ausnahme bilden da wohl vor allem Produkte, die neu sind und noch kein klares Profil haben. Nehmen wir mal Beispielsweise "Amadeus" vom Hörplanet. Als die Serie anfing, wußte ja keiner, wie die Story und die Charaktere nun wirklich angelegt sind. Da ist es durchaus legitim, wenn einige nach dem hören zu dem Schluß kommen, das sie sich dieses oder jenes anders vorgestellt haben. Und bei einigen wird Erwartung und Produkt auch soweit auseinander liegen, das sie sich von der Serie verabschieden. Oder Dorian Hunter. Oder Gabriel Burns. Da muß man zwangsläufig erst mal reinhören und kann erst dann entscheiden, ob es etwas für einen ist oder eben nicht.


    Aber auch wenn Beispielsweise "Grusel" draufsteht und auch Grusel drin ist, kann man sich in der Umsetzung durchaus etwas anderes vorgestellt haben. Zu wenig Stimmung, zu seicht, zu hart, etc. Oder auch wenn selbst Objektiv alles richtig gemacht wurde, kann es ja sein, das das Endprodukt dann trotzdem nicht auf einer Wellenlänge mit dem Hörer liegt. Es kommen halt immer noch Geschmäcker zum tragen, die bekanntlich unterschiedlich sind.


    Bei all' diesen Beispielen gibt es aber keine "Schuldfrage". Die Macher (lassen) machen, wie sie es für richtig halten, und der Hörer hört. Und entweder passen Produkt und Hörer zusammen oder eben nicht.

    "Glaub nicht, ich sei verrückt, Eliot – viele haben merkwürdigere Abneigungen als diese."

  • Nach der Argumentation hänge ich mal Mark Brandis "Raumkadett" an.
    Was erwartet der Käufer (Sf,spannende Stories,kritsche Untertöne ect...) eben das was die Hauptserie ausmacht (e).
    Dessen Folge 31 wieder genial war.
    Ich bin bei Folge 3 ausgestiegen sorry war für mich Jugendkrimi im Brandis Universum.
    Da lagen die Erwartung und das fertige Produkt weit auseinander (meiner Meinung nach !)

  • Nach der Argumentation hänge ich mal Mark Brandis "Raumkadett" an.
    Was erwartet der Käufer (Sf,spannende Stories,kritsche Untertöne ect...) eben das was die Hauptserie ausmacht (e).
    Dessen Folge 31 wieder genial war.
    Ich bin bei Folge 3 ausgestiegen sorry war für mich Jugendkrimi im Brandis Universum.
    Da lagen die Erwartung und das fertige Produkt weit auseinander (meiner Meinung nach !)


    Um dahin zu kommen, muss man die Mark Brandis-Hauptserie nicht einmal verlassen. Das, was in diesem Thread mit Erwartungshaltungen beschrieben wird, begegnet uns bei "Mark Brandis" praktisch seit Beginn. Das äußert sich z.B. darin, dass just dann, wenn ein Hörer oder Kritiker meint, aus diesen oder jenen Gründen die nun "beste Folge ever" ausgemacht zu haben, ein anderer genau aufgrund der gleichen Gründe einen Verriss schreibt. Besonders umstritten waren in dem Zusammenhang "Pilgrim 2000", "Operation Sonnenfracht" und "Planetaktion Z".


    Um zum Allgemeinen zurückzukommen: es ist ein wenig eine Glücksfrage. Ob die Fans einer Serie (wie der oben erwähnten ST:TNG, aber auch z.B. der Serie "Akte X") Ausflüge und Variationsreichtum "verzeihen" und weiter treu bleiben, hängt von mehreren Faktoren ab. Streben nach Qualität ist nur einer davon, da die Erwartung bei manchen z.B. einfach heißt "Mark Brandis = Weltraumentertainment". Und dann kannst Du die beste Kammerspielstory, Thriller oder SF-Dystopie abliefern -- für den speziellen Hörer ist das, was da kam, eben eine Enttäuschung, weil es nicht im Weltraum spielt.

  • Mir fällt jetzt leider kein Hörspiel als Beispiel ein. Aber im Buchbereich werden durch falsche Klappentexte ständig falsche Erwartungen bei den Käufern/Lesern erzeugt. Und das kann manchmal böse nach hinten gehen. Der Science-Fiction-Roman »Fluss der Sterne« von Michael Flynn wurde z. B. als atemberaubendes Abenteuer in die Tiefen des Alls angekündigt.
    Dabei war es ein psychologisch anspruchsvolles, poetisches Kammerspiel mit 9 Besatzungsmitgliedern an Bord eines Raumschiffs, das vom Mars zum Jupiter geflogen ist.
    Ich hatte ein Abenteuer erwartet, war aber aufgrund der Qualität positiv überrascht. Die meisten der wenigen Leser sahen das anders. Es gab gnadenlose Verrisse, bei denen deutlich erkennbar ist, dass es vor allem an den falsch geweckten Erwartungen liegt. Das Buch ist dann massiv gefloppt. Seit dem ist nie wieder etwas von diesem Autor auf Deutsch erschienen. Dabei ist es einer der besten SF-Romane, die ich in den letzten Jahren gelesen habe (und das waren viele).


    Man sollte sich also gut überlegen, ob man ein Produkt reißerischer anbietet, als es eigentlich ist.


    Bei mir kommt es auf die Stimmung drauf an, ob ich es als positiv empfinde, wenn mich ein Produkt überrascht und nicht meinen Erwartungen entspricht (Qualität ist das besonders hilfreich).

  • Wie könntest Du das auch mitkriegen? Er (wer immer das ist) wird Dir ja wohl kaum beglaubigte Verkaufszahlen schicken, oder?


    Zum Thema: ja, das mit "Raumkadett" ist ein gutes Beispiel. Obwohl es ja an Ankündigungen nicht gemangelt hat, ist die Versuchung doch groß, in dieser Serie "das Gleiche in grün" sehen zu wollen wie bei dem großen Bruder "Mark Brandis". Kein Wunder, sind doch sonst diese Prequels, oft " .... kids" o.ä. betitelt, idR nichts anderes. Und entsprechend sind dann die Reaktionen auf die in dem Sinn enttäuschten Erwartungen.

    They call me the Fader. Which is what I'm about to do.

    Die deutsche Rechtschreibung ist Freeware, d.h. man darf sie kostenlos nutzen.
    Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. man darf sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.

  • Wie könntest Du das auch mitkriegen? Er (wer immer das ist) wird Dir ja wohl kaum beglaubigte Verkaufszahlen schicken, oder?


    Wäre mir neu, dass man die Verkaufszahlen kennen muss, wenn ich mich auf Fanreaktionen und trotz vollmundiger Ankündigungen weiterhin anhaltende Lobhuddeleien beziehe, oder?