Habe ich noch nie gehört!

  • Liebe Hörspiel-Freunde,


    wie in anderen künstlerischen Medien, lese ich auch Hörspiel-Bereich
    oft die Klagen, dass man als Kreativer nicht gut verdient, Raubkopien
    das Leben schwer machen, die großen Online-Kaufhäuser die Preise
    kaputt machen und und und …
    Ich kann die Klagen sehr gut nachempfinden, denke aber auch, dass
    diese Entwicklungen oft zu Ängste führen. Und diese Ängste wiederum
    verleiten die Macher dazu anderen Medien hinterherzulaufen
    bzw. auf „Nummer Sicher“ zu gehen.


    Manchmal vermisse ich unter den Hörspielen eine künstlerische
    Avantgarde, die in manchen Ohren vielleicht nervt, unsinnig, schräg,
    aber für andere vielleicht auch neue Möglichkeiten und Akzente setzen könnte.


    Dieses Thema soll nicht zum Jammern auffordern, sondern aufmuntern
    über die Möglichkeiten des „Hörens“ zu diskutieren:


    Sind beim Medium Hörspiel schon alle kreative und geistige Möglichkeiten ausgeschöpft worden?
    Hört das Sound-Erlebnis mit THX und Dolby Sourround auf?
    Sind die Möglichkeiten für ein Hörerlebnis gepresst auf einer CD nicht vielleicht zu eingeengt?
    Und mit welchen andere Formen könnten Geschichten noch hörbar gemacht werden?
    Welche Sinne könnte man mit dem Hören noch kombinieren?
    Sollten Live-Hörspiele nicht viel öfter den gesamten Raum als die bloße Bühne zum spielen nutzen?
    Welche Hörerlebnisse - egal welcher Art - haben euch zuletzt begeistert?
    ...


  • Nummer Sicher gibt es nicht, leider. Eingestellt werden kann alles, es kostet alles Geld, muss vorfinanziert werden etc.


    Zitat

    Manchmal vermisse ich unter den Hörspielen eine künstlerische
    Avantgarde, die in manchen Ohren vielleicht nervt, unsinnig, schräg,
    aber für andere vielleicht auch neue Möglichkeiten und Akzente setzen könnte.


    Wenn es darum geht, einfach das zu machen was der Künstler möchte, dann mache ich das bei MindNapping. Ich mache das, was ich will, sonst niemand. Ist das Avantgarde? Teilweise gehe ich bei MN ja schon an die Grenzen und darüber hinaus, was der "Otto-Normal-Hörer" verträgt/ertragen will/kann. Muss es noch mehr sein? Kann ich nur von abraten. Wer will das dann noch hören? Du? Verkaufszahlen von 1 reichen leider nicht aus.


    Zitat

    Dieses Thema soll nicht zum Jammern auffordern, sondern aufmuntern
    über die Möglichkeiten des „Hörens“ zu diskutieren:


    Diskutieren kann man immer, das tut nicht weh, aber man sollte eher den Markt aufmuntern.


    Zitat

    Sind beim Medium Hörspiel schon alle kreative und geistige Möglichkeiten ausgeschöpft worden?


    Das kann niemand beantworten, wie auch? Dazu gehören paranormale Fähigkeiten. Und wenn man neue Ideen hat, dann breitet man sie nicht im Forum aus, sondern behält sie für sich und veröffentlicht dann mal was mit einer neuen Idee.


    Zitat

    Hört das Sound-Erlebnis mit THX und Dolby Sourround auf?


    Hat das im Hörspielbereich jemals angefangen? Nein, es lohnt sich schlicht und ergreifend nicht. Die 5 People, die es toll finden und genießen, können nicht die Kosten tragen, wollen sie auch nicht. Die Mehrheit hört das sowieso nicht raus oder weiß es nicht zu schätzen.


    Zitat

    Sind die Möglichkeiten für ein Hörerlebnis gepresst auf einer CD nicht vielleicht zu eingeengt?


    Also was der Datenträger damit zu tun hat, wie es inhaltlich aussieht, muss man mir bitte mal erklären.


    Und mit welchen andere Formen könnten Geschichten noch hörbar gemacht werden? Es geht ums Hörspiel an sich, da ist der Datenträger oder die Darreichungsform für mich völlig nebensächlich.


    Zitat

    Welche Sinne könnte man mit dem Hören noch kombinieren?


    Also manche Hörspiele klingen schon schlecht, die muss ich nicht auch noch riechen.


    Zitat

    Sollten Live-Hörspiele nicht viel öfter den gesamten Raum als die bloße Bühne zum spielen nutzen?


    Auch da sage ich mal, dass das Live-Hörspiel als solches noch gar nicht ausreichend genug genutzt wird, als dass man sich Gedanken darüber machen sollte, ob mehr als die Bühne benutzt werden sollte. Kostet alles, kann sich nicht jedes Label leisten, die kleinen so gut wie gar nicht.


    Zitat

    Welche Hörerlebnisse - egal welcher Art - haben euch zuletzt begeistert?...


    Positiv wie negativ? Der monatelange Baulärm vor der Haustür, also negativ.

  • Hier mal ein Erlebnis, dass mich sehr begeistert hat von der Biennale in Venedig 2001:
    Es geht um eine Raum- und Klanginstallationen des Künstlerpaares Janet Cardiff & George Bures Miller.
    Mit The Paradise Institute saß man in einem Kinosaal der Jahrhundertwende,
    doch parallel zum Filmton wurden eben jenen Geräuschen die Hauptrolle zugespielt,
    die sonst nur stören – Flüstern, Husten und dem Geraschel von Popkorntüten.
    Dafür hat jeder Besucher Sourround-Kopfhörer aufgesetzt bekommen.
    Lustig war, dass einige Besucher sich umgedreht haben, weil sie den scheinbaren
    lauten hinteren Besucher um Ruhe bitten wollten.
    Der Film hatte quasi keine Bedeutung, sondern nur das Hören der Flüsterer.
    Das ganze war ein voller Publikumserfolg!


    Ich denke, wenn man die Massen aufmuntern will, dass sie von ihren DVDs und Playstation
    den Weg zum Hörspiel finden, dann braucht es solche Ideen, die deutlich machen,
    dass das Hören allein oft mehr Potenzial als das Sehen hat.


  • Was hat das gekostet und wer soll das bezahlen? Soll sich jeder so ein Ding zu Hause hinstellen?

  • „Wer soll das bezahlen?“
    Ein Todschlag-Argument, dass man immer und überall heranziehen kann.
    Mir ging es nicht darum, wie finanziere ich etwas,
    sondern welche umausgeschöpfte Möglichkeiten könnte es noch geben.
    Und natürlich muss man sich nicht alles zuhause hinstellen.
    Deswegen fragte ich mich auch, wenn man sein Augenmerk einzig und allein
    auf den Verkauf von CDs/Downloads beschränkt,
    um eine Hör-Geschichtezu erzählen, ob es da nicht noch andere Formen gibt?
    In Hamburg gibt es eine Ausstellung von Blinden DIALOG IM DUNKELN.
    Durch das Ertasten und Hören wird man durch eine Ausstellung
    in völliger Dunkelheit geleitet.
    Wäre das nicht eine Möglichkeit auch Geschichten zu erzählen?
    Gibt es akustisches Graffiti?

  • Ich kann mir vorstellen, dass dich das fasziniert hat - aber das war eben Biennale, ein Kunstevent mit Eventkunst. Klar, gib Patrick einen Sack Geld bzw. sag ihm, dass Geld keine Rolle spielt, dann ist er sicherlich Feuer und Flamme und stellt was Abgefahrenes auf die Beine, auch wenn das dann nur eine einmalige Sache ist und nur ein absolutes Nischenpublikum interessiert. Aber du musst ja auch mal sehen, dass die entsprechenden Kunstkreise meist geschlossene Zirkel sind, entsprechende Verteilungskämpfe inklusive. Oder glaubst du, ich könnte, weil Mensch mit Behinderung, einfach so beispielsweise bei Leidmedien.de publizieren? Nee, da gibt's die entsprechenden "Gesichter" der Bewegung, die den Daumen heben oder senken und mal schön darauf achten, dass ihnen niemand den Platz an der Sonne streitig macht. Der Kunstbetrieb heißt ja nicht umsonst so - es ist ein Betrieb, eine Firma, ein Unternehmen.

  • Ich denke mal, den Bekannheitsgrad zu steigern, scheitert einfach immer wieder am Geld. Eine recht einfache Sache wäre Werbung, aber die kostet Geld.
    Live-Hörspiele werden recht selten gemacht - klar kostet auch Geld und es ist fraglich in wie weit das den Bekannheitsgrad erweitert und CD Verkäufe ankurbelt. Ich fände höchstens längere Live-Hörspielabende ganz interessant. Zwei Hörspiele, die unterschiedliche Hörergruppen ansprechen und so vielleicht etwas bewirken können. Ansonsten wäre es vielleicht mal überlegenswert ein Live-Hörspiel bei einem Musikfestival zu veranstalten. Wenn Lesungen Leute dort anziehen, warum nicht auch ein Hörspiel?

  • Wenn man nun sagte, Geld spielt keine Rolle und so was wie Quote spielt keine Rolle, dann könnte man ja mal Hörspielhörer in einen Tomographen stecken und beobachten, was Hörspiele kognitiv bei ihnen auslösen. ;) Was mich auch mal interssieren würde, wäre eine *richtige* Reportage über Hörspielhörer - also mal was abseits der Darstellung als Freaks, die das Titellied von Benjamin Blümchen lautstark mitsingen. Oder mal ein richtig scharfes und kritisches Interview mit Machern und Sprechern bekannter Hörspiel-Reihen. Ich würde gern einfach mal sehen und hören, wie jemand Oliver Rohrbeck widerspricht, wenn der mal wieder das Hohelied auf die deutsche Filmsynchronisation anstimmt. Oder mal jemanden von Europa fragen, wer für die neu geschnittenen Fassungen der alten "Drei ???" verabntwortlich ist - es will nämlich keiner gewesen sein. Oder mal Benjamin Völz fragen, wie tief man schlafen muss, damit man bei "Akte X" was von "genetischer Schminke" erzählt. (Aber das löst ja allein hier im Forum schon immer Beschützerreflexe aus.) Oder mal einfach mit den Sprechern und Machern eine echte Auseinandersetzung darüber führen, dass beispielsweise die "Drei ???" so schlecht geworden sind. Kurz: Mich würde alles interssiern, was vom üblichen Abfeiern weg geht. Wird aber nicht passieren.

  • Ansonsten wäre es vielleicht mal überlegenswert ein Live-Hörspiel bei einem Musikfestival zu veranstalten.

    Das haben wir letztes Jahr beim Bachblyten-Festival im Hörspiel-Zelt gemacht...
    natürlich in "klein", war aber ne sehr lustige Erfahrung!


    Thema "Trägermedium": Möglichkeiten gibt es. Da erinner ich mal an das "Haus".
    Ohne die DVD wäre außerhalb des Radios dieses parallel-Hörspielerlebnis nicht möglich.
    Oder auch die Klanginstallation "Ruhe" von Paul Plamper... möglich ist vieles.


    Mich würde es schon freuen, wenn sich einige Macher mehr auf das Medium besinnen würden.
    Und auf seine großen Stärken! Stichwort "Erzähler"... ich muss nicht alles breiig bis ins kleinste
    Detail serviert bekommen... oft genügen Geräusche, um sich als Hörer eine Vorstellung zu machen.
    Die erste Szene von Goldagengarden bspw.

  • Man kann ja Haushaltsabgabe und die Öffentlichen-Rechtlichen kritsieren wie man will-aber immerhin bietet das Radio doch eine der wenigen nicht kommerziellen Plattformen die auch das Medium Hörspiel immer mal wieder neu und kuenstlerisch interpretieren. Ich bin immer beeindruckt, wie die Radio-Fans hier im Forum am Ball bleiben, Werbung machen und Empfehlungen abgeben. Mein Problem ist die fehlende Zeit...von 10 experimentellen Hörspielen werden mir 7 eher nicht zusagen ('Kunstkacke' wird das auch manchmal genannt...), 2 sind ganz OK und 1 finde ich ganz toll (mir ist die 'Grossdeutsche Metropulle' lange in Erinnerung geblieben)-und die 7 die mir nicht zusagen finden dann die Radiofreunde total toll...ich möchte das Angebot nicht missen, aber ausserhalb des ÖR-Radios kann ich mir Experimente nur schwer vorstellen-dafuer gitb es zuwenig Hörspielfans die auch noch ueber das ganze Land verteilt sind.


    Pedschi hat nicht ganz unrecht, dass Hörspiele oft auf die drölfte 'Heikedine Körting Märchenfee' Reportage runter gebrochen werden. Gibt es eigentlich ein gutes Buch zum Medium Hörspiel das ueber die 'Europa Erfolgsstory' hinausgeht und den kuenstlerischen Gesamtkontext beleuchtet?


  • :thumbsup:

  • Unabhängig vom Finanziellen, wäre für mich in erster Linie ein kreative
    Auseinandersetzung interessant, wenn man Menschen von andern
    Medien weglocken wollte.


    Wenn man also mal selbstbewusst sagt:
    Kein Sinn ist geiler als das Hören!
    Welche Vorzüge hat das Ohr gegenüber den anderen Organen?
    Wie wird es zum Mitmachen animiert?


    Das Ohr kann nicht nur akustische Signale Differenzieren, Erkennen und Entdecken,
    sondern lässt es sich auch täuschen, wenn alle anderen Sinne versagen
    (oder andere Sinne auch getäuscht werden) oder wenn man aus
    Angst Alltägliches falsch interpretiert.


    Wurde zB. mit Wahrnehmung und Täuschung des Hörens in diesem Medium
    oft genug gespielt, dass ein Dialog zwischen den akustischen Möglichkeiten
    des Hörerohrs und dem Hörspielstück statt findet?


    Mir fällt nur MONDNACHT von Lem (Regie: Dieter Hasselblatt) ein,
    das den Hörer indirekt gefordert hat, auf das kleinste Geräusch zu achten und
    es zu interpretieren. Finde das Hörspiel bis heute grandios! Es war nur
    ein Kammerspiel und kam mit wahnsinnig wenig Tamtam aus.

  • Wenn du der Meinung bist, dass ein paar Geräusche genügen, um sich eine Vorstellung zu machen - und, ja, das stimmt -, dann sei dir an dieser Stelle wirklich mal "MindNapping" und hier insbesondere die Folge "Der Trip" empfohlen. Da wird das nämlich in Perfektion demonstriert.


    Ansonsten fände ich die Frage spannend, wie Hörspiele eigentlich rezipiert werden. Ich habe nämlich für mich festgestellt, dass "Kopfkino" eigentlich der falsche Begriff dafür ist. Wenn ich ein Hörspiel höre, sehe ich *keinen* Film in meinem Kopf, die meiste Zeit noch nicht einmal Bilder. Wie also ließe sich die Wahrnehmung von Hörspielen beschreiben?


  • Ansonsten fände ich die Frage spannend, wie Hörspiele eigentlich rezipiert werden.
    Ich habe nämlich für mich festgestellt, dass "Kopfkino" eigentlich der falsche
    Begriff dafür ist. Wenn ich ein Hörspiel höre, sehe ich *keinen* Film in meinem Kopf,
    die meiste Zeit noch nicht einmal Bilder. Wie also ließe sich die Wahrnehmung
    von Hörspielen beschreiben?


    Eine interessante Frage - zu der es hoffentlich noch viele Antworten gibt!


    Ich kann von mir auch sagen, dass es keine Kinobilder entstehen und mein
    Vorstellungen eher was von verschwommene Träumen haben. Liegt wohl
    auch an der Geschwindigkeit der Hörspiele. Bei vielen Hörbüchern wird
    auf jeden Fall mehr die Vorstellungskraft in Gang gesetzt.

  • Ich kann von mir auch sagen, dass es keine Kinobilder entstehen und mein
    Vorstellungen eher was von verschwommene Träumen haben. Liegt wohl
    auch an der Geschwindigkeit der Hörspiele. Bei vielen Hörbüchern wird
    auf jeden Fall mehr die Vorstellungskraft in Gang gesetzt.


    Hmm, wenn ich da die Hörbuch-Version und Hörspiel-Version von DAEMON und Darknet vergleiche...


    Hörbuch ist oft wie eine Fahrt mit der Märchenwaldbahn, ein gutes Hörspiel, das auch akustisch und nicht nur inhaltlich voll reinholzt, eine bewusstseinserweiternde Achterbahnfahrt, die niemals enden sollte... :mosch:

  • Leider gibts aber auch viele runtergekurbelte Produktionen, bei denen vor allem Musik einfach reingeklatscht wird. Oh, eine gruselige Szene? Machen wir gruselige Musik rein....oh, eine traurige Szene? Klar, traurige Musik! Oft einfallslos und weder fordernd noch fördernd. Aber zum Glück gibt es da auch genug positive Beispiele.
    Zum Hörerlebnis: doch, ich habe da Bilder im Kopf. Allerdings sehr unkonkret. Wobei, auch das variiert. Mal sehe ich Häuser oder beschriebene "Räume" sehr deutlich vor mir, charakterisiere für mich Personen durch Kleidung, Größe, Statur etc...Gesichter bleiben allerdings meist surreal.