Geht die Hörspiel Rezensionsszene vor die Hunde?

  • Ich greife mal einen Diskussionpunkt auf, den Captain Blitz in den letzten Tagen angemerkt hat.


    Wie sieht es eurer Meinung nach aus? Werden Rezensionen im Vergleich zu "vor einigen Jahren" eher runtergekritzelt? Fehlt es den Rezensionen an nötiger Schärfe?
    Und woran mag das ganze liegen?


    Sicherlich ein weitreichendes Thema. Vielleicht wäre es ganz interessant, das ganze auch ein konkreten Beispielen festzumachen.

  • Gediegendes Hallo an die Freunde.


    Ich lese hier schon eine halbe Ewigkeit mit, hatte bisher aber nie sonderlich Lust mich hier diskussionstechnisch zu beteiligen. Dieses Thema beschäftigt mich jedoch so sehr, dass ich einfach mal meine Meinung dazu kundtue, denn ich lese gerne und oft Rezensionen, gerade im Hörspielbereich.


    Und leider habe ich den durchaus Eindruck, dass die meisten Rezensionen im Vergleich "vor einigen Jahren" runtergekritzelt werden und ihnen an nötiger Schärfe fehlt. Woran liegt das, bzw. wieso kommt mir das so vor?


    In erster Linie werden viele Rezensionen in der Regel nach Schema F vefasst: Inhalt, Sprecher, Sound, Fazit. Daran ist ansich nichts auszusetzen, wenn sich allerdings bestimmte Phrasen und Floskeln in JEDER Rezi eines bestimmten Verfassers wiederfinden (z.B. "Weitere Sprecher sind xy..." oder "Das Cover ist im CI der Serie gehalten"; Beispiele kennt ihr alle) ,dann kommt einem das schon wie eine runtergerotzen Fließbandrezension vor.


    Viel gravierender finde ich da allerdings die nötige Schärfe. Marco Göllner sagte im Literra-Interview, den Rezensenten fehle es an "Mut zur Kritik" - Und damit hat er vollauf recht. Endweder werden bestimmte Kritikpunkte ganz ausgelassen, schöngeredet, oder weniger als positive Aspekte gewichtet (Da werden Kritikpunkte in einem Satz nebenbei erwähnt, während positive Aspekte in ganzen Abschnitten gelobt werden) und, was am schlimmsten ist, fließen nicht in die Gesamtwertung ein. Zitat Göllner (aus dem Gedächtnis zitiert): "Vieles rangiert zwischen drei bis fünf Sternen, wo ist denn die ganze Scheiße dieser Welt?". Wenn die neueste DDF-Folge z.B. nur "teilweise spannend" ist, dann hat sie ihren Zweck verfehlt und verdient keine volle
    Punktzahl. Oder irre ich mich?


    Womit ist diese Mutlosigkeit zu erklären? Anscheinend haben viele Rezensenten Bedenken Kritik zu äußern. Immerhin wurden unliebsame Kritiker schon mundtot gemacht, siehe das Van-Bargen-ES-Debakel oder die Tatsache, das Winterzeit keine Rezensionsexemplare mehr ausgibt. Und diesem Ärger will der Rezensent natürlich aus dem Weg gehen - und natürlich weitere Reziexemplare sichern. Es kann sich aber auch um ein moralisches Dilemma handeln. "Da steckt soviel Herzblut drin, ich will dem Macher nichts böses etc." - Das ist aber keine Ausrede. Schlecht gekochtes Essen schmeckt mir auch nicht, wenn es mit Liiiiebe zubereitet wurde. Punktum. Dergleichen gilt für nostalgische Verblendungen, denen neuere DDF-Folgen oder Gruselaufgüße gute Bewertungen verdanken.
    Ich könnte aber noch weitergehen, und behaupten, dass die meisten Rezensenten einfach schreiben, weil sie es können, nicht weil sie ihre Meinung oder gar Kritik äußern wollen. Und da würde ich sogar noch einen draufsetzen und sagen, viele Rezensenten sind garnicht mehr in der Lage ein schlechtes Hörspiel zu erkennen.


    Was mir zudem an neueren Rezis missfällt, ist neben fehlender Ehrlichkeit der Vefasser der Mangel an Humor oder Ironie. Das hat mir bei der Hörspielhölle oder beim Hörspielmaniac immer sehr gut gefallen, und siehe da, auf beiden Seiten erscheinen schon lange keine neuen Rezis mehr - Soviel dazu, früher sei alles besser gewesen. Dabei sollten wir froh sein, auf diese Stilmittel zurückgreifen zu können; Menschen in anderen Staaten wären glücklich, wenn sie könnten. Aber vielleicht sind wir in der Hinsicht garnicht so frei? Wenn man mal etwas "böser" in Sachen Kritik wird, packen Kritiker der Kritiker gerne mal mit der "Bashing"-Keule aus. Die einzigen mir bekannten Rezis, die noch satirisch oder ironisch sind, sind die auf experiment-stille.de (sofern wir deren Podcast als Rezensionen dazuzählen).


    Gerne wird als Gegenargument genommen, Rezis müssten "objektiv" sein. Ich behaupte aber Rezis müssen, ja können NUR subjektiv sein. Denn im Grunde spiegelt sie nur meine Meinung wieder und die ist nun mal subjektiv


    Ich hätte jetzt wirklich noch gerne weitere Beispiele eingestreut, aber hatte jetzt keine Lust, diese noch rauszusuchen. Seht es mir nach, der Text ist lang genug ;) .


    Vielleicht werde ich aber einfach nur alt. Vielleicht ist es in Zeiten stupiden Facebooklikens und unreflektierenden Konsums einfach nicht mehr gefragt; sich kritisch oder gar satirisch mit den Dingen um uns herum auseinanderzusetzen.


    So, und, wenn daraus jetzt mal keine spannende Diskussion wird, dann geht es der Mehrheit definitiv sonstwo vorbei... ;)

  • Vielleicht werde ich aber einfach nur alt. Vielleicht ist es in Zeiten stupiden Facebooklikens und unreflektierenden Konsums einfach nicht mehr gefragt; sich kritisch oder gar satirisch mit den Dingen um uns herum auseinanderzusetzen.


    Danke, dass Du dich registriert hast und hier mitmischst und danke für deinen Beitrag. :)


    Zu diesem Auszug deines Beitrags kann ich nur sagen, dass man sich heutzutage mit gewissen Dingen überhaupt nicht mehr auseinander setzt, egal ob positiv oder negativ, es ist wird unreflektiert konsumiert, so wie Du sagst. Reiner Konsum, das war es. Und am besten bitte gratis, man beschäftigt sich ja nicht damit, wofür also zahlen?


    Deshalb ist es auch nicht erwünscht, dass sich andere kritisch mit etwas auseinander setzen, die haben gefälligst auch nur zu konsumieren, fertig!

  • Früher war alles besser!


    Der Satz ist Quadratunsinn, da hat Herr Malmsheimer Recht. Früher war bestenfalls alles früher.


    Was wir heute lesen, haben wir auch schon früher gelesen, mittlerweile haben sich aber auch die originellsten Floskeln abgenutzt. Der Markt ist überhäuft mit vielen meist soliden, aber auch recht gleichförmigen Hörspielen, originelle Ausreißer gibt's da kaum. Wie sollen da - in zum Teil täglicher Taktung - spektakuläre Rezensionen herauskommen?
    Es ist ähnlich, wenn ein Automobilredakteur wöchentlich je eine Vorstellung über den neuen Astra, den Astra 1.8i, das Sondermodell des Astra 1.8i etc. schreiben soll.


    Damals waren die Rezensionen und Hörspiele nur besser, weil sie etwas Neues boten. Und überhaupt: Wer - außer den Produzenten und Abschreibern - liest denn heute noch Rezensionen über das Fazit hinaus? Wieviele machen denn ihre Entscheidung, ein Hörspiel zu kaufen, von Rezensionen abhängig? Ich hab jetzt noch keinen gehört, der gesagt hat, ich kauf die neue ??? nicht, weil XY die nicht so toll fand...

  • Ich persönlich habe früher eigentlich nur die Reziseiten aufmerksam gelesen, bei denen zwischen Lobeshymnen auch gut begründete Verrisse zu finden waren. Das hat nicht nur mit der Lust am Lesen eines gutformulierten Verrisses zu tun, sondern auch damit, dass ich dann einschätzen konnte, wie der Rezensent denkt und was er denn für wichtig hält.


    Das hat in der Tat abgenommen. Rezischreiber, die mit einem Auge auf die nächste Folge schielen, und ja nicht von der "für umme"-Liste fallen wollen, liefern den Produzenten/Labeln zwar öffentliche Aufmerksamkeit (und denen ist es vergleichsweise egal, ob es gute oder schlechte Kritiken sind, der Spruch "I don't care what they write, as long as they spell my name right" ist wohl nicht weit weg von der Realität) — aber wirklich Bedeutung können sie damit nicht erlangen. El Capitan war früher zu aktiven Zeiten durchaus so eine Anlaufadresse, aber seit er selbst produziert, sammeln sich in der Hörspielhölle die Spinnweben. Nachvollziehbar. Interessanterweise merkt man, dass der Perspektivewechsel auch seine Sicht auf Rezensionen beeinflusst hat (wie es wohl bei ziemlich jedem der Fall wäre). Aber er hat damals halt auch ausgeteilt, wenn ihm was nicht gefiel, und man konnte gut rauslesen, worauf es ihm ankam.
    Einige Schreiber bei E-S haben noch diesen Biss. Leider hat DRY derzeit wohl nicht so viel Zeit und/oder Muße für seine Hoerspiel3-Site, denn die habe ich mindestens 2x die Woche aufgerufen. Seine Kritiken gefallen mir sehr, weil er genau diese Balance zwischen objektiven Kriterien und persönlicher Sicht klar zu trennen vermochte und halt auch mal ne 4 oder 5 vergeben hat statt immer nur einer 1, 2 oder 3.

    They call me the Fader. Which is what I'm about to do.

    Die deutsche Rechtschreibung ist Freeware, d.h. man darf sie kostenlos nutzen.
    Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. man darf sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.

  • Wo hat sich bei mir einen Perspektivewechsel ergeben? Runtergerissene Abschreib-"Rezis" mochte ich noch nie, auch nicht zu meiner Rezensentenzeit.


    Momentan schreibe ich keine, weil mir die Zeit fehlt, so einfach ist das. Miete und voller Kühlschrank sind mir da etwas wichtiger. ;)

  • Und überhaupt: Wer - außer den Produzenten und Abschreibern - liest denn heute noch Rezensionen über das Fazit hinaus? Wieviele machen denn ihre Entscheidung, ein Hörspiel zu kaufen, von Rezensionen abhängig? Ich hab jetzt noch keinen gehört, der gesagt hat, ich kauf die neue ??? nicht, weil XY die nicht so toll fand...


    Na ja, ich habe mir z.B. das Hörspiel "Nichts" nur gekauft, weil ihr es besprochen habt. Ansonsten wäre es wohl an mir vorbeigegangen. Aber bei Serien stimmt das schon. Von "Sinclair" kaufe ich mir bis jetzt jede Folge, egal ob sie gut oder schlecht besprochen wird. Sammlertrieb!


  • Was wir heute lesen, haben wir auch schon früher gelesen,


    Das möchte ich eigentlich auch nochmals unterstreichen. Schwach geschriebene sogenannte Rezensionen hat es auch früher schon gegeben.
    Ich muss gestehen, dass ich in der letzten Zeit sehr wenig Rezensionen zu Hörspielen gelesen habe. Insofern habe ich da auch keinen tiefen Einblick in die Entwicklung.


    Zitat


    Es ist ähnlich, wenn ein Automobilredakteur wöchentlich je eine Vorstellung über den neuen Astra, den Astra 1.8i, das Sondermodell des Astra 1.8i etc. schreiben soll.


    Vor allem, wenn man das ganze auch wirklich noch nach der Standard-Checkliste abhandelt, anstatt sich die Besonderheiten explizit rauszupicken und genauer herauszuarbeiten.



    Viele der Rezensenten, von denen ich sonst immer viel gelesen habe und auf deren Tipps/Warnungen ich mich auch immer verlassen konnte, sind in der Tat kaum mehr aktiv. Ein paar Namen wie der Hörspielmaniac, die Hörspielhölle wurden ja schon genannt. Aber auch die Kritiken von prof. snape sind für mich immer wieder ein schönes Beispiel, wie sich Rezensionen auch lesen können.


    Aber klar, wenn man jeden Tag immer über das fast gleiche schreiben muss, wird es irgendwann tatsächlich schwer, noch neue Kreativität zu wecken. Wobei das natürlich keine Ausrede für den fehlenden Biss in Kritiken sein kann.



    Achja, weil auch mein Name genannt wurde (danke für das Lob): ich hab zumindest mal vor, im Herbst wieder etwas aktiver zu werden.

  • Wo hat sich bei mir einen Perspektivewechsel ergeben? Runtergerissene Abschreib-"Rezis" mochte ich noch nie, auch nicht zu meiner Rezensentenzeit.

    Letzteres stimmt bestimmt, aber mit der Perspektive meine ich frühere Äußerungen so ungefähr nach dem Motto "wichtig ist, was beim Kunden ankommt" als Entgegnung an aufgebrachte Produzenten (ich glaube, das war bei "Alexander Korell" der Fall). Die Devise "Pech gehabt, so denkt der Kritiker, und gut ist" ist ja auch, obwohl brutal, richtig. Dass Kritiker sich mit bestimmten Aspekten der Produktion vorab beschäftigt haben, ist wünschenswert, aber nicht Pflicht. Und wenn ein Kritiker meint, bei einem Hörspiel die Regieleistung als Kritikpunkt identifiziert zu haben, dann mag das stimmen oder nicht, aber nach der Logik "wichtig ist, was beim Kunden ankommt" hat der Kritisierte da die Klappe zu halten.


    Das meine ich damit. Ist aber natürlich nur meine Meinung.


    Momentan schreibe ich keine, weil mir die Zeit fehlt, so einfach ist das. Miete und voller Kühlschrank sind mir da etwas wichtiger. ;)

    Sofort unterschrieben. Ist ja auch "nur" ein liebevoll betriebenes Hobby.

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  • Und überhaupt: Wer - außer den Produzenten und Abschreibern - liest denn heute noch Rezensionen über das Fazit hinaus? Wieviele machen denn ihre Entscheidung, ein Hörspiel zu kaufen, von Rezensionen abhängig? Ich hab jetzt noch keinen gehört, der gesagt hat, ich kauf die neue ??? nicht, weil XY die nicht so toll fand...

    Als ich vor Jahren wieder mit Hörspielen anfing, ich denke so 2005 rum oder so, hab ich erst mal die Hörspielhölle, hörspiele.de uva durchforstet um einen Überblick zu bekommen, was es überhaupt gibt! Bei mir unbekannten Hörspielen mache ich das heute noch gerne, wobei ja leider Hörspielhölle z.Z. nicht abrufbar ist. Ich hab keinen Bock ständig nur die selben Serien/ Reihen zu hören, bei denen mich sicher eine Rezension weniger beeinflusst und da sind gute, differenzierte Rezensionen, von Leute deren Meinung man einschätzen kann Gold wert.


    Die neuen Star Wars, Jack Slaughter uva kaufe ich mir so oder so, trotzdem lese ich gerne gut geschriebene, differenzierte Rezensionen dazu, schon alleine der Unterhaltung wegen und um zu sehen ob man mit dem Schreiber auf einer Wellenlänge liegt. Außerdem kann ich begründete, von meiner abweichenden Meinung auch durchaus akzeptieren und oft sogar nachvollziehen. Je nachdem wie der einzelne seine Gewichtung legt (dem einen ist das Cover wichtig, dem anderen schnurz. Entsprechend fliesst das auch unterschiedlich in die Bewertung ein)


    Der dämliche, nicht hinterfragte Konsum heutzutage geht mir auch gewaltig gegen den Strich. Die Folge davon ist eine fortschreitende Gleichmacherei den die Konsumlemminge so oder so kaufen und sich unterscheidende Produkte werden immer seltener. Facebook usw bedienen den Herdentrieb des Menschen. Da kann er fleissig mit den anderen im Chor blöken und fühlt sich auch noch bestärkt in "seiner" Meinung


    Mein Fazit:


    Die Rezensentenszene ist momentan weniger vielfältig (kann sich ja wieder ändern) als ich es mir wünschen würde!

  • Diesem Fazit stimme ich zu:


    "Die Rezensentenszene ist momentan weniger vielfältig (kann sich ja wieder ändern) als ich es mir wünschen würde!"


    Habe mich weitgehend aus den Hörspielforen zurückgezogen, weil ich es leid bin, die immergleichen Rezis der immergleichen Leute zu lesen. Kann sich aber wieder ändern. Vielleicht gibt es eine Nachfolgegeneration der Kassettenkinder, die auch wieder Radio hört;-)

  • Und überhaupt: Wer - außer den Produzenten und Abschreibern - liest denn heute noch Rezensionen über das Fazit hinaus? Wieviele machen denn ihre Entscheidung, ein Hörspiel zu kaufen, von Rezensionen abhängig? Ich hab jetzt noch keinen gehört, der gesagt hat, ich kauf die neue ??? nicht, weil XY die nicht so toll fand...

    Fragt man sich natürlich, warum es dann überhaupt noch Rezensionen gibt? Wenn Sie keine Wirkung haben?

  • Fragt man sich natürlich, warum es dann überhaupt noch Rezensionen gibt? Wenn Sie keine Wirkung haben?


    Das ist eine sehr gute Frage. Warum verschickt ein Riese wie Europa fleißig Hörspiele an Rezensenten? ??? oder TKKG müssten doch wahrscheinlich nicht mehr in dieser Form beworben werden, oder? Gerade die ??? sind ja mit den Touren mittlerweile auch im Mainstream zu finden. Letztens gab es doch auch Jupiter Jones (die Musiker) + ??? als Veranstaltung in Bundle. Es ist natürlich schön, wenn man die Hörspiele als Reziexemplar erhält, aber - und nun wende ich mich etwas allgemeiner dem Thema zu - heute kann ja jeder eine Rezi verfassen. Amazon und Co bieten die Chance und so sehen 90% der Rezensionen auch aus. Hingeschmiert und meistens ohne Hand und Fuß.


    Rezensionen haben mehrere Aspekte. Der einfachste zuerst, man redet darüber. Der Rezensent bespricht es, er schreibt was dazu, andere lesen es. Außerdem - Vermutung - gibt es etwas Feedback. Werden Rezensionen wirklich gelesen, dann kann ich das Produkt verbessern. Einige Kritiken haben durchaus zu Veränderungen geführt. Mal wurde ein Sprecher ausgetauscht, mal die ganze Hauptbesetzung. Ob das letztendlich den Rezis zu verdanken ist, seit dahingestellt, aber immerhin erreicht so die Verantwortlichen ein "günstiges" Feedback.


    Pops würde ich zustimmen. Ich persönlich mache meine Kaufentscheidung bei Hörspielen auch nicht davon abhängig, was ein anderer geschrieben hat. Bei teuren Produkten vergleiche ich durchaus mehr. Mittlerweile bekommt man zu den meisten Serien ja auch Hörproben, also so unvorbereitet wie damals im Laden ist eigentlich niemand mehr.


    Ich lese, weil es Spaß macht. Entweder trifft man auf bissige Texte, die humorvoll den Flop des Tages küren oder wirklich eine gute Serie anpreisen. Viele Serien oder Einzelhörspiele habe ich erst durch die Besprechung von anderen gefunden. Dorian Hunter z.B. würde ich sonst nicht kennen. Point Whitmark wurde mal unter einer miesen ???-Folge als Alternative erwähnt; reingehört, gekauft.



    Generell ist der Ton bei Rezensionen etwas milder geworden auch da stimme ich zu. Zum einen liegt es daran, dass wir alle viel greifbarer sind. Einen wirklich guten Verriss zu schreiben ist nicht einfach. Da braucht man Zeit, Erfahrung und ein gutes Händchen, um es unterhaltsam für den Leser, aber ertragbar für die Verantwortlichen zu machen. Gerade im Web 2.0 gehen sonst Aussagen schnell einen ganz anderen Weg. Weiterhin nutze ich nun wieder das Argument von oben: Die Menge an Rezensenten ist stark gestiegen. Schaut einfach mal bei den Verkaufsplattformen, was da an Einheitsbrei steht. Die Masse zieht die Klasse herunter.


    Persönlich habe ich kein Problem ein Produkt schlecht zu bewerten, tue ich durchaus bisweilen. Es liegt nur nicht jedem (und da beziehe ich mich mit ein) dies so unterhaltsam zu gestalten, dass es für Begeisterung sorgt. Manchmal rutscht es ins Lächerliche ab und das ist dann für beide Seiten unschön.

  • Da muss man unterscheiden 8)


    Ich mache meine Aufnahmeentscheidung zu einem großen Teil von der Besprechung auf hoerspieltipps abhängig. Das Podcast/Format ist auch eine weit geeignetere Form als die klassische schriftliche Rezension.


    Warum sind nun die klassischen Rezensionen im Netz praktisch durchwegs unsagbar schlecht?


    Grund Nummer 1 ist sicherlich die Lieblosigkeit, mit der das Programm abgespult wird. Nach Schema F wird sich durch unwichtige Details gearbeitet, welche überraschung dass bei einer Endlosserie auch bei Teil 165 die Sprecher einen guten Job machen und nicht betrunken zur Aufnahme erschienen sind. Auch das Ab/ Umschreiben bzw. Copy/Paste des Klappentextes, das hat nichts mit dem HerausARBEITEN von für den Leser relevanten Infos zu tun.


    Grund Nummer 2 ist die unerträgliche Schönfärberei. Liegt die daran, dass die Leute einfach keine Ahnung haben und als Fanboys und Fangirls einfach jeden Mist irgendwie gut finden? Kann sein. Was nicht totaler Schrott ist, das ist schon gutes Mittelmaß. Klar, dass Amateure bar jeder Fachkenntnisse überhaupt mit Rezensionsexemplaren bedient werden, ist eine großzügige Nettigkeit der Label. Nur wenn die Rezension vor Dankbarkeit (und der Angst künftig leer auszugehen) trieft, dann ist sie in etwa so kontrovers und hilfreich wie ein Wahlwerbespot. Bei einer Amazon"rezension" kann man praktisch auch alles vergessen, was kein von Amazon bestätigter Kauf ist, außer es war ein illegaler Downloader, der halt redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.


    Und was am nervigsten ist, wenn Ihr mal die Cojones hattet, zu schreiben was Sache ist, dann kommt das dümmstmögliche Fazit, die kleine Prophylaxe gegen schlechte Laune beim Label: "Für Fans von XYZ ist das Hörspiel sicherlich einen Kauf wert" u.ä. NEIN, wenn etwas Mist ist, dann ist es einfach Mist und auch bzw. gerade für sogenannte "Fans" kein Kauf. Aber klar, da erinnert sich ein paar Zeilen vor Schluss der Schreiber an seinen Reflink unter der Rezension und irgendwie muss jetzt noch irgendwer dazu motiviert werden, drauf zu klicken und zu bestellen.


    Auch wenn es hart ist, schafft die Rezensionsexemplare und die Reflinks ab und Rezensenten, seid wütend, sarkastisch, humorvoll, begeistert, euphorisch, aber nicht gekünstelt objektiv. Holzt rein, auch wenn sich dann der Produzent ärgert, weil ihr mit einer Vermutung danebenliegt. Who cares, ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig, das ist der Vorteils eines Blogs. Macht das Beste aus eurem Amateurstatus, wenn ich eine Blinddarmoperation durchführen soll, dann wird es auch nicht besser, wenn ich hochseriös dreinschaue. Kettensäge statt Skalpell,mit dem könnt ihr eh nicht umgehen.


    Rezensiert das, was Ihr für interessant haltet und nicht das, was der Briefträger bringt. Kein Mensch will wissen, was ein 28 jähriger kinderloser Mann von Hörspielen für 6 bis 8 jährige Mädchen hält. Ansonsten will auch niemand Eurer Leser wissen, was 6 bis 8 jährige Mädchen von Hörspielen für 6 bis 8 jährige Mädchen halten. Auch wenn es relevanter als Eure Meinung wäre. Ein Diplompädagoge kann sich gerne im akademischen Diskurs damit auseinandersetzen. Falls Dinohörspiele für Kinder eure geheime Leiderschaft sind, dann lasst sie bitte geheim!

  • Hier wurde schon vieles angesprochen, was ich auch für richtig halte. Wenn immer wieder gefühlt das Gleiche veröffentlicht wird, dann gibt auch eben nur wieder das gleiche Rezi-Gekurbel. Die Angst, dass man plötzlich wegen zu harscher Kritik nicht mehr umsonst beliefert wird ist anscheinend auch sehr groß. Der Kontakt zu Labeln ist in den letzten Jahren viel einfacher geworden. Eine E-Mail raus und fertig, wo man früher sicher noch erst telefonieren oder vielleicht sogar schriftlich Anträge für Rezi-Exemplare stellen musste gibts dafür heute schon teils vorgefertiegte Formulare auf Label-Pages. Da picken sich die Fanboys dann ihre Sahnestücke raus, natürlich finden sie das gut, sie sind ja Fanboys, auf Amazon gibts wieder mal 5-Sterne und damit auf zur nächsten Folge!
    Auf der anderen Seite habe ich jetzt auch häufiger von Abmahnungen gegenüber Rezischreibern gelesen. Vor allem bei ES sind mir immerhin zwei recht kurz nacheinaner statt gefundene Fälle bekannt, bei denen am Ende Inhalte wieder von der Page genommen wurden (wohl ohne direkte Abmahnung, aber auch dafür gibt es Beispiele) . Als Rezi-Schreiber hätte ich da auch wenig Lust zu in der Freizeit statt weiter Rezis zu schreiben, mich auch noch lange mit vergrezten Produzenten rumtreiben zu müssen. Also kann ich auch hier nachvollziehen, dass man statt eines Verriß lieber mal gar nix schreibt, um hinterher nicht tagelang Rechtfertigungsmails schrieben zu müssen.


    PS: richtig aufmerksam verfolge ich nur noch den Ohrcast. Ab und an mal diverse andere Reziseiten, zB Tofu als positives Beispiel, aber bei den meisten anderen auch ganz ehrlich, hauptsächlich das Fazit, weil man die Zeilen zwischen Eintiegssatz und Resume aus vorangegangenen Texten schon bestens kennt. (außer bei MN, da les ich alles um zu schauen, ob die Leute was zu den Covern sagen :D)


    PPS: Falls Dinohörspiele eines Rezensenten geheime Leidenschaft sind, dann will ich das lesen, denn über was sollte man besser urteilen können, als sein Steckenpferd? Sowas les ich dann auch meistens gern.

  • Ich schreibe seit ca. 10 Jahren Buchrezensionen, Hörspielbesprechungen nur gelegentlich (da kenne ich mich nicht so mit aus). Anfangs (als ich noch ein junger Student war) war das "Abstauben" von kostenlosen Reziexemplaren noch (aus mir heute unerfindlichen Gründen) eine tolle Sache. Das wurde aber schnell sehr lästig (Termindruck usw). Und wenn ich heute (wo ich mein Geld teilweise mit Schreiben bzw. Übersetzen verdiene) umrechne, wie viel Geld ich mit meiner Übersetzerei in der Zeit verdienen könnte, in der ich das Buch lese bzw. das Hörspiel höre und dann nochmal Zeit in die Rezi investiere, dann hätte ich Geld für ein Vielfaches des Wertes des Reziexemplars verdient. Deswegen hat der Begriff "kostenloses Rezensionsexemplar" für mich jeden Reiz verloren. Wenn man nicht nur eine schlampig copy-and-paste-Rezi schreibt, zahlt man nur drauf (außer man wird für die Rezension auch bezahlt, aber wer wird das schon).


    Ich habe lange Point Whitmark für den Fantasyguide besprochen. Und Folgen, die mir nicht gefallen haben, haben auch eine schlechte Kritik bekommen. Aber mit jeder weiteren Besprechung einer solchen "Endlosserie" ist mir das Schreiben immer schwerer gefallen. Denn alles, was nicht direkt mit dem Inhalt zu tun hat, wiederholt sich doch von Folge zu Folge, und man schreibt immer wieder das Gleiche. Da habe ich die Lust dran verloren.
    Bei Serien mit fortlaufender Handlung (wie "Die Elfen" z. B.) wird die Besprechung noch schwieriger, da man dann zwangsläufig einiges spoilern muss.

  • Und was am nervigsten ist, wenn Ihr mal die Cojones hattet, zu schreiben was Sache ist, dann kommt das dümmstmögliche Fazit, die kleine Prophylaxe gegen schlechte Laune beim Label: "Für Fans von XYZ ist das Hörspiel sicherlich einen Kauf wert" u.ä. NEIN, wenn etwas Mist ist, dann ist es einfach Mist und auch bzw. gerade für sogenannte "Fans" kein Kauf. Aber klar, da erinnert sich ein paar Zeilen vor Schluss der Schreiber an seinen Reflink unter der Rezension und irgendwie muss jetzt noch irgendwer dazu motiviert werden, drauf zu klicken und zu bestellen.


    Absolut richtig. Bitte mehr Pep unter die Rezi. Das "für die Fans von XYZ ist das sicher was" bringt niemandem was, denn genau diese Fans kaufen das Ding ja ohnehin. Ein "selbst die Fans von XYZ sollten sich den Kauf verkneifen" wäre viel aussagekräftiger -- oder auch ein "dieses Hörspiel könnte insbes. den Fans von Hörspiel OPQ oder Serie RST gefallen".


    Auch wenn es hart ist, schafft die Rezensionsexemplare und die Reflinks ab und Rezensenten, seid wütend, sarkastisch, humorvoll, begeistert, euphorisch, aber nicht gekünstelt objektiv. Holzt rein, auch wenn sich dann der Produzent ärgert, weil ihr mit einer Vermutung danebenliegt. Who cares, ihr seid niemandem Rechenschaft schuldig, das ist der Vorteils eines Blogs.


    +1
    ... und dann nimmt man Euch auch mal ein Lob wieder ab.

    They call me the Fader. Which is what I'm about to do.

    Die deutsche Rechtschreibung ist Freeware, d.h. man darf sie kostenlos nutzen.
    Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. man darf sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.

  • Ich find, diese "Rezension" liest sich eher wie eine Werbeanzeige - Kritikpunkte werden nahezu komplett ausgeblendet, die positiven Aspekte hingegen aufgeführt - wenn auch relativ sachlich und nicht marktschreierisch. Sie passt also hervorragend zu all den übrigen Wischiwaschi-Lobhudeleien. Zudem wird das Hörspiel einmal als "Hörbuch" bezeichnet, was auf uns, die wir den Unterschied kennen, ziemlich unprofessionell wirkt und nicht von Fachwissen zeugt. Vielleicht will man es so den erwachseneren Lesern schmackhaft machen (Hörspiel=Kinderkram, Hörbuch= Für Erwachsene; kennen wir ja).


    Andererseits möchte ich diese "Rezi" nicht komplett schlechtreden. Wenn das Hörspiel dem Rezensenten gefallen hat, ist es auch sein gutes Recht Lob auszuteilen (dennoch liest sich die Besprechung ziemlich oberflächlich). Außerdem bekam ich beim Lesen den Eindruck, man wolle das Hörspiel Leuten schmackhaft machen, die sonst keine Hörspiele hören. Das ist natürlich lobenswert.


    Alles in allem wüde ich diesen Text nicht mal als Rezension ansehen. Dafür kratzt er zu so sehr an der Oberfläche.