Das Bild von Ausländern in Hörspielen

  • Eine interessante OT-Diskussion kann mMn auch einen eigenen Thread vertragen.

    • Wie haben sich die Darstellungen von Minderheiten im eigenen Land und Ausländern generell in Hörspielen gewandelt? Ist das Zeichen einer grundlegenden Wandlung, oder "political correctness"?
    • Inwiefern stören klischeebehaftete Darstellungen vergangener Jahrzehnte heutige Hörer?


    Am Samstag hatte ich im Rahmen eines Blogeintrags über "unseren Tzigan" geschrieben. Viel Spaß!

  • Da fällt mir sofort die »Drei Fragezeichen« Folge »Der Geisterzug« ein, die 2008 erschienen ist. Da wird eine aus China stammende Figur, die aber in Amerika aufgewachsen ist, mit einem ultrapeinlichen chinesischen Lispel-Akzent (wie MikeyRooney in der deutschen Fassung von »Frühstück bei Tiffanys«: »Lauschgift, übellall Lauschgift«) dargestellt, wie man ihn zuletzt 1979 in »Der grüne Geist« gehört hat. Das hatte für mich einen sehr hohen Fremdschämfaktor. Ich hätte nicht gedacht, dass heutzutage eine solche Herabsetzung einer bestimmten Nationalität in eigentlich aufgeklärten Hörspielen noch möglich ist.
    Das ist genauso eine herablassende Darstellung, wie die von Schwarzen alles einfältige Wilde mit riesen Schlauchbootlippen, und entspricht einem Menschenbild von vor 100 Jahren.

  • Generell denke ich aber, dass sich die Darstellung gebessert hat. Und zwar nicht aus Gründen der »political correctness« (was für mich oft bedeute, dass man etwas nicht aus Überzeugung macht, sondern weil man sich dazu gezwungen sieht), sondern weil sich das Weltbild und Menschenbild zum Positiven hin geändert hat und Klischees und Vorurteile mehr hinterfragt werden.

  • Aber ist das Medium Hörspiele bzw. die hier genannten Beispiele wirklich ein Sinnbild für die Medienlandschaft, deren Entwicklung und der damit verbundenen Gesselschaft? Ich glaube kaum. Wenn man hier auf TKKG aus den 90er Jahren schiesst, dann halte ich das für mit Steinen auf Schmetterlinge schmeissen. Nur weil hier zur Verdeutlichung der Fantasie eines Kindes etwas genommen wurde, was dem Kind bei der Erziehung schon suggeriert wurde als Bild. Zigeuner = Verbrecher. Wir alle haben Hörspiele dieser Art gehört..... und? hat uns das in einer Weise beeinflusst? Erst gemeinte Frage.
    Sicherlich findet man in jeder Hörspielserie Beispiele für moralische oder politische Fragwürdigkeiten. Leute die nach solchen Kleinigkeiten suchen finden auch in einem Bild mit einer Sonne drauf immer einen Regentropfen.
    Meine Meinung und nicht falsch verstehen. Bin 100% dabei wenn es darum geht etwas kindegrecht mit sozialer Erziehung zu gestalten. Auch Hörspiel Autoren haben Vorbildfunktionen aber diese hier genannten Beispiele sind wohl kaum auschlaggebend für die Bildung, die moralischen Ansichten und die Wertigkeiten von Vorurteilen.
    Damals wie heute habe ich in einem Zigeuner nie was Böses gesehen oder in einem Polen grds. einen Dieb. Ich weiss aber das es diese Vorurteile gibt. Die Personifizierung eines Zigeuners hat damals wie heute aber meine Vorstellungskraft gestärkt. Ich denke daher wenn Schulbildung, Elternhaus etc stimmen, können ein paar Nuocnen und mehr ist es ja wirklich nicht, in Hörspielen nicht verderben.

  • Da fällt mir sofort die »Drei Fragezeichen« Folge »Der Geisterzug« ein, die 2008 erschienen ist. Da wird eine aus China stammende Figur, die aber in Amerika aufgewachsen ist, mit einem ultrapeinlichen chinesischen Lispel-Akzent (wie MikeyRooney in der deutschen Fassung von »Frühstück bei Tiffanys«: »Lauschgift, übellall Lauschgift«) dargestellt, wie man ihn zuletzt 1979 in »Der grüne Geist« gehört hat. Das hatte für mich einen sehr hohen Fremdschämfaktor. Ich hätte nicht gedacht, dass heutzutage eine solche Herabsetzung einer bestimmten Nationalität in eigentlich aufgeklärten Hörspielen noch möglich ist.


    Also zum einen ist es unlogisch, da die Figur ja in den USA aufgewachsen sein soll, woher dann also der Sprachfehler. Zum anderen verwundert, das diese Darstellung 2008 noch verwendet wird, also in der Gegenwart, wo ja lt. Aussagen vieler hier die Hörspiele wesentlich Klischeefreier sein sollen (zumindest in Bezug auf Ausländer).


    Darüber hinaus habe ich aber mit lispelnden chinesen in Hörspielen kein Problem, zum einen, weil es ja weder herabsetzend gemeint ist noch so verstanden wird, zum anderen ist das "l-Sprach-Problem" bei Chinesen, die nicht 100%ig deutsch/englisch/etc. sprechen ja durchaus real. Erinnert mich zeitlich passender Weise an den 80er-Jahre-Schülerwitz : "Die Chinesen können kein "r" sprechen, aber sprech' du erst mal chinesisch !" ;)


    Ob ein Chinese im Hörspiel das "r" nicht sprechen kann, ist also keine Frage von Vorurteil oder Klischee, sonder davon, wie gut oder schlecht dieser Chinese allgemein deutsch spricht. Spricht er nur sehr holprig deutsch, ist es völlig realistisch, wenn er auch "l" statt "r" spricht.


    Ansonsten kann ich aber in den älteren Hörspielserien, die ich besitze keine klischeehaften Überzeichnungen feststellen. Oder ich bin nicht sensibel genug dafür. Die drei ??? würde ich übrigens eher für ein Positivbild der damaligen Zeit halten, eben weil die drei mit vielen ausländischen Menschen absolut Partnerschaftlich und auf Augenhöhe umgehen, gerade mit solchen, die von anderen oft offen für ihre Herkunft angegangen werden. z.B. Mexikaner in "Der Superpapagei", "Das Atztekenschwert" oder "Die Geisterinsel", Ian in "Der Doppelgänger" oder eben der chinesische Junge in "Der grüne Geist".

    "Glaub nicht, ich sei verrückt, Eliot – viele haben merkwürdigere Abneigungen als diese."

  • Ein sehr schwieriges Thema.


    Ich vertrete unbedingt die Ansicht, daß man historische Stoffe so nehmen soll, wie sie sind und nicht im Nachhinein "politisch korrekt" umarbeiten sollte. Bei Tom Sawyer heißt es "Nigger" und das sollte man auch nicht nachträglich ändern. Das Buch ist eben so alt und spiegelt auch die Gesellschaft wieder in der es entstanden ist.


    Als nächstes wird Tante Polly dann emanzipiert oder was? :-)


    Nur weil hier zur Verdeutlichung der Fantasie eines Kindes etwas genommen wurde, was dem Kind bei der Erziehung schon suggeriert wurde als Bild. Zigeuner = Verbrecher. Wir alle haben Hörspiele dieser Art gehört..... und? hat uns das in einer Weise beeinflusst? Erst gemeinte Frage.


    Aber genau mit sowas fängt es doch an. Klischees und Vorurteile. Vielleicht lassen sich Kinder davon doch beeinflussen, wenn es Ihre Hörspiel-Helden so vorleben. Aber das können andere sicher viel besser beurteilen als ich.


    Sicherlich findet man in jeder Hörspielserie Beispiele für moralische oder politische Fragwürdigkeiten. Leute die nach solchen Kleinigkeiten suchen finden auch in einem Bild mit einer Sonne drauf immer einen Regentropfen.


    Du hast Recht, man kann in allem und jedem Diskriminierung sehen. Es schlägt ja dann meist auch in das Gegenteil um. Zum Beispiel das völlig verklärte Bild von Indianern.

  • Was die "???" angeht: Ja und nein. In den amerikanischen Originalen haben viele Figuren (Taro Togati, Torao und andere) einen Akzent, den man bei der deutschen Hörspieladaption dankenswerterweise nicht umgesetzt hat. Andererseits gibt es da den Mr. Chiang im "Tanzenden Teufel" und - natürlich - das Paradebeispiel Natches aus dem "Lachenden Schatten", bei denen man bei der Umsetzung im Hörspiel aber so was von daneben gegriffen hat.


    Das ist mir - und da bin ich dann durchaus wieder bei Marek - als Kind allerdings nie aufgefallen, was daran liegen mag, dass - Übereinstimmung mit Thomas - der Grundtenor bei den "???" eigentlich immer "völkerverständigend" war.


    Ob eine Figur in einem Hörspiel mit Akzent spricht oder nicht, ist für mich kein Ausdruck irgendeiner Haltung. Für mich ist eher entscheidend, wie echt oder unecht der Akzent klingt. Samira Chamfir mit ihrem Bausch-und-Bogen-Südländer-Roll-R-Akzent ("Schattenmänner") finde ich Mist, die offenbar echten Asiaten in "Schatz der Mönche" hingegen super.


    Schlaukackerische Anmerkung am Rande: So weit ich weiß, ist die Aussprache von L und R bei Asiaten keine Frage dessen, wie gut sie eine Sprache beherrschen, sondern eine Frage des Gehörs bzw. der kognitiven Verarbeitung der Laute. Will sagen, einige Asiaten können L und R phonetisch unterscheiden, andere nicht. Für die, die es nicht können, klingen L und R einfach gleich. Es ist also wohl nicht so, dass sie kein R sprechen können, sondern eher so, dass sie kein R hören können.

  • Ob eine Figur in einem Hörspiel mit Akzent spricht oder nicht, ist für mich kein Ausdruck irgendeiner Haltung.Für mich ist eher entscheidend, wie echt oder unecht der Akzent klingt.


    Eben.


    Schlaukackerische Anmerkung am Rande: So weit ich weiß, ist die Aussprache von L und R bei Asiaten keine Frage dessen, wie gut sie eine Sprache beherrschen, sondern eine Frage des Gehörs bzw. der kognitiven Verarbeitung der Laute. Will sagen, einige Asiaten können L und R phonetisch unterscheiden, andere nicht. Für die, die es nicht können, klingen L und R einfach gleich. Es ist also wohl nicht so, dass sie kein R sprechen können, sondern eher so, dass sie kein R hören können.


    Hier gibt's dazu eine Erklärung :


    "Weder im Chinesischen noch im Japanischen gibt es einen Laut, der dem deutschen "R" gleicht. Im Chinesischen gibt es einen "L"-Laut, aber kein "R". Im Japanischen gibt es weder ein "R" noch ein "L". Es gibt allerdings einen Laut, der wie eine Mischung aus beidem klingt.
    Im Bereich der Sprachforschung gehören "R" und "L" in die gleiche Laut-Klasse. Man nennt sie Liquide. Und weil sich die beiden Laute ähneln, setzen Chinesen da, wo sie ein deutsches "R" sprechen sollten, ein "L" ein und Japaner den Mischlaut. Ihnen ist das deutsche "R" völlig fremd. Sie müssen erst lernen, wie man es ausspricht."


    http://www.wdr.de/tv/wissenmachtah/bibliothek/r_und_l.php5

    "Glaub nicht, ich sei verrückt, Eliot – viele haben merkwürdigere Abneigungen als diese."

  • Es gibt bei Hoerspielen zwei grosse Herausforderungen mit denen man sich auseinandersetzen muss: 1. Menschen koennen nur durch ihre Stimme in Erscheinung treten, was oft dazu verleitet sie 'fremd' oder 'auslaendisch' sprechen zu lassen. Wenn jemand nur fremd aussieht, aber akzentfrei spicht geht der 'exotische' Aspekt schnell verloren. Hoerspiele muessen daher oft stimmlich ueberzeichnen, oder den auslaendischen Charakter zumidestens deutlich werden lassen. 2. Viele der Hoerspielvorlagen, vor allem im Kinder- und Jugendbereich, basieren auf Geschichten die entweder von Vielschreibern a la Enid Blyton oder Stefan Wolf basieren oder die generell kurze Kinderbuecher sind die ohne grosse, detaillierte Charakterstudien auskommen. Da wird, das Wortspiel moege man mir verzeihen, eben sehr viel 'schwarz-weiss' beschrieben. Dick, 'dunkel', Zigarettenraucher vs. freundliche, rundliche Frau die gerne kocht. Na, wer ist hier 'boese'?! Hinzukommt, dass eben Kinderhoerspiele nicht 7 Stunden dauern, sondern in einer knappen Stunde vorbei sein muessen. Es werden ja auch inhaltliche Zusammenhaenge (Boesewichter enden im Gefaengnis), Geschlechterbeziehungen (die blonde Gaby...) oder andere Attribute (Mut, Intellekt etc.) stark vereinfacht wiedergegeben. Bei all diesen Problemen liegt es auch am 'paedagogischen Beistand' wie man mit diesen Problemen umgeht. Gerade bei Kinderhoerspielen sind erwachsene Mithoerer gefragt, die erklaeren, warum Enid Blyton 'Zigeuner' herauspickt, oder wie es sich mit Stereotypen in der Wirklichkeit verhaelt. Man sollte das thematisieren, aber nicht gleich ueberreagieren.

  • Ansonsten kann ich aber in den älteren Hörspielserien, die ich besitze keine klischeehaften Überzeichnungen feststellen. Oder ich bin nicht sensibel genug dafür. Die drei ??? würde ich übrigens eher für ein Positivbild der damaligen Zeit halten, eben weil die drei mit vielen ausländischen Menschen absolut Partnerschaftlich und auf Augenhöhe umgehen, gerade mit solchen, die von anderen oft offen für ihre Herkunft angegangen werden. z.B. Mexikaner in "Der Superpapagei", "Das Atztekenschwert" oder "Die Geisterinsel", Ian in "Der Doppelgänger" oder eben der chinesische Junge in "Der grüne Geist".

    Da stimme ich dir zu. Wollte auch nichts anderes behaupten.

  • Wenn man nur Originalhörspiele betrachtet und keine Literaturbearbeitungen wie TKKG, ???, Fünf Freunde etc. hat man noch einmal einen anderen Blick auf das Thema.
    Ohne längeres Grübeln fallen mir da nämlich wenige Beispiele ein. Genauer zwei, und die haben viel gemeinsam.
    Ich denke an Inspecteur Garbouche aus der Serie "Scotland Yard" und Turbo vom Schlosstrio. Beide radebrechen aufs erbärmlichste (und haben zudem fantastische Sprachprobleme, die ein echter Ausländer niemals haben würde). Außerdem haben sie massive Probleme mit der Kultur des Gastlandes (Turbo mehr als Garbouche) und werden dadurch in gewisser Weise zur Witzfigur stilisiert. Allerdings darf man beide nicht unterschätzen, wie sich später heraus stellt.