Radio:Tipp
des Teams der Hörspiel-Freunde
Im "Radio:Tipp" empfiehlt das Team der Hörspiel-Freunde Radiohörspiele,
die in den nächsten Tagen gesendet werden.
Die Empfehlung für den
13.01.2013
Ab 18:00 Uhr sendet
das Hörspiel
Die Versuchung
von Benno Meyer-Wehlack
Produktion: NDR 1957
Regie: Fritz Schröder-Jahn
Länge: 32 Min.
Mit:
Der alte Mann: Erich Weiher
Der junge Mann: Gerd Martienzen
Ein beliebiger Tag, ein beliebiger Morgen. Ein alter Mann steht am Fluß
und angelt. Ein junger Kerl kommt vorbei, lustlos unterwegs zu einer
Fabrik in der Nähe, um nach Arbeit zu fragen. Er bleibt stehen, man
redet Anglerlatein, raucht, guckt in den Morgen. Plötzlich treibt im
Fluß ein dicker Fisch, eine Wasserleiche. Den Alten regt das nicht auf,
er hat schon viele vorbeitreiben sehen. Bürgerpflicht wäre, zur nächsten
Telefonzelle zu laufen und die Wasserschutzpolizei zu verständigen.
Besser, man schaut nicht hin, man hat mit den Bullen sonst nur Ärger,
weiß der Teufel, was die alles wissen wollen...
Der Junge hat irgendwann
einmal von einer Bergungsprämie gehört, und so holt er die Wasserleiche
dennoch ans Ufer. Schön ist der Kerl nicht mehr, aber er ist keins von
den armen Schweinen, die gewöhnlich in Flüsse fallen. In seiner Tasche
stecken Moneten, zweitausend DM in Scheinen, Kleingeld dazu. Was hat ein
Toter von seinem Geld? Die Polizei wird es einsacken. Hält man dicht,
reicht es vielleicht für einen Zigarrenladen mit zwei Schaufenstern, die
Namen des Alten und des Jungen über der Tür. Wenn man die Sache macht,
muß man sie gemeinsam machen. Und wenn es für einen Zigarrenladen nicht
reicht, reicht es für eine Selterswasserbude oder für einen
Würstchenstand, für irgendeinen kleinen Anfang.
Doch solche Fantasien,
solche Spekulationen rechnen nicht mit dem Toten im Gras. Ihn müßte man -
erst berauben und dann wieder ins Wasser schmeißen. Als die
Wasserschutzpolizei vorbeifährt, fallen beide aus ihrer
Wunschtraumwirklichkeit und rufen: "Wir haben eine Leiche hier!" Die
Versuchung ist vorüber. Eine Prämie dafür, daß sie bestanden wurde, gibt
es nicht. (aus: Heinz Schwitzke, Reclams Hörspielführer)
Ausgezeichnet mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden 1958