Jeff Lindsay - Des Todes dunkler Bruder (Radioropa)

  • Dexter Morgan ist eigentlich ein unscheinbarer, normaler Mann, der als Experte für Blutanalysen bei der Polizei von Miami wartet. Was die meisten Leute nicht wissen: Dexter ist ein Serienkiller! Keine Sorge, er bringt ja nur andere Serienkiller um, das dürfte einiges erklären und somit ist er ja eigentlich ein der Guten, oder? Nach dem erfolgreichen Mord an einem Seriemörder denkt Dexter, dass die Arbeit eigentlich getan wäre, doch dann taucht ein zweiter Killer auf, der nach dem Schema des ersten Mörders arbeitet. Das bringt Dexters Leben aus den Fugen, denn damit hat er nicht gerechnet und er nimmt die Herausforderung an!


    - Meinung -


    Jeff Lindsay legte mit diesem Roman sein Debüt hin und das hat es auch gleich mächtig in sich und mit Dexter Morgan hat er direkt eine Figur erschaffen, die absolutes Kultpotential besitzt. Der Aufhänger an sich, dass ein Mann, der eigentlich bei der Polizei arbeitet, selber als Killer Serienkiller ermordet und scheinbar nicht ganz bei Trost ist, ist das das Geld schon wert. Doch es gibt natürlich auch noch einen richtigen Fall, nämlich die Suche bzw. Jagd auf den "echten" Serienkiller, den Dexter als eine Art Konkurrenz ansieht. Hier geht es nicht gerade zimperlich zu, eine gesunde Härte wird neben dem äusserst schwarzen und makabren Humor geboten, doch die Story artet nie in sinnfreies Gemetzel aus, ein hohes Niveau wird angestrebt, erreicht und auch gehalten. Lediglich die Übersetzung machte mich teilweise etwas stutzig, denn ich glaube kaum, dass Labormitarbeiter als "Schwachköpfe" bezeichnet werden, wenn vermutlich von den sogannten "eggheads" die Rede ist oder dass es in Miami sowas wie "Berliner" zu essen gibt. Das sind aber wirklich nur klitzekleine Punkte, die mir auffielen, zumal diese nicht mal direkt was mit der Vorlage Lindsay oder der Umsetzung durch Radioropa zu tun haben. Lange Vorstellungen muss man hier übrigens nichts befürchten, hier geht es relativ zügig zur Sache und man ist umgehend mittendrin in der doch recht kranken Welt des Herrn Morgan und es wird ein erstklassiger Fluss samt gutem Tempo geboten, es sollte also niemanden verwundern, wenn das Hörbuch in einem Rutsch gehört wird. Storytechnisch stark, packend, fesselnd!


    Der Vorleser ist Alexander Bandilla und dieser Name dürfte den meisten Hörern herzlich wenig sagen. Wer jetzt damit rechnet, dass hier ein untalentierter Mann als Erzähler fungiert, der nicht mal einen Satz fehlerfrei von sich geben kann, der irrt sich gewaltig. Bandilla mag kein Szene-Schwergewicht sein, aber er ist für dieses Werk der richtige Mann, gar keine Frage. Anfangs ist seine Stimme und Performance recht gewöhnungsbedürftigt, doch nach und nach gewöhnen sich Hörer und Sprecher mehr aneinander und Bandillas Darbietung könnte nicht passender sein. Mal vollkommen neutral und sachlich, dann wieder leicht schräg und mit einer guten Portion Sarkasmus versehen, alles leicht ironisch vorgetragen, aber stets der Situation angepasst und treffend. Es gibt wirklich wenig an seiner Performance auszusetzen, lediglich den Rang "Sergeant" französisch auszusprechen geht mal gar nicht oder ist Miama eine französische Kolonie und ich habe irgendwas verpasst? Wohl kaum! Zwar gewöhnt man sich mit der Zeit daran, trotzdem hätten die Macher das vermeiden sollen bzw. bei der Regie hätte aufmerksamer gearbeitet werden dürfen.


    Wäre diese Produktion noch inszeniert gewesen, dann hätte ich mich vermutlich vor Freude überschlagen, doch so wird "nur" eine reine Lesung abgeliefert. Das geht aber dank der guten Darbietung von Alexander Bandilla in Ordnung und die Story an sich zieht die Hörerschaft auch so gekonnt in ihren Bann, so dass sich niemand sorgen machen muss, dass es hier keine Atmosphäre gibt. Das Gegenteil ist der Fall, sie ist vorhanden und äusserst dicht.


    Der Auftakt ist grandios und Dexter Morgan dürfte der liebenswürdigste Killer aller Zeiten sein, denn er ist immerhin einer von den Guten, auch wenn er scheinbar nicht ganz bei Sinnen ist, aber mal ehrlich, brauchen wir noch mehr perfekte Helden? Nein, sicherlich nicht, deshalb bietet Jeff Lindsay mit Dexters Eskapaden eine neue Art von Held, wie es ihn noch nie zuvor gab. Wer es schwarz, düster und skurril mag, der ist hier an der richtigen Stelle!


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  • Des Todes dunkler Bruder
    (Originaltitel: Darkly Dreaming Dexter)

    Ungekürzte Lesung des Romans von Jeff Lindsay.
    Gelesen von Alexander Bandilla
    (Radioropa Hörbuch)


    7 Audio-Cds
    1 MP3-CD
    Länge: 7 Std. 32 Min.


    ISBN-Nr. 978-3-93904-816-9



    Inhaltsangabe des Verlags:
    Dexter Morgan arbeitet als Spezialist für Blutanalysen bei der Polizei von Miami - und mordet gerne. Aber seine Morde dienen einem höheren Zweck: Jedes Mal, wenn er zuschlägt, erwischt es einen ganz gewöhnlichen, brutalen Killer. Einer weniger! Doch als plötzlich ein zweiter Serienkiller auftaucht, der auf genau dieselbe Weise mordet, gerät Dexters wohlgeordnetes Leben völlig aus den Fugen. Offensichtlich legt es der Andere darauf an, ihn herauszufordern…



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    Jeff Lindsay ist einer der wenigen Autoren, die gleich mit ihrem Debütroman für berechtigtes, damals indes noch nicht gehyptes Aufsehen sorgt. Dexter Morgan ist seither binnen kürzester Zeit vom Geheimtip zum Serienliebling aufgestiegen - die x-fach nominierte und bereits mehrfach ausgezeichnete TV-Serie geht bereits in die vierte Staffel. Nicht grundlos, denn Lindsay schuf mit Dexter eine wahre Koryphäe im Bereich der Charakterisierung von Serienkillern im fiktiven Bereich. Ja, gewiss: Dexter Morgan arbeitet für das Miami Police Department. Er jagt Mörder, Vergewaltiger und anderen Abschaum mit legalen Mitteln, rekonstruiert Tathergänge durch das Auswerten von Blutspuren und deren Mustern - obwohl ihm Blut zutiefest verhasst ist. Nur sobald Vollmond ist, wird aus dem gewissenhaften, leicht an einen Nerd erinnenden Dexter ein Tier. Zwar geht er nach wie vor seiner eigentlichen Tätigkeit nach und spürt Mörder etc. auf, doch keinesfalls, um sie dem Richter zu überführen. Stattdessen lässt er seinen „dunklen Passaiger“ das Ruder übernehmen und metzelt die hin, die sich mit ihren grausamen Taten ihrer Strafe dennoch entziehen konnten. Robin Hood und Hannibal Lecter in Personlaunion, quasi.


    Die dunkle Seite Dexters, der obig genannte „Dunkle Passagier“, ist es auch, der Dexter an sich, den Charakter so einzigartig in der modernen Thrillerliteratur macht. Entweder hat man den durch und durch guten Detective, der die Halunken zu Fall bringt, oder den bewußt „angedreckten“ Detective, der trotz Suff und schweren Gewaltproblemen selbiges tut. Oder, auf der anderen Seite des
    Gesetzes natürlich, die wahnsinnigen Killer, die die immer und immer gleichen Inkarnationen von Klischees sind.
    Nicht so Dexter. Jeff Lindsay hat ihn als völlig kaputte Persönlichkeit geschaffen, er selbst glaubt keine Emotionen zu haben, ent-menschlicht im wahrsten Sinne des Wortes. So wirkt es anfangs zwar seltsam, später jedoch zutiefst konsequent, wenn Dexter über eine geköpfte Leiche ebenso im Plauderton philosophiert wie über das Problem, das er die Donuts für seine Kollegen vergessen hat: Dexter ist wohl mit Hannibal Lecter der einzige wortwörtliche Un-Mensch, der durchaus so etwas wie Sympathie hervorrufen kann. Das mag bizarr anmuten und ja, es hat die (Doppel-)Moralapostel natürlich auch auf den Plan gerufen und dennoch kommt man nicht umhin, Dexter irgendwie doch zu mögen, denn trotz der Morde ist gerade Dexters Inneres, seine Monologe, seine Reaktionen auf Alltägliches wie Aussergwöhnliches, nicht nur interessant geschrieben, sondern einfach „likeable“. Er ist nicht überheblich. Er hält sich nicht für einen Superhelden. Er hat Probleme, die wir zum Teil nachvollziehen können, die wir zum Teil aber auch nur zum Schreien komisch finden, etwa wenn er mit Anbandelungen einer Kollegin völlig überfordert ist.



    Wie wirkt das Ganze nun als Hörbuch? Ganz einfach: Absolut überzeugend, denn man hat mit Alexander Bandilla nicht weniger als DIE Stimme für Dexter gefunden: Im ruhigen Plauderton führt Dexter seine bizarren Monologe über den Mensch an sich, übt seine Bewunderung für die „Arbeiten“ anderer Killer im ebenso plauderartigen Ton aus wie Gespräche mit Kollegen über die bereits erwähnten Donuts. Bandilla bringt diesen schrägen Charakterzug Dexters punktgenau rüber, diese Gratwanderung zwischen bizarrer Glaubwürdigkeit und angemessener Distanz gelingt ihm wortwörtlich spielend und die Gefahr, in die Tiefen des Overactings und der übertriebenen Unglaubwürdigkeit zu stürzen, kommt beim Hören nicht einmal ansatzweise auf.


    Zugegeben, die ersten paar Minuten und somit auch das bitterböse erste Beiwohnen einer von Dexters Hinrichtungen, mutet sehr seltsam an, weil eben die tatsächlichen
    Grausamkeiten in obig erwähnten ruhigen Plauderton gelesen werden und man Dexter, bzw. sein schräges Ich noch nicht kennt, doch nach und nach bekommt man Einblicke in Dexters Inneres und spätestens dann ist Bandilla Dexter. Überraschenderweise ist Bandillas Dexter auch extrem nah an Michael C. Halls TV-Serien Dexter - und das, obwohl die Serie erst um Einiges nach dem Hörbuch erschien.


    Es bleibt also nur eine ganz glasklare Empfehlung für „Des Todes dunkler Bruder“. Jeff Lindsay hat mit Dexter ein faszinierende Figur geschaffen, diese in einen packenden Katz- und Mausthriller geworfen und dank der bizarren Charakterzüge Dexters dem Ganzen eine Komponente hinzugefügt, die man in dieser Form bislang im Genre nicht kannte und die die Geschichte ungeheuer spannend und unvorhersehbar macht.
    Alexander Bandilla als Erzähler ist zudem ein Volltreffer: Er bringt die bizarre Sicht Dexters vortrefflich rüber, spielt diesen Charakter voll aus und lässt Dexter lebendig werden.


    Wer von klischeetriefenden Inkarnationen immer gleicher (Anti-)Helden-Cops und Innovationsarmut im Thriller-Genre genug hat, sollte sich „Dexter“ geben - es ist bizarr, es ist hart, es ist vor allem ungemein spannend, wie sich dieser allen Konventionen wiedersetzende Charakter im Plauderton durch seine selbst genannte Attraktion schlägt: Nicht Disneyland - willkommen in Dahmerland!


    Zu der ohnehin rundum gelungenen Produktion gesellt sich noch ein Positivum: Neben den 7 Audio-CDs liefert Radioropa noch eine MP3-CD mit, so daß das Befüllen des mp3-Players oder das Aufnehmen in die heimcomputerische Mediensammlung nicht erst langwieriges Rippen voraussetzt - vorbildlich! | (RS)