Michael Ende - Der Spiegel im Spiegel (MediaBühne Hamburg / steinbach sprechende bücher)

  • Was spiegelt sich in einem Spiegel, der sich in einem Spiegel spiegelt?


    Eine verwirrend klingende Frage auf die man wohl keine greifbare Antwort erhalten kann und gleichzeitig das Konzept welches hinter Michael Endes Kurzgeschichtensammlung "Spiegel im Spiegel: Ein Labyrinth" aus dem Jahr 1983 steht. Selbige wurde nun von Mediabühne Hamburg in Hörspielform umgesetzt und veröffentlicht bei Steinbach Sprechende Bücher in zwei Staffeln zu je zwei CDs.


    Michael Ende dürfte den meisten als Autor der "unendlichen Geschichte", "Momo" oder dem "Wunschpunsch" ein Begriff sein. Voller Fantasie schickt er hier vornehmlich junge Leser auf Reisen in andere Welten. Diese Werke bewegen sich dabei fernab der ausgetretenen Pfade des Genres "Fantasy" welches heute maßgeblich durch das Werk Tolkiens beeinflusst ist. Wichtig dabei ist auch, dass er immer wieder in seinen Geschichten zu realen Situationen zurück findet. Mit "Spiegel im Spiegel" ging er allerdings noch einen Schritt weiter als in seinen bekanntesten Werken.


    Inspiriert durch surrealistische Gemälde seines Vaters Edgar schuf Ende 30 Visionen/Traumbilder in denen er laut eigener Aussage nicht einfach die Bilder beschreibt, sondern deren hintergründigen Inhalt in Texte auf- und umarbeitet. "Was spiegelt sich in einem Spiegel, der sich in einem Spiegel spiegelt?", mit dieser Kernfrage befasst sich das Werk. Obwohl die Geschichten jeweils eigene Hauptfiguren besitzen und inhaltlich breit gefächert sind lässt sich ein loser Zusammenhang erkennen. Im Fokus steht die Auseinandersetzung mit Themen wie Anfang, Ende, Liebe, Gesellschaft, Erwachsenwerden, Veränderungen und sonstigen Fragen über das Leben. Die Tatsache, dass man beim Hören nie weiß was man als nächstes erwarten kann hält die Spannung enorm hoch. Denn hört man beispielsweise gerade noch eine relativ greifbare Geschichte über einen wartenden Schauspieler hinter dem Bühnenvorhang, kann man danach schon lauschen, wie Michael Ende das Abbrennen eines Feuers als eine Fest tänzelnder Flamme schildert. Oder wird zB der Bau einer Brücke beschrieben, wobei sich das Volk gar nicht sicher ist, ob es eine andere Seite gibt, mit der man diese Brücke erreichen könnte. Wieder in einer anderen Episode versucht ein Bräutigam seine Braut zu erreichen um sie zu heiraten. Der vermeintlich kürzeste Weg entpuppt sich als schier endlose Wüste und bis zu seinem Eintreffen ist der Bräutigam so weit gealtert, dass er kurz vor seinem Tode steht.


    Antworten auf die aufgeworfenen Fragen und angerissenen Situationen liefert der Autor nicht. Ziel ist die Beschäftigung des Hörers mit den Fragen. Obwohl die geschilderten Situationen so surreal und abstrus sind, driften sie nicht zu stark in die abstrakte Kunst ab. Dies könnte beim Hörer zu Abstoßung führen, aber die Geschichten behalten Ihre Greifbarkeit dadurch, dass man die Themen in alltagsnahe und jedem bekannte Situationen verpackt. Wenn diese so bunt und abwechslungsreich wie hier geschildert werden ist dies eine echte Freude. Die Hörspiele fordern und fördern, regen zum Nachdenken über Fragen an, die man sich wohl sonst nicht gestellt hätte.
    Die Umsetzung zum Hörstoff ist dabei hervorragend gelungen. Je nach Vorlage gibt es überwiegend Hörspiele mit mehr oder minder intensivem Erzähleranteil oder reine Lesungen. Die deutsche Sprecher-Prominenz gibt sich dabei die Klinke in die Hand und liefert durch die Bank gute bis sehr gute Interpretationen. Um ein paar Namen zu nennen: Mario Adorf, Gudrun Landgrebe, Oliver Rohrbeck, Manfred Lehmann, Heinz Hoenig, Jens Wawrczeck, Joachim Kerzel, Tobias Meister, Uwe Friedrichsen und viele mehr. Kleine Highlights für mich sind Frank Glaubrecht als Erzähler, den ich sonst nur aus gespielten Rollen kenne und Gunter Gabriel, den ich in Zukunft sehr gerne öfter in Hörspielen hören würde. Eine echte Entdeckung!


    Um der Sahnehaube noch die Kirsche aufzusetzen, bleibt man nicht nur bei Themen- und Sprecherwahl abwechslungsreich, sondern bietet musikalisch individuell angepasste Stücke. Maßgeschneidert und nie störend, ich wüsste nicht wie man es hätte besser machen können.


    Ich rate dazu nicht zu viele Geschichten auf einen Schlag hintereinander zu hören, sondern sich nach und nach mit den einzelnen Kurzhörspielen auseinanderzusetzen. Wer sich die Zeit und Ruhe nimmt diese Hörspiele zu genießen wird inhaltlich wie technisch mit einer hervorragenden Produktionen belohnt. Fantasievolle Geschichten zu philosophischen Fragen - Surrealismus der den Bogen zum Alltag spannt. Von mir eine klare Empfehlung!


    [amazon]3869740701[/amazon]
    [amazon]3869740906[/amazon]