Man kennt das Spiel:
Man/n, bzw. Frau hört Hörproduktion und, oh Schreck, es gefällt nicht. Jessa. Bis hierhin noch kein Problem - der Verlag, das Label hat sein Geld und damit gut ist... - denkt sich mancher "Macher". Schließlich hat man ja Zeit, Geld und vor allem Herzblut in das Projekt investiert, das jetzt die Käufer beglücken soll. So, bis dahin völlig nachvollziehbar. Abstrus wird es indes, wenn man in "Macher"-Position jetzt scheinbar einen schweren Schub bekommt und zwar vorgeblich natürlich Kritik möchte, gute wie schlechte, aber querweb mit einer Penetranz auf "unabhängige" und gute Meinungen verweist, sobald mal (begründete, berechtigte) Kritik am Produkt geäußert wird.
Ich möchte es so sagen: Ich kann es nachvollziehen, aber gemeinhin sollte man sich dann mit diesen Penetranzattacken und Anfeindungen gegenüber Kritikern doch etwas zurückhaltend zeigen. Natürlich kann man "Arschloch, Wichser, Hurensohn, deine Eltern sind Geschwister" im Zornesrausch tippen, auf's Thema bezogen wohl eher: "Die blöden Kritiker stinken alle und wollen uns doch nur kaputt machen". Aber dann auch abschicken?
Nein!
Schauen wir doch mal, wie es im normalen Leben läuft: Ein Kind, das beim Heranwachsen nie, nie, nie (konstruktive) Kritik erhält, wird was? Richtig: Ein verzogenes Blag, das vermutlich 24/7 rumplärrt und sowohl die kritisierenden Eltern, als auch unbeteiligte Herumstehende nervt! Wie soll sich das Kind denn entwickeln, wenn es beispielsweise nachdem es das Dreirad in Brand gesteckt und in Nachbars Heuhaufen bugsiert hat, nur hört: "Och, Kevin-Justin, das hast du aber toll gemacht. Guck mal, wie schön der Heuhaufen brennt!"?
Natürlich sollte man Kritik dann nicht in Form von "Kuck dir das an, du Scheiße, du! Ich schlach dich tooot!" äußern, sondern schon deutlich sagen: "Das war Stuhl, mein Gutster. Nachbars Heuhaufen in Brand zu stecken ist verboten, macht den traurig und kostet viel Geld." Boah - un-fucking-believable: Da wird doch tatsächlich kritisiert - vielleicht sogar so, daß das Kind jetzt lernt: Nachbars Heuhaufen in Brand stecken ist nicht gut, weil: Geld, traurig, verboten. Wenn das Kind jetzt nicht völlig lernresistent ist, wird wohl kaum das nächste Bobbycar brennend in besagten Heuhaufen rauschen. Da hat sowohl das Kind was von (es lernt und wird so künftig ggf. vor Strafen und/oder Kosten geschützt), als auch die "Kritiker", die nun in Rolle der Eltern hier wohl kaum mehr alle paar Minuten nach brennenden Bobbycar-Schwadronen Ausschau halten müssen, die sich wie eine Flammenwand auf Nachbars Grundstück zubewegen...
Kritik ist nicht böse gemeint, sie ist auch ganz gewiss nicht dazu gedacht, "arme kleine Labels" zu "vernichten". Kritik soll zwei Dinge erfüllen: 1) potentiell interessierten einen subjektiven(!) Bericht zu liefern, begründetermaßen die persönlich empfundenen "Pros" und "Cons" aufzulisten. Und 2) möchte man dem "Macher", Studio, what-ever Feedback geben und darauf hinweisen, was gut/super oder verbesserungswürdig war. Daß die Meinungen dabei zwangsweise auseinanderlaufen, ist so klar, wie das Amen in der Kriche. Wer sich jedoch in den Irrglauben verrent, Kritik sei einzig in Form billiger Lobhudelei gültig (und auch nur dann "unabhängig"...), der sollte vielleicht mal 1, 2 Minuten die Hirngrütze anschmeißen. Sicher, ich gebe schon zu, daß es bei Kritikern einige, ich drücke es mal vorsichtig aus, "seltsame Einstellungen" gibt, die (mir persönlich) nicht nachvollziehbar erscheinen. Da zeigt sich dann indes auch direkt wieder die Notwendigkeit, Begründungen in Rezensionen aufzuführen - denn wenn ich ohne nachvollziehbare Begründung (nachvollziehbar ist nicht im Sinne von "ist genau meine Meinung" gemeint, sondern schlicht das: nachvollziehbar) auf ein Produkt abfeiere oder eben die rezensionsmäßige "rote Karte" ziehe, dann ist das -für mich- nicht viel mehr Wert als die beliebten hohlen Einzeiler: "Geil, weil geil!" oder "Scheiße, weil scheiße." Aber hier geht es auch nicht um diese, sondern um ausformulierte Kritik. Und da sollte man als "Macher" schon ein gewisses Selbstreflektionsvermögen haben und seine Produktion vielleicht nicht als -überspitzt formuliert- Gottesgeschenk an die Menschheit ansehen und nur positive "Kritik" gelten lassen, weil negative Kommentare scheinbar per se "nicht unabhängig" sind.
Sinnloses Abfeiern oder begründungloses Zusammenkloppen bringt niemandem was, weder den potentiellen Kunden, noch den Machern. Aber mit vehementer Penetranz nur gute "unabhängige" Meinungen durch's ganze Web zu zerren und die "bösen Negativkritiken" als "abhängige" (wovon?!?) oder nicht erwünschte Störereinwürfe zu präsentieren, bringt auch keinem was: Weder den potentiellen Kunden, noch den Machern - zumindest auf Dauer. Und wenn man es immer noch nicht akzeptieren kann oder will: Kostenpflichtige Produktionen, bzw. Produkte werden von den Kunden gekauft, ergo zahlen Leute dafür Geld. Dann ist aber auch gleichsam Kritik am Produkt per se schon erforderlich. Denn im Restaurant würden sicher auch die entsprechenden "Macher" vielleicht mehr, vielleicht weniger dezent darauf hinweisen, wenn der Koch ihr essen suboptimal kredenzt hätte.
In diesem Sinne: Kritikfähigkeit ist sicher nicht leicht zu erlernen, aber gerade wenn ich auf der Herstellerseite bin, sollte man sein Idealbild von "alle finden mein Produkt toll" etwas abwandeln können. Man wird nie mit einem Produkt alles und jeden zufriedenstellen können - dafür hat jeder Mensch einfach unterschiedliche Präferenzen und Abneigungen. Und Kritik, so sie denn nachvollziehbar begründet ist, ist keinesfalls ein Afront auf das produzierende Individuum, sondern schlicht das: Eine subjektive Meinung zu einem gehörten, gesehenen, gelesenen Produkt und ein Feedback für den "Macher".
Und beiden sollte man ehrlich begegnen und sie nicht mit einem erlogenen Gutschi-Gutschi-Bunti-Bunti-Plüsch-Traumland verladen, was seitens der Leser dann spätestens nach dem zweiten, dritten mal als solches durchschaut würde. Somit sehe ich persönlich es so: Kritik, auch negative, sofern sie begründet und nachvollziehbar (nochmal: nachvollziehbar heißt nicht, daß die geschriebene Meinung die gleiche Meinung wie die des/der Leser/in ist!) dargelegt wird, schadet der Branche nicht, sondern nützt letztlich beiden Seiten: Den Kunden, als auch dem "Macher". Niemand kommt mit dem "Goldenen Hörspiel im Player" auf die Welt, zumindest nicht für alle und jeden auf diesem Planeten. Und solange die Menschheit nicht spontan von den Borg assimiliert wird, wird es Meinungen geben, die sich unterscheiden - für die einen ist Produktion X "The Second Coming of Christ", für die anderen eine intonierte Apokalypse. Die Fragen sind nur: Ist es nachvollziehbar begründet? Und wenn ja: Kann ich mir als Macher da vielleicht etwas von annehmen? Und damit meine ich jetzt nicht, daß gleich wieder obig erwähntes Blag-Verhalten zur Schau gestellt wird.
Ronny Schmidt.