Alles Geschmacksache, oder was?

  • Mal wieder eine schöne Grundsatzdebatte:
    Kann man alles als Geschmacksache abtun oder nicht?


    Meine Meinung: Geschmackssache ist vieles, stimmt - aber bei gewissen Dingen heuchelt man meiner Meinung nach damit einfach Ignoranz.
    Wenn mir jemand weismachen will, eine übelst schnarchig inszenierte Actionszene(!), in der ein Erzähler in abgekupferter Kluckert-Manier gaaaaaanz langsaaaam - Pause - und -Pause- gemächlich erzählt, wie die sich die Grashalme, die gestern erst vom Gärtner mit Samen, die aus Jekyll's Supers stammten und von einem 3beinigen Mutanten, dessen Familie in den Hügeln von Hilly Rock, in welchem 1943 Atombombentests, welche Jimmy Banani beim Kacken angeordnet hat, nachdem er am Abend zuvor schlechtes Chili, zubereitet nach afromexikanischer Art, welches ein Schwager dritten Grades, der bei einem Verkehrsunfall damals eine Eintagsfliege ohne Erlaubnis überfuhr und.... -- nein! Sorry, wer diese -zugegeben überspitzte, dennoch mal in dieser Richtung gehende- Art der Inszenierung für gut hält, der hat in meinen Augen wirklich entweder nicht mal eine eigentlich allgemein vorhandene Grundahnung von Dramaturgie oder ist einfach ignorant oder will auf Teufel komm raus den Advocatus diaboli raushängen lassen.


    Was ich damit sagen will?
    Ganz einfach: Für mich gibt es Dinge, die sind ohne Frage Geschmackssache. Es gibt allerdings auch einige Aspekte, da gilt dies nicht zwingend (da hatten wir schonmal das Wort "subjektive Objektivität)- erst recht nicht, wenn man sich in Grenzbereichen wie Overacting oder technische Unzulänglichkeiten bewegt. In solchen Momentan kann Geschmackssache auch schön zum Totschlagargument werden.



    Wie seht ihr das?
    Lieg ich da total falsch?

  • Dann will ich gleich mal den Advocatus Diaboli spielen und sagen, du hast teilweise recht.


    Gehen wir mal von einem konkreten Beispiel aus. Vampira, immer wieder gerne genommen, nicht wahr?
    Zwei Seiten stellen völlig unabhängig voneinander fest, dass es in Folge eins einen sehr hohen Erzähleranteil gibt. Das ist zuerst mal das, was man eigentlich recht objektiv festhalten kann. Nun geht es los mit Geschmack, Meinung etc.
    Wo der eine sagt, dass ihm das Hörspiel zu langatmig und langweilig wird, fühlt sich der andere vielleicht gerade aufgrund der etwas trägeren Art und Weise des Erzählens gut unterhalten und überhaupt nicht gestört.


    Anderes Beispiel - auch hier greife ich in die aktuelle Hörspieldiskussionskiste. Burns. Frage: wie viele Antworten braucht der Mensch? Wie viele Antworten reichen den Leuten aus? Einige hatten schon nach Folge 8 genug, weil Ihnen das Geschehen einfach zu undurchschaubar geworden ist, andere haben dagegen vehement verteidigt, dass es sich ja um eine Mystery-Serie handle und gerade die offenen Fragen den Reiz der Serie ausmachten. Jetzt sind wir wieder an einem Scheideweg angelangt. Nach den beiden letzten Folgen fühlen sich viele ob der leeren Versprechen einfach enttäuscht, andere dagegen haben auf diese Ankündigungen nicht viel gegeben und waren schon allein mit dem hohen Produktionsstandard zufrieden. Da hat es dann auch nichts gemacht, dass es wie man ja recht objektiv feststellen kann, nur wenig konkrete Antworten gab. Was den einen sauer aufstößt, lässt andere einfach vollkommen kalt.


    Noch ein Beispiel (heute habe ich es aber mit meinen Beispiele :D ) - Die Dr3i. Auch hier gabs in den verschiedenen Fanforen zum Teil sehr hitzige Diskussionen wegen der Änderungen, die einige als hochgradig gravierend fanden, andere als eher belanglos (ich spreche in diesem Fall erstmal nur von den Namen, Covern, dem Titel, etc. - Wie die Hörspiele letztendlich sind, muss wohl einfach abgewartet werden). Tja, sind die Änderungen denn nun schlimm oder sind sie es nicht? Fakt ist, es gibt die Änderungen. Fakt ist aber auch, dass diese ganz unterschiedlich aufgenommen werden. Es bleibt daher letztendlich jedem selbst überlassen, ob er der neuen! Serie eine Chance gibt, oder ob er das nicht tut. Je nach eigenem - und schon sind wir wieder bei dem Wort - Geschmack.


    Und weil du auch das Thema Overacting etc. ansprichst. Da passt das Beispiel von eben auch ganz gut. Man kann Overacting durchaus halbwegs objektiv feststellen. Einige empfinden das aber als weniger schlimm als andere. Ich denke da nur an die Diskussion zu "Der gestohlene Preis".


    Worauf ich hinaus will: Es gibt also immer einen gewissen Teil, der sich objektiv oder zumindest teilweise objektiv feststellen lässt. Wie man diese Fakten dann beurteilt, da spielt der Geschmack einfach eine, nein DIE entscheidende Rolle. Insofern sage ich, dass letztlich alles irgendwo Geschmacksache ist.

  • Alles ist Geschmackssache, das stimmt absolut.
    Nur kann mir keiner erzählen, dass ein Hörspielproduzent den Geschmack einer Mindrheit treffen will. Und von so ziemlich allen als langweilig empfundene Sachen wie zu hoher und zu gemächlicher Erzähleranteil können durchaus von einem gewissen Hörerkreis geschätzt werden, dieser ist aber die Minderheit.


    Man wird auch immer ein Publikum finden für eine Tanztheaterperformance, in der zwei Männer in weißen Stretchanzügen 3 Stunden lang um einen Stuhl springen. Aber die große Masse wird währenddessen "Les Miserables" oder "Das Phantom der Oper" gucken, jede Wette.


    Daher bin ich sicher, dass sich jeder Produzent retten kann mit seiner festen Absicht, für einen bestimmten Geschmack zu produzieren. Aber gerade im Sinne einer Serie hätten die Macher vielleicht versuchen sollen, den breiten Geschmack der Masse anzusprechen und nicht den Geschmack de kleinen Minderheit, die auf gepflegtes, langweiliges und verqueres Amateur-Kammerspiel steht.


    Viele Grüße vom Hörspielpapst.

  • Ich finde das durchaus auch eine Minderheit eine gewünschte Zielgruppe darstellen kann.


    Nicht umbedingt zählt die technische Perfektion und auch scheinbar technische Unzulänglichkeiten können gewollt sein. Dann muss dies der Produzent aber auch so sagen bzw. muss erkennbar sein das die offensichtlichen Fehler gewollt sind. (z.b. Bildqualität und Ton bei einem modernen Film der in der Vergangenheit spielt) Und dann kann ich auch akzeptieren das es jemand gut findet, wenn es meine Wellenlänge nicht trift.

  • Kurz und knapp: man sollte Dinge nach einem gewissen Schema bewerten können und dürfen, und dabei kulturelle Erzeugnisse jeglicher Art (!) qualitativ (!) miteinander vergleichen können. Das kann genre-intern oder auch übergreifend durchaus passieren und ich denke, dies kann ohne jeglichen Verweis auf Geschmackssachen geschehen, die meist wirklich nix anderes als Ausreden sind. Ein Beispiel (mein Lieblingsbeispiel): der eine mag Otherland eine überstrapazierte Kompliziertheit in den Verwicklungen der einzelnen Handlungsstränge vorwerfen, andere loben das Maß an komplexem, anspruchsvollem Tiefgang. Das ist in meinen Augen "Geschmackssache", die aber objektiv qualitativ bewertet werden kann. Man kann sagen: das gefällt mir nicht, muss aber auch anerkennen können, dass ein Werk in sich gelungen, seine Machart hervorragend ist. So viel Gespür sollte man als Kritisierender mit sich bringen... sonst hat man diesen Titel nicht verdient.

  • Weil du das Thema Kritisierender/Kritiker ins Spiel bringst:


    Ich denke als Kritiker versucht man ohnehin (in diesem Fall) ein Hörspiel so objektiv wie möglich zu beurteilen. Natürlich wird man dabei den eigenen Geschmack nicht völlig außen vor lassen können. Wie soll das auch gehen? Aber selbst bei einer völligen Abneigung z.B. gegen Vampirstorys kann ich ein Hörspiel dieses Genres als gut bezeichnen, wenn es denn wirklich gut gemacht ist. Vielleicht mit einem Hinweis, dass mir Vampirgeschichten normalerweise nicht so zusagen, aber das Hörspiel durch seine Machart besticht.
    Ein normaler Hörer (ohne hier pauschalisieren zu wollen) würde an dieser Stelle vielleicht nur hergehen und das Hörspiel aufgrund seiner Thematik von vornherein als Müll abstempeln.


    Auch wenn ich der Ansicht bin, dass es letztendlich immer noch Geschmacksache bleibt (warum, siehe oben), denke ich, dass Diskussionen bzw. das Gegenüberstellen von verschiedenen Ansichten (argumentativ versteht sich) durchaus sinnvoll ist und sogar dazu führen kann, dass Leute ihre Ansicht zu einem Produkt aufgrund dieses neuen Blickwinkels verändern.

  • ME kann vieles, aber eben nicht alles Geschmacksache sein. Es gibt Dinge, die einfach positiv oder negativ sind, egal, ob sie einem gefallen oder nicht.


    Maltins "Otherland"-Beispiel ist in dieser Hinsicht sehr passend. Ähnlich ist es z. B. bei Gabriel Burns. Um da zwei Punkte herauszugreifen: Wir haben ein sehr gut gemachtes Hörspiel, bei dem aber z. B. die Rahmenhandlung nicht auf den Punkt kommt. Wenn man das mal ganz losgelöst vom persönlichen Standing zu der Serie betrachtet, kann man das wohl so abnicken. Allerdings wird der eine vielleicht sagen, dass ihm die Rahmenhandlung egal ist, Hauptsache, das Hörspiel ist brilliant. Der andere wird sagen, Das kann technisch noch so gut sein, wenn das nicht zu Potte kommt, ist das für die Tonne.


    Das Problem ist aber, dass bei vielen "Kritiken" der Geschmack des Kritikers die - ich sag mal - Fakten überlagert. Wenn ich da so einige Rezis von mir ansehe, kann ich mich da auch nicht frei von machen. Es ist leider oft so, dass einen der persönliche Gesamteindruck der Produktion schon deutlich steuert. Will sagen, hat einem das Hörspiel gut gefallen, sieht man auch leichter über ein paar Defizite hinweg - ging es einem gegen den Strich, wird auch gern der kleinste Fehler aufgezeigt.


    Ähnlich verhält es sich ja oft bei Kritiken zu Produktionen kleinerer und größerer Label. Hier lässt man ja auch den "Kleinen" gerne eher mal was durchgehen. Aber auch das sollte seine Berechtigung haben. Denn von einem Label, dass richtig Geld im Kreuz hat, hat einfach ganz andere Möglichkeiten als der gemeine Feierabendhörspielbastler.


    Würde man die Qualität eines Hörspiels nur an den Fakten festmachen (können), bekämen wir zwar recht gleichartige Rezis, aber ob das sooo informativ wäre, wage ich zu bezweifeln. Ohne das persönliche Empfinden hineinzubringen und positive wie negative Aspekte nach eigenem Gusto zu gewichten, wäre es ja auch langweilig.


    Abér: Es gibt leider auch einige Fälle, die ich leider auch bei aller Toleranz nicht nachvollziehen kann. Wenn nämlich Scheiße zu Gold (in Einzelfällen vielleicht auch umgekehrt, aber da fällt mir kein einziges Beispiel ein) geschrieben wird. Dass ein mit Mängeln behaftetes Hörspiel einem trotzdem gefallen kann, ist eine Sache - dieses Empfinden aber dann über alles andere stellen - da wird's dann seltsam. Es gibt Kritiken, da steht dann so ungefähr "das war nicht in Ordnung, und da ist ne Macke und die Musik und die Sprecher sind auch nix, die Story ist etwas unlogisch. Aber insgesamt eine Top-Produktion, volle Punktzahl".


    Da frag ich mich dann auch, was mir der "Kritiker" damit sagen will (außer vielleicht, dass ich seine Rezensionen künftig nicht mehr lesen sollte).


    Eigentlich müssten sich die Kritiken soweit an die Fakten halten, dass sie alle in einen gewissen Bewertungskorridor passen. Streuungen von "Sehr gut" bis "Ungenügend" dürften nicht vorkommen. Wenn doch, sollte man sich mal an die Nase packen und sich fragen, ob man hier die richtige Brille aufhatte, wenn man da gänzlich außerhalb des Spektrums rezensiert.


    Fazit: Geschmack gehört in die Rezi, aber er darf nicht die Fakten so überlagern, dass aus Scheiße Gold wird.

  • "das war nicht in Ordnung, und da ist ne Macke und die Musik und die Sprecher sind auch nix, die Story ist etwas unlogisch. Aber insgesamt eine Top-Produktion, volle Punktzahl"


    Diese Art von "Rezensionen" gibt es - und leider auch nicht gerade selten, allerdings habe ich selbige hier noch nicht gelesen (zum Glück).
    Was man damit sagen will? Keine Ahnung. Vllt. "Hallo Label, steht doch 'Kaufen! Kaufen! Kaufen!' drunter, also habt ihr mich weiter lieb?!"



    Was die "Streuungen" angeht: Die wirst du leider immer haben. Es gibt leider u.a. die Art vermeindlicher Fans, die "ihre" Hörspielserie wie eine Religion vergöttern und dabei schon hier und da ins Fanatische abdriften; Stichwort "Drei ???" ist da recht "gut". Argumentative Kritik heißt: Man schadet der Serie, weil man eben Kritik äußert. Und "echter Fan" ist man ja eh nur, wenn man in Dick und Dünn zu der Serie hält - wozu auch Kritik äußern, wenn etwas kacke ist? Da kauf man lieber 20-30 Folgen weiterhin Schmarrn und ärgert sich insgeheim darüber, aber nach außen hin heißt es dann schlimmstenfalls: "Boah, die ist SO geil, die Folge. SO geil!"; bestenfalls beschränken sich diese Jubellemminge auf ein freundliches "Ey, du sagst die Folge ist schlecht, du bist kein Fan der Serie!!!! Hör auf das schlechtzureden!". Also werden auch mal die übelsten Grotten zur erneuten Fleischwerdung des Messias und legitime Bedenken an "D13 DR31" darf man nicht äußern, weil selbst jahrelange Erfahrungen mit EUROPA-Produktionen nicht zulässig sind...

  • eigentlich bin ich gleicher meinung wie snape, aber nachdem sich dry soviel mühe gegeben hat auszuführen, dass es für jeden scheiss nen fetisch gibt, habe ich nochmal drüber nachgedacht und bin zu dem schluss gekommen, dass dry sogar recht hat. es gibt wirklich leute die auf fisting oder anpissen stehen, auch wenn ich dererlei akte wohl niemals nachvollziehen kann. fazit: es gibt alles was man sich vorstellen und nicht vorstellen kann. es gibt auch leute die jede nochso grobe körperverletzung als geschmack bezeichnen. ich bin allerdings keiner von diesen leuten, versuche aber auch nicht sie eines besseren zu belehren, da das vertane liebesmüh wäre. ;)

  • Genau dat!


    Wir sollten "Backyard Productions" gründen.
    Oder "Ohrporno".
    Oder "Satan Productions: Mit einem Ohr in der Hölle".
    Allesamt Nischenprodukte, aber selbst mit untalentierten Sprechern und obskuren Dialogen geht das Zeug dann doch noch an den Mann :lolz:


    Und die Rezensionen liefern wir als Labelinhaber natürlich vorab schon und finden die Produkte immer super :uglylol:

  • Diese alles in den Himmel loben halte ich auch für wenig effektiv - Geschmack hin oder her (auch wenn man sich natürlich letztendlich darauf berufen kann). Aber wenn ich wirklich ALLES gut finde und keinerlei Kritik zulasse, dann ist das doch schon etwas seltsam.


    Aber wie johnny schon so schön sagte:
    "ich bin allerdings keiner von diesen leuten, versuche aber auch nicht sie eines besseren zu belehren, da das vertane liebesmüh wäre"

  • Zitat

    Original von Prof. Snape
    Wir sollten "Backyard Productions" gründen.
    Oder "Ohrporno".
    Oder "Satan Productions: Mit einem Ohr in der Hölle".


    oder "börti-bobs hörspiele aller geschmacksrichtungen"
    :)
    da gibtz dann auch hörspiele, die nach popel klingen :D :molwania: :D

    "Wenn Du auf Napur™ bist, dann kennst Du auch nur Leute, die auf Napur™ sind."
    (Detlef-Egge-Deluxe 1989)
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