Sollten manche Themen in Hörspielen tabu sein?

  • Wie seht ihr das? Sollten manche Themen in Hörspielen einfach nicht thematisiert werden?


    Ich sehe das so: ganz klares Nein! Da kann man ja auch gleich mit Zensur anfangen oder man erlässt einen Gesetzesentwurf, dass bestimmte Themen nur noch in anderen Medien, aber nicht in Hörspielen, behandelt werden dürfen. :stupid:


    Natürlich muss man sehen, zu welchem Zweck gewisse Themen behandelt werden. Wenn es der reinen Verherrlichung gilt, dann dürfte klar sein, dass man sowas nicht zulassen sollte. Aber um diesen Fall geht es mir nicht, sowas schließen wir direkt mal aus.


    Klar, es gibt Leute, die wollen nur ihre heile Welt und wollen sich nicht mit den Problemen der Welt belasten, aber solche Leute greifen dann doch auch ohnehin nicht zu anspruchsvollen Hörspielen, die evtl. brisante Themen beinhalten, oder?


    Wie ist eure Meinung dazu?


    Ich finde es jedenfalls bedenklich, wenn man auch vor heiklen Themen die Augen und Ohren verschließen soll, nur weil sie nicht in die eigene heile Welt passen.

  • Ich finde es wichtig, dass Sich die Kreativen hinter den Hörspielen in Zukunft auch schwere Themen öfter behandeln. Natürlich wollen einige Hörer sowas gar nicht, aber wers nicht mag muss es nicht hören. Das Medium ist mittlerweile schon so alt und scheint in manchen Punkten immernoch in den Kinderschuhen zu stecken, auch wenn es einige etwas mutigere Projekte gibt die gute Pionierarbeit leisten.

  • Grundsaetzlich stimme ich Dir zu, da die Kunstfreiheit ein sehr, sehr hohes Gut darstellt und sich das Medium Hoerspiel ja eigentlich hervorragend fuer 'Kopfkino' anbietet. Allerdings sehe ich Deine Frage auf 2 Ebenen: Die erste ist die 'heile Welt' Ebene: 'Hoerspiele in denen Kinder leiden hoere ich mir nicht an'. Ist jedem natuerlich freigestellt, aber wie ein recht aktueller Radio-Tatort zeigt, kann man die Ermordung eines Kindes ja durchaus intelligent umsetzen. Aber dann kommt die zweite Ebene, wo es um 'echte' Tabus geht. Da sollte man sich durchaus ranwagen-aber die Gefahr besteht, dass man das Tabu sehr komplex und jenseits von 'schwarz'/'weiss' angehen muss (um eben nicht einfach zu verherrlichen oder abzustossen) und man damit moeglicherweise viele Hoerer ueberfordert. Ich meine, dass das am Ende zu Recherche- und auch sonst aufwendigen Produktionen fuehren wird, deren kommerzieller Erfolg eher ungewiss ist. Aber gesetzliche Regeln sind immer nur ultima ratio und keine 'Loesung'.

  • Ich weise bei der Gelegenheit gerne auf MindNapping 6 "Dopamin" hin. Da haben mir auch einige Leute von abgeraten, ich habe es aber trotzdem gemacht und am Ende des Tages gab es mehr Lob als Kritik für den Mut, mal was Innovatives zu machen. Ob das direkt ein Tabubruch war weiß ich nicht, aber alltäglich war das sicherlich nicht. Ich hoffe, dass das jetzt nicht als Eigenwerbung ausgelegt wird. ;)


    Bei Offenbarung 23 sind in Folge 44 auch einige harte Szenen bei, aber nicht so hart, wie sie ursprünglich hätten sein sollen, irgendwo muss man ja schon schauen, dass man es nicht übertreibt, die Gewaltdarstellung und der Härtegrad haben dennoch irgendwo Grenzen.


    Wo aber eine Gefahr liegen soll, dass man etwas sehr komplex angehen soll, erschließt sich mir nicht. Gerade da liegt doch der Reiz, dass es komplex ist und man sowas nicht mal runterkurbelt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass einige Macher solche Themen gar nicht erst angehen, weil sie das nicht können. Da bin ich dann auch ganz froh drüber, dass sie die Finger davon lassen. Leider gehen einige Macher solche Themen dann trotzdem an, es geht voll in die Hose und es kann passieren, dass die Hörer auch deshalb sagen "Nee, solche Themen brauche ich nicht in Hörspielen!", ganz einfach weil die Darstellung völlig falsch und lächerlich war.

  • Ich habe nix gegen Komplexitaet-verstehe mich da nicht falsch. Mit 'Gefahr' meinte ich eher, dass man damit weniger Leute anspricht als man es gerne haette. 'Dopamin' ist denke ich auch ein gutes Beispiel, wie sich Tabus gesellschaftlich aendern. Im sexuallen Bereich kann man heute sicher andere Sachen machen als vor 10 Jahren. Und Harald Schmidt's Hitler-Witze konnte man finden wie man will, aber sie kamen zu einer Zeit, wo dieses Tabu sich auch allmaehlich lockerte. Neben der kuenstlerischen Verantwortung muss man sich sicherlich auch fragen, ob man sich auf Diskussionen, 'Shitstorm' usw. einlassen will, wenn man ein Tabu thematiesiert fuer und/oder gegen es eine organisierte Lobby gibt. Es ist ja leider oft so, dass 'kuenstlerisch wertvolle' Dinge meistens nicht kommerziell erfolgreich sind. Lohnt sich also die 'Mehrinvestition' um das Thema eben richtig und nicht laecherlich wirken zu lassen?

  • Ich habe nix gegen Komplexitaet-verstehe mich da nicht falsch. Mit 'Gefahr' meinte ich eher, dass man damit weniger Leute anspricht als man es gerne haette. 'Dopamin' ist denke ich auch ein gutes Beispiel, wie sich Tabus gesellschaftlich aendern. Im sexuallen Bereich kann man heute sicher andere Sachen machen als vor 10 Jahren. Und Harald Schmidt's Hitler-Witze konnte man finden wie man will, aber sie kamen zu einer Zeit, wo dieses Tabu sich auch allmaehlich lockerte. Neben der kuenstlerischen Verantwortung muss man sich sicherlich auch fragen, ob man sich auf Diskussionen, 'Shitstorm' usw. einlassen will, wenn man ein Tabu thematiesiert fuer und/oder gegen es eine organisierte Lobby gibt. Es ist ja leider oft so, dass 'kuenstlerisch wertvolle' Dinge meistens nicht kommerziell erfolgreich sind. Lohnt sich also die 'Mehrinvestition' um das Thema eben richtig und nicht laecherlich wirken zu lassen?


    Wenn man ein Statement bringen will, dann denkt man nicht an die Verkaufszahlen oder sonstwas. Wer das trotzdem macht, der kann es mit seinem Anliegen leider nicht so ernst meinen. Und die bisherigen Versuche, Kindesmißbrauch zu thematisieren, fand ich leider ziemlich erbärmlich. Das ist das Problem, wenn man sich dabei keine Mühe gibt, keine Recherche betreibt etc. Und damit meine ich die Produktionen vor O23 Folge 44.


    Übrigens ist es auch "witzig", wie sich manche aufregen, dass man das Thema hier aufgreift, weil es auch andernorts "diskutiert" wird. Leider sagt mir das Niveau und der Level der Diskussion "drüben" in keinster Weise zu. Gute Postings habe ich da nur wenige gelesen, wie so oft bzw. wie immer.

  • Und nein, es hat nicht mit der vermeintlichen Kreativität anderer Foren zu tun, wenn dortige Themen hier aufgegriffen werden, sondern viel mehr damit, dass man dort nicht mitdiskutieren darf, da die eigene Meinung unangenehm ist und man in ein Ghetto verbannt wird.


    @Dr. Lemon: Beitrag aus diesem Forum abkopieren ist nicht gestattet, es sei denn Du machst einen eindeutigen Quellenverweis UND verlinkst auf den Beitrag, danke.


    Schade ist es auch, wenn man es sich so dreht, dass ja die Freunde die Bösen sind, es wird einem ja über den Mund gefahren etc., dabei ist das Forum hier das liberalste von allen und gerade hier gibt es immer wieder mal Konflikte, weil man eben nicht einer Meinung ist. Das ist erlaubt und erwünscht. Wir brauchen hier nicht den Dauerkuschelkurs und tun alles als "Geschmackssache" ab. :rolleyes:


    Aber ich schweife ab, es geht um Tabus. Vielleicht ist ja auch die eigene Meinung ein Tabu, das nicht erwünscht ist. ;)

  • Selbstverständlich gibt es Tabus, sowohl in Filmen, Musik, Hörspielen etc.
    Da wären u.A. die Darstellung einer Gewaltverherrlichung, Darstellungen über den sexuellen Missbrauch von Kindern, Verharmlosung rechtsradikaler Einstellungen, Pro-Pädophile Neigungen. Im Prinzip alles was ethische und strafrechliche Relevanz aufzeigt.

  • Das Schlagwort ist für mich: Verherrlichung! Wenn man Gewalt z.b auch gegen Kinder, so in Szene setzt, dass sie verherrlicht wird dann ist das ein no go. Aber diese Verantwortung trägt jedes Medium. Ansonsten bitte keine Tabus!

  • Taburisieren würd' ich persönlich wenig, halte es aber für wichtig, das entsprechende Themen auch nur in entsprechender Hörspielumgebung angegangen werden, bei denen diese Thematik auch vorher klar ist. Heiße Eisen in platter Form in reinen "Unterhaltungshörspielen" unterzubringen, nur um zu schocken würde ich ablehnen. Da soll die "heile Welt" auch gerne heil bleiben.

    "Glaub nicht, ich sei verrückt, Eliot – viele haben merkwürdigere Abneigungen als diese."

  • Das Schlagwort ist für mich: Verherrlichung! Wenn man Gewalt z.b auch gegen Kinder, so in Szene setzt, dass sie verherrlicht wird dann ist das ein no go. Aber diese Verantwortung trägt jedes Medium. Ansonsten bitte keine Tabus!


    Aber ganz ehrlich, wo passiert das bitte im Hörspielbereich?


    Thomas76 : Kannst Du das spezifizieren? Das liest sich sonst halt sehr allgemein.

  • Kurz und knapp geantwortet: Tabu sollte nichts sein. Je heikler ein Thema, desto mehr setzt man sich natürlich Kontroversen aus. Aber Kontroversen sind gut. Und, mal ehrlich: Wenn jemand ein Hörspiel macht über, sagen wir, häusliche Gewalt, dann ruft das doch beinahe reflexartig Kritiker auf den Plan, de darin Gewaltverherrlichung sehen. Aber das sagt unter Umständen mehr über den Kritiker aus als über den Kritisieren.


  • Thomas76 : Kannst Du das spezifizieren? Das liest sich sonst halt sehr allgemein.


    Naja, wenn es beispielsweise eine Serie über psychopatische Serienkiller der übelsten Sorte geben würde, könnte es da im gewissen Rahmen auch über Tabuthemen gehen. Aber ich möchte sowas nicht unbedingt bei (als Beispiel) John Sinclair oder Lady Bedfort hören müssen.

    "Glaub nicht, ich sei verrückt, Eliot – viele haben merkwürdigere Abneigungen als diese."

  • Tabus machen keinen SInn, vor allem da sie in allen anderen Bereichen immer stärker abgebaut werden. Die Themen müssen halt nur in den Rahmen passen und entsprechend präsentiert oder aufgearbeitet werden. Man muß nicht immer die Moralkeule rausholen, aber Verherrlichung von Gewalt und Verbrechen haben in keinen Medium etwas zu suchen. Mein liebstes Beispiel wie es nicht laufen sollte ist TKKG. Als Kind habe ich die Anfeindungen über Randgruppen, die Verbrechen der Helden und ihre Gewalt als selbstverständlich bis toll wahrgenommen. Als Erwachsener habe ich sie manchmal noch mit einem Lachen gehört wie man das ernst meinen kann. Als die "Helden" dann einen Verdächtigen gefoltert haben um an Informationen zu gelangen und das als besonders lustig dargestellt wurde ist mir das Lachen vergangen...

  • Tabus sollte es grundsätzlich keine geben. Aber: Wer sich an sensible Themen wagt, sollte auch damit umgehen können.


    Nur können das leider die wenigsten.


    Hmm, Idee...kann es sein, dass die meisten Themen tabuisieren wollen, weil sie selber damit nicht adäquat umgehen können, egal ob Fans oder Macher?

  • Kommt der nur in Hörspielen? - Bei Kindesmisshandlungen und Kindesmissbrauch gehen doch brave Bürgerinnen und Bürger gern mal aus dem Sattel und vergessen die Errungenschaften von Aufklärung und Demokratie, wollen Folter, Rache und Todesstrafe, ganz unabhängig vom Medium. Insofern gebe ich dir recht: Das ist ein Thema, mit dem die meisten Leute nicht klar kommen, deshalb wollen sie möglichst nicht damit konfrontiert werden. Es wühlt zu sehr auf.

  • Kommt der nur in Hörspielen? - Bei Kindesmisshandlungen und Kindesmissbrauch gehen doch brave Bürgerinnen und Bürger gern mal aus dem Sattel und vergessen die Errungenschaften von Aufklärung und Demokratie, wollen Folter, Rache und Todesstrafe, ganz unabhängig vom Medium. Insofern gebe ich dir recht: Das ist ein Thema, mit dem die meisten Leute nicht klar kommen, deshalb wollen sie möglichst nicht damit konfrontiert werden. Es wühlt zu sehr auf.


    Natürlich nicht nur in Hörspielen, aber in ihrer heilen Welt ist für manche halt kein Platz für solche Themen in ihren Hörspielen. Aber ganz ehrlich, sowas sollte in billig runtergekurbelten Hörspielen auch nicht thematisiert werden, also können diese Leute wieder ganz beruhigt weiterschlafen.