Objektivität - ja oder nein?

  • Es wird ja von dem einen oder anderen gerne mal behauptet, dass es keine Objektivität gäbe.


    Ich halte das für großen Quatsch, denn es lässt sich nicht alles nur subjektiv und/oder mit "Geschmack" erklären. Bestimmte Bereiche einer Produktion sind nun mal entweder gut, schlecht, durchschnittlich etc.


    Wie seht ihr das?

  • Das berührt in der Tat einen der großen Streitpunkte. Völlig abgesehen von den philosophischen Implikationen und einfach mal nur auf die Hörspielwelt heruntergebrochen gibt es mMn

    • objektiv messbare Kriterien: klingt logisch, aber sicherheitshalber hier aufgezählt ... wie weit aufgespannt ein akustisches Frequenz- und Stereospektrum ist, ob eine Produktion verrauscht oder mittenlastig ist, und ob die Sprecher über gleichwertige Mikrofon- und Signalwege aufgezeichnet wurden, lässt sich sehr gut objektiv feststellen.
    • messbare Kriterien, über deren Bedeutung aber gerne gestritten wird: die schon häufiger angesprochene "Substanzqualität" eines Buches (wieviel und wievielschichtiger Inhalt ist in einer Story, sagen Charaktere immer genau das, was sie meinen oder gibt es Absichten und Handlungen auf mehreren Ebenen, gibt es eine tiefere "Moral von der Geschicht'" oder nicht); Regieleistung, Sprecherleistung, Dramaturgiebögen. Ich habe festgestellt, dass es schon hier kaum möglich ist, sich zu verständigen, weil viele unter diesen Begriffen etwas ganz anderes verstehen bzw. kein Ohr dafür entwickelt haben -- oder haben wollen.
    • tatsächliche Geschmacksfragen: da geht tatsächlich nichts mehr, denn ob einer die Erfüllung findet, wenn er zubeißenden Zombies zuhört, darüber ist weder gut diskutieren, noch kann man objektive Kriterien anlegen. Einer kann einem halbstündigen Gespräch zwischen zwei Menschen im Hörspiel gebannt zuhören, ein anderer schläft dabei ein, egal was besprochen wird, weil nicht genug "passiert".


    Just my 2c.

    They call me the Fader. Which is what I'm about to do.

    Die deutsche Rechtschreibung ist Freeware, d.h. man darf sie kostenlos nutzen.
    Allerdings ist sie nicht Open Source, d.h. man darf sie nicht verändern oder in veränderter Form veröffentlichen.

  • Ein Hörspiel oder andere Medien 100% objektiv zu bewerten dürfte in der Tat schwer werden. Aber ja es gibt einige Dinge die man objektiv beurteilen kann. Aber es ist gar nicht so leicht würde ich sagen, selbst in einzelnen Kategorien die man gerne hinzuzieht lässt sich auch nur eine wirklich 100% objektiv messen. Als Beispiel:


    Akkustik: Dort gibt es am noch die meisten messbaren Dinge, wo man Fehler objektiv klären kann. Ob aber die musikalische Komposition gefällt, der Stil es künstlers, die Musikart, die eingesetzten Instrumente etc. wird schon wieder über weite bereiche subjektiv. Dem einen gefällt rock, der andere hasst es. Man kann zwar vielleicht noch klären, ob die eine oder andere Musik stilistisch zu einer Szene passt. Aber wenn jemand rockmusik hasst, ist es schwer zu sagen "super"... da wird immer subjektives "gedankengut" mit einfließen.


    Geschichte/Story: Hier wirds dann schon extrem subjektiv. Man kann objektiv Fehler finde, also Logiklöcher usw. aber ob eine Geschichte am Ende gefällt, kommt doch auch immer ein Stückweit auf den persönlichen Geschmack an. Jemand, dem es bei dem Wort "Gruselhörspiel" schon die Fingernägel hochrollt wird vermutlich weniger Spaß mit einem solchen Hörspiel haben, als jemand dem das Genre egal ist, oder er sogar ein Fan davon ist. Man kann zwar für sich selbst entscheiden "egal ich bewerte es neutral" aber ob das immer gelingt, dem einen ja, dem anderen nein, dem anderen annähernd. Nicht so leicht das ganze.


    Wahre Objektivität gibt es am Ende nur, wenn man etwas Testet wo es ganz klare Messwerte zu beeurteilen gibt die auch für alle anderen Testobjekte gleich sind. Aber man kann sich auch bei Hörspielen und anderen Entertainment Dingen natürlich zumindest vornehmen, möglichst objektiv zu werten. In dem man eben nach Möglichkeit unvoreingenommen an die Sache ran zu gehen. etc.


    Die Frage ist ob das so sinnvoll ist? Am Ende ist es vielleicht einfach besser, wenn der Rezensent eine anständige Bio zur Verfügung stellt, welche von Lesern "studiert" werden können. Kennt man den Menschen der testet, kann man seine Urteile besser einnorden.

  • Um etwas objektiv beurteilen zu können, Bedarf es imho einer Referenz. Und genau da liegt im künstlerischen Bereich das Problem.


    So kann man z.B. von der Verarbeitung eine Gitarre mit einer anderen vergleichen, aber es kommt auf den Spieler an was der daraus macht. Und diese Beurteilung kann nur Subjektiv erfasst werden..



    Ein Produzent kann objektiv gesehen das beste Studio der Welt haben, aber um es mal nett zu umschreiben, ein Mischpult ist keine Kläranlage....

  • Es ist egal wovon geredet wird, denn bei jeglicher Beurteilung eines "Werkes" kann es nur dann Objektivität geben, wenn es eine "genormte" Referenz gibt.
    Und selbst da könnte es dann noch Probleme geben, denn selbst wenn das Werk einer genormten Referenz entsprechen würde, dann müsste man auch bei den Konsumenten eine genormte Hardware und Situation vorraussetzen.


    Ein Hörspiel kann ganz unterschiedliche Eindrücke hinterlassen je nachdem ob ich es in der Badewanne, im Auto, etc. pp anhören.


    Da alle diese Punkte aber nicht im entferntesten vereintheitlicht werden können, kann es keine objektive Beurteilung eines solchen Werkes geben.


  • Die Frage ist ob das so sinnvoll ist? Am Ende ist es vielleicht einfach besser, wenn der Rezensent eine anständige Bio zur Verfügung stellt, welche von Lesern "studiert" werden können. Kennt man den Menschen der testet, kann man seine Urteile besser einnorden.


    Jap, sehe ich auch so...was würde mir eine objektive - mal gesetzt den Fall, dass es das gibt - Rezi bringen, wenn das Hörspiel dann nicht nach meine Geschmack wäre? Da such ich mir lieber Rezensenten die erfahrungsgemäß auf meiner meiner Wellenlänge liegen. Da hilft nur "try an error"

  • Hochspannendes Thema, mit dem ich mich zwangsläufig immer wieder befasse(n muss). Was ist eigene Meinung, was ist objektive Darstellung. Schließlich wäre es unfair, ein Hörspiel abzuwerten, nur weil die persönliche Vorliebe nicht dem ansonsten perfekten künstlerischen Handwerk entspricht Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, ein Werk so zu beschreiben, dass der Leser einer Rezension (die häufig bei mir auch eine Beschreibung des Werkes und seiner Umsetzung ist) für sich selbst entnehmen kann, ob ihm etwas gefällt oder nicht. Klappt aber nicht immer ;-)


    Problem: einfach nur beschreiben ist öde, das liest keiner. Aber zu bewerten führt dazu, dass der eine (mit ähnlichem Geschmack) sagt "absolut d´accord, seh ich ganz genauso, Du hast Recht" und ein anderer "Schwachsinn, völliger Humbug, scheint Du hast was ganz anderes gehört als ich". So passiert es, dass fünf Rezensenten fünf verschiedene Meinungn von 1 bis 5 Sterne abliefern, obwohl sie alle dasselbe gehört haben.


    Was man klar beschreiben kann ist objektiv: ist der Klang dumpfer oder heller. Geschehen am Anfang viele Dinge bis hin zum Ende oder passiert am Anfang nur sehr wenig. Entspricht die Geschichte der Buchvorlage (sofern vorhanden) oder nicht. Hat man Synchronsprecher gewechselt zur vorherigen Episode, gab es doppelte / verpatzte Takes, wer ist der Autor des Skriptes, wer der Komponist. Ist die Musik laut oder leise. (Ob sie nun Spannung erzeugt - das ist wieder subjektives Empfinden)


    Das alles ist objektiv. Aber wie gesagt, sowas will keiner lesen, das ist staubtrocken. Und über sowas unterhält man sich auch nicht mit Freunden oder im Forum. (glaubt mir - ich habe es oft versucht, ich liebe diese Art der Diskussion. Klappt nur nicht, die Leute wollen nicht zuhören, das langweilt sie. Wie ich schmerzlich oft erfahren durfte *ggggg*)


    Man sagt nicht "am Anfang passiert nur ganz wenig. Die Handlung wird schrittweise eingeleitet, immer mehr Hinweise werden gestreut, bis sich dann am Ende alles zusammenfügt und zack der Showdown". Das wäre relativ objektiv.


    Sondern man sagt "es passiert nichts, am Anfang schläft man regelrecht ein, und dann auf einmal verschießen sie ihr ganzes Pulver und wecken alle auf, die vor einer halben Stunde eingeschlafen sind. Ganz ungeschickt im Storyaufbau, hätte man besser machen können". Oder man sagt "die Spannung baut sich langsam auf, immer mehr gibt es erste Ahnungen, man kann das Kribbeln regelrecht spüren, obwohl kaum etwas passiert, und dann endlich löst sich die Spannung mit einem riesigen Knall. Herrlich, wie der Autor das aufgebaut hat, subtil und perfekt getimed"


    Und das Problem an der Sache: beide Hörer haben das gleiche Stück gehört, nur der eine fand das (langsame Einleitung, nur wenige Hinweise, Showdown) öde und hätte sich mehr Action gewünscht, der andere fand diese klasse und bezeichnet genau dieses Element als Kunstgriff und großartiges Werk. DAS ist dann subjektiv.


    Ich denke, wirklich rein objektiv kann niemand etwas beschreiben. Denn allein die Formulierung ist eine Wertung. Es ist ein Unterschied, ob ich sage "die Handlung beginnt schleichend, die Beklemmung steigert sich unmerklich und subtil" oder "zu Beginn passiert kaum etwas, aber langsam kommt er endlich in Fahrt", das erste klingt nach positivem Stilmittel, das zweite klingt nach stinklangweiliger Umsetzung.


    In dem Moment, wo ein Mensch einen Satz formuliert, ist es also nicht mehr objektiv, denn Worte haben in der Regel immer eine positive oder negative Konnotation, ob man will oder nicht. Aber man kann versuchen, sogut als möglich etwas zu beschreiben und dem Leser / Hörer die Möglichkeit geben, sich seine eigene Meinung zu bilden.

  • Jap, sehe ich auch so...was würde mir eine objektive - mal gesetzt den Fall, dass es das gibt - Rezi bringen, wenn das Hörspiel dann nicht nach meine Geschmack wäre? Da such ich mir lieber Rezensenten die erfahrungsgemäß auf meiner meiner Wellenlänge liegen. Da hilft nur "try an error"

    wenn die Rezi wirklich objektiv ist, dann kannst Du normalerweise erkennen, ob es Dir gefällt oder nicht. Du weißt, ob Du (verglichen an meinem Beispiel weiter oben) eher Fan von knallharter Action bist, oder ob Du subtile Stilmittel und ruhigeren Psychohorror bevorzugst. Du weißt, ob Du lieber bekannte Sprecher oder lieber neue Stimmen hörst.


    Einziges Problem: rein trocken ohne persönliche Wertung ist langweilig zu lesen. Aber doch, wenn es wirklich gut und richtig gemacht ist, dann dann würde es Dir etwas bringen. Du müsstest halt mitdenken und selbst entscheiden. Diese Arbeit wird Dir abgenommen, wenn Du einen Rezensenten auf Deiner Wellenlänge hast, der für Dich auswertet und entscheidet, ob dieses Stilmittel gelungen ist oder nicht.

  • Wirkliche, absolute, totale Objektivität gibt es meiner Meinung nach nicht. Es gibt nur eine nach menschlichen Maßstäben möglichst große Objektivität. Ich würde auch an eine Rezension nie den Maßstab absoluter Objektivität anlegen. Eine Rezension muss für mich wohlbegründet sein.

  • Jeder hat seinen Geschmack, seine Vorlieben, seine Prägungen und was weiß ich nicht noch, und all das fließt an Subjektivem in eine Kritik ein. Aber natürlich kann man versuchen, das so gut es geht zu objektivieren. Und selbst, wenn man der Meinung ist, dass es gar keine neutrale Meinung und gar keine Objektivität gibt, kann man immer noch gegensteuern, indem man möglichst viele verschiedene Kritiken liest.

  • Jap, sehe ich auch so...was würde mir eine objektive - mal gesetzt den Fall, dass es das gibt - Rezi bringen, wenn das Hörspiel dann nicht nach meine Geschmack wäre? Da such ich mir lieber Rezensenten die erfahrungsgemäß auf meiner meiner Wellenlänge liegen. Da hilft nur "try an error"


    So sehe ich das auch. Man hat "seine" Rezensenten mit der Zeit gefunden und an denen orientiert man sich.


    Bei Musik sehe ich eine objektive Bewertung als ganz schwer an. Wie will man das bewerten? Die Musik ist sauber und korrekt vom Musiker eingespielt worden? Die Auswahl der Musik passt zum Hörspiel? Da ist es mir schon lieber in der Rezi wird das ausführlich erläutert und dann auch mit einer gewissen Färbung in der Einschätzung.
    Mal als Beispiel, mich stören Stilwechsel bei der Musik in einem Hörspiel. Andere Leute scheint das weniger zu stören, zumindest lese ich sowas nicht in Rezis oder in Meinungen in den Foren. Der Bereich Musik ist halt ganz schwer zu fassen und zu bewerten.

  • Zitat

    Es spricht ja keiner von absoluter Objektivität. Mir geht es nur darum, dass es Quatsch ist, dass es gar keine Objektivität geben kann.


    Es kann in einer Rezension von Hörspielen, Musik, Film etc. keine Objektivität geben. Denn das würde bedeutet das jeder zwangsläufig zu dem gleichen Ergebnis kommen müsste.
    Was dann ja auch messbare und vor allem von jedem reproduzierbare Ergebnisse bedeuten würde.


    Selbst bei medialen Bewertungen in denen mit Punkten oder Skalen gearbeitet wird, kommt es dann immer noch drauf an wer das ganze bewertet.
    Ein 5 jähriges Kind wird das neuste Benjamin Blümchen Hörspiel sicher ganz anders bewerten als ein 30 Jähriger, selbst wenn man haargenau die gleichen Fragen stellt.

  • Es kann in einer Rezension von Hörspielen, Musik, Film etc. keine Objektivität geben. Denn das würde bedeutet das jeder zwangsläufig zu dem gleichen Ergebnis kommen müsste.
    Was dann ja auch messbare und vor allem von jedem reproduzierbare Ergebnisse bedeuten würde.


    Selbst bei medialen Bewertungen in denen mit Punkten oder Skalen gearbeitet wird, kommt es dann immer noch drauf an wer das ganze bewertet.
    Ein 5 jähriges Kind wird das neuste Benjamin Blümchen Hörspiel sicher ganz anders bewerten als ein 30 Jähriger, selbst wenn man haargenau die gleichen Fragen stellt.


    5 jährige Kinder sind aber auch keine Rezensenten.

  • Es gibt sicherlich auch innerhalb der Hörspiele möglichkeiten Dinge 100% objektiv zu beurteilen. Nur sind das - denke ich - eher uninteressante Dinge. Ist der Druck eines Covers Fehlerhaft, dies kann man feststellen. Über die optische Gestaltung kann man schon nicht mehr objektiv entscheiden. Was man aber machen kann ist, sich selbst zu kennen und dies zu nutzen. Wenn man weiß dass man persönlich eine Abneigung gegen einen persönlichen Zeichenstil hat und deswegen diesen schlecht bewertet ist das subjektiv. Versucht man dies zu umschiffen in dem man den Stil neutral bewertet, kann man dem wieder einen hauch objektivität mitgeben. etc. etc.


    Theoretisch kann man alles objektiv (an einem Hörspiel) bewerten, was institutionen wie Stiftung Warentest, Ökotest oder andere Unternehmen testen würden. Faktische begebenheiten. Fehler in einem Hörspiel kann man zb. objektiv bewerten. Wenn die Sprache verzerrt ist oder andere Soundfehler aufweisen, dann kann man das genau beurteilen.Bei Videospielen gibt es einige Dinge mehr, die man objektiv bewerten kann.. wieviel Frames (30/60 FPS), Grafikfehler, Bugs, etc.


    Die Krux der Rezension ist doch, zu entscheiden wo die Reise hingeht, ich kann als Rezensent entscheiden ob ich mich voll auf meine persönliche Meinung einschieße also Subjektiv per superlativ bewerte, oder ob ich lieber den Weg der "gehäuchelten" objektivität gehe. Ok, gehäuchelt klingt sehr negativ. Will aber nur damit sagen, dass man als Rezensent entscheiden kann, ob man sich selbst als Rezensent so gut kennt, dass man über seinen persönlichen Schatten springt und Dinge einigermaßen Wertfrei beeurteilt.


    Eine echte objektive Wertung ist trotzdem schwer, aber das gute ist ja, dass ein guter Rezensent seine Meinung immer auch begründen kann. Wenn er erfasst, dass ihm etwas nicht gefallen hat, dann sollte er es an Beispielen benennen, dann kann der Leser für sich selbst entscheiden, ob er diesen Makel eben auch als Makel erachtet.